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Knorr-Bremse: Noch stärker nach Cojali-Beteiligung

Der hohe Elektronik-Anteil im Nutzfahrzeug treibt Werkstätten um. Gefragt ist ein guter Mehrmarken-Tester. Knorr-Bremse hat 2022 in Telematik sowie Diagnose investiert und sieht sich gut aufgestellt.

„Mit der Beteiligung an Cojali stärken wir unsere Position als Systempartner im weltweiten Wachstumsmarkt der digitalen, vernetzten Lösungen für unsere Kunden“, ist sich Bernd Spies sicher. Der Manager ist seit März 2022 Mitglied des Vorstands der Knorr-Bremse AG. Zuvor verantwortete er seit
„Mit der Beteiligung an Cojali stärken wir unsere Position als Systempartner im weltweiten Wachstumsmarkt der digitalen, vernetzten Lösungen für unsere Kunden“, ist sich Bernd Spies sicher. Der Manager ist seit März 2022 Mitglied des Vorstands der Knorr-Bremse AG. Zuvor verantwortete er seit 2014 die Division Systeme für Nutzfahrzeuge.

„Wir können auch Krise. Dieser Satz gilt für Knorr-Bremse seit Jahrzehnten.“ Nachzulesen sind beide Aussagen im aktuellen Geschäftsbericht des Münchner Industriekonzerns. Selten aber seien das unternehmerische Selbstverständnis und der Optimismus auf eine härtere Probe gestellt worden wie im Krisenjahr 2022 – „einem der härtesten Jahre seit langem“, heißt es dort weiter. Und trotzdem: Knorr-Bremse konnte auch Weiterentwicklung. Die Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH mit der Aftermarket-Sparte „TruckServices“ vermeldete im vergangenen Jahr zwei bemerkenswerte Partnerschaften: Einmal arbeitet Knorr-Bremse seit September mit Fersa Bearings, einem Anbieter für Radlagerlösungen, zusammen und komplettiert damit das bestehende Wheelend-Ersatzteilprogramm. Darüber hinaus sicherte sich das Unternehmen im November 2022 einen Mehrheitsanteil an der spanischen Cojali S.L.

Durch den Einstieg beim Diagnosespezialisten für Nutzfahrzeuge versprechen die Münchner Werkstatt- und Flottenkunden eine breitere stationäre Diagnose sowie eine smartere Ferndiagnose. Darüber sprechen Bernd Spies, Mitglied des Vorstands der Knorr-Bremse AG und verantwortlich für die Division Systeme für Nutzfahrzeuge, und Alexander Wagner, Bereichsleiter Aftermarket / TruckServices EMEA bei Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge, im amz-Interview.

Welche Bereiche und Services umfasst die Aftermarket-Sparte „TruckServices“ innerhalb der Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge?

Bernd Spies: In der Division Truck haben wir unsere Aftermarket-Aktivitäten unter der Marke Knorr-Bremse TruckServices gebündelt. Unser Produktportfolio richtet sich an Werkstätten, Händler und Flottenbetreiber und unterteilt sich in die Fokusbereiche Service-Neuprodukte, EconX-Produkte, Servicekits und Verschleißteile sowie Spezial- und Hilfswerkzeuge. Darüber hinaus bietet Knorr-Bremse ein breites Angebot an Services an, wie z.B. Trainings und die technische Hotline sowie Lösungen für Flotten. Dazu zählt beispielsweise auch unser nachrüstbarer Abbiegeassistent ProFleet Assist+ Gen 2. Wir erweitern unser Aftermarket-Portfolio kontinuierlich, bauen neue Kompetenzbereiche aus und bieten damit ein attraktives Angebot für Nutzfahrzeuge aller Art und Altersklassen. Hier ist beispielsweise die Erweiterung unseres Portfolios um Radlager und -naben zu nennen, die seit dem vergangenem Jahr unser bestehendes Wheelend-Portfolio komplettieren.

Knorr-Bremse sieht sich auch als Systemlieferant digitaler und datengetriebener Aftermarket-Lösungen. Wie wirken sich die Megathemen Digitalisierung und Telematik auf den Kundendienst im Nfz-Segment allgemein aus? Könnten Sie uns Beispiele für ein Engagement von Knorr-Bremse geben?

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Bernd Spies: Die Themen Digitalisierung und Konnektivität drängen weiter verstärkt in den Aftermarket. Wir haben bereits seit vielen Jahren datengetriebene Lösungen und Konnektivität als eine der tiefgreifenden Entwicklungen in der Nutzfahrzeugindustrie erkannt. Heute haben wir mit der spanischen Cojali S.L. einen führenden Diagnoseanbieter mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in unserem Portfolio und werden dieses Angebot weiter ausbauen.

Welchen Stellenwert hat die Sensorik derzeit im Fahrwerk- und Bremsenbereich? Was erwarten Sie für die kommenden Jahre?

Bernd Spies: Im Bereich der Bremssteuerung und Luftbeschaffung ist schon heute sehr viel Sensorik integriert. Man denke beispielsweise an Drucksensoren und Drehzahlsensoren, die die präzise Raddrehzahl messen, oder auch an Radar- und Kameralösungen, die hier bereits eine sehr große Rolle spielen. Ebenso an das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) mit seiner Gierraten- sowie Beschleunigungs- und Lenkwinkelsensorik. Im Wheelend dreht sich heute alles um Verschleißsensierungen der Bremsbeläge. Zukünftig bietet die vorausschauende Wartung weitere Möglichkeiten im Bereich Wheelend.

„Die Diagnose ist mittlerweile mit das wichtigste Hilfsmittel in den Werkstätten, um die erhöhte Komplexität der Reparatur von Nutzfahrzeugen aufgrund des stetig zunehmenden Elektronik-Anteils bewerkstelligen zu können“, untermauert Alexander Wagner die Bedeutung von Investitionen in dem Bereich. Er ist Bereichsleiter Aftermarket / TruckServices EMEA bei Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge.
„Die Diagnose ist mittlerweile mit das wichtigste Hilfsmittel in den Werkstätten, um die erhöhte Komplexität der Reparatur von Nutzfahrzeugen aufgrund des stetig zunehmenden Elektronik-Anteils bewerkstelligen zu können“, untermauert Alexander Wagner die Bedeutung von Investitionen in dem Bereich. Er ist Bereichsleiter Aftermarket / TruckServices EMEA bei Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge.

Wie weit ist Knorr-Bremse Stand heute beim Trend-Thema Predictive-Maintenance?

Alexander Wagner: Im Rahmen der Zusammenarbeit werden Knorr-Bremse und Cojali intensiv am Ausbau des Angebots für Ferndiagnose und deren Weiterentwicklung, der vorausschauenden Wartung, arbeiten, denn genau hier liegt die Zukunft. Cojali bietet unter dem Namen Jaltest Telematics eine Lösung zur Ferndiagnose an und hat sich in diesem Segment bereits als wichtiger Spieler in Südeuropa etabliert. Bei der Ferndiagnose werden die Funktionen der Fahrzeuge überwacht, Fehler schon im laufenden Betrieb gemeldet und eingeschätzt, wie kritisch diese sind.

Durch das Sammeln und Analysieren dieser Daten wird es allerdings künftig auch möglich sein, vorauszusagen, wann an einem Fahrzeug ein gewisser Fehler auftreten wird. Flottenbetreiber können dann Werkstattaufenthalte planen, bevor ein Fehler auftritt. Beides, ob Ferndiagnose oder vorausschauende Wartung, hilft enorm bei der Koordination von Werkstätten und Flottenbetreibern und letztendlich bei der Vermeidung von Stillstandzeiten.

Welche Diagnoselösungen bietet Ihr Unternehmen Werkstätten und Fuhrparks derzeit? Über welche Analysetiefe verfügt beispielsweise das „Neo“-System?

Alexander Wagner: Die Diagnoselösung von Knorr-Bremse heißt Neo. Diese Lösung deckt unsere Knorr-Bremse-Produkte ab und zeichnet sich durch eine Diagnosetiefe aus, die nur ein Erstausrüster bieten kann. Darüber hinaus bietet Neo eine fehlergeführte Diagnose. Das heißt, der Werkstattmitarbeiter wird durch Fragen zur Lösungsfindung geführt. Das ist wertvoll, weil ein Fehler verschiedene Ursachen haben kann. Im Bereich der Diagnoselösungen ist so eine fehlergeführte Diagnose kein Standard.

Unsere Neo-Diagnoselösung wird als Erweiterung in Jaltest Diagnostics integriert. Das bedeutet, dass mit Jaltest die Bauteile aller möglichen Marken diagnostiziert werden können, in Zukunft diejenigen von Knorr-Bremse zudem in besonderer Tiefe. Hinzu kommt eine noch detailliertere technische Dokumentation für die Bauteile von Knorr-Bremse, denn natürlich stecken wir dort unser Know-how als Hersteller hinein. Die fehlergeführte Diagnose möchte Cojali im Übrigen in Zukunft auch in anderen Bereichen weiter ausbauen. Das Ziel ist die Vollintegration bis Mitte 2024.

Inwieweit hat in diesem Kontext der Einstieg bei Cojali im vergangenen Jahr Potenzial?

Bernd Spies: Mit der Beteiligung an Cojali stärken wir unsere Position als Systempartner im weltweiten Wachstumsmarkt der digitalen, vernetzten Lösungen für unsere Kunden. Der Anteil an mechatronischen Teilen pro Fahrzeug steigt rasant. Gleichzeitig unterstützen immer mehr digitale Services die Fahrer unterwegs. Jeder Ausfall von Fahrzeugen kostet Geld. Präzise stationäre Diagnose in der Werkstatt und smarte Ferndiagnose des Fahrzeugs helfen deshalb nachhaltig beim effizienten Flottenmanagement. Wir erweitern dadurch nicht nur unser bestehendes Aftermarket-Geschäft mit einer nutzfahrzeugspezifischen Softwarelösung, die uns zukünftig auch im Bereich Big Data und der sich daraus resultierenden vorausschauenden Wartung neue Geschäftsfelder ermöglicht, sondern wachsen auch weiter erfolgreich entlang des Megatrends Digitalisierung.

Die Partnerschaft zu Fersa erlaubt Knorr-Bremse eine Abrundung des eigenen Ersatzteil-Programms.
Die Partnerschaft zu Fersa erlaubt Knorr-Bremse eine Abrundung des eigenen Ersatzteil-Programms.

In der Pressemeldung zur Automechanika 2022 wird das Engagement erwähnt. Es ist von der Akquisition eines Mehrheitsanteils die Rede. Könnten Sie für uns bitte ein bisschen ins Detail gehen?

Bernd Spies: Knorr-Bremse hat im November 2022 zum Ausbau der Position im Bereich digitaler und datengetriebener Aftermarket-Lösungen einen Mehrheitsanteil in Höhe von 55 Prozent an der spanischen Cojali S.L. übernommen, was einem Kaufpreis in Höhe von rund 200 Millionen Euro entspricht. Damit profitieren Knorr-Bremse und Cojali bei der Digitalisierung und Konnektivität.

Die Spanier bieten Telematik, Diagnose, Steuergerätereparatur, aber auch eine Teilehandelsplattform. Welche Geschäftsfelder sind derzeit besonders spannend?

Alexander Wagner: Die Diagnose ist mittlerweile mit das wichtigste Hilfsmittel in den Werkstätten, um die erhöhte Komplexität der Reparatur von Nutzfahrzeugen aufgrund des stetig zunehmenden Elektronik-Anteils bewerkstelligen zu können. Die Mehrmarkendiagnoselösung der Cojali S.L., Jaltest Diagnostics, ermöglicht, dabei Fehler unabhängig von den Fahrzeugmarken und -modellen zu erkennen. Aktuell deckt Jaltest Diagnostics bereits mehr als 6.000 Nutzfahrzeugmodelle und 200 Nutzfahrzeugmarken ab. Und damit sind wir unserem Ziel, eine Gesamtlösung für alle Marktteilnehmer zu bieten – ob Händler, Werkstatt oder Flottenbetreiber – sehr viel näher gerückt.

Auch im Nfz-Segment nimmt das Thema Fahrzeugdaten Fahrt auf. Welches Potenzial sieht Knorr-Bremse beispielsweise bei den RMI-Daten?

Alexander Wagner: „RMI-Daten“, also die Reparatur- und Wartungsinformationen (RMI), versuchen wir auch weiterhin bestmöglich in unser Angebot zu integrieren, damit der Kunde schnellstmöglich die relevanten Informationen für eine Reparatur bzw. Wartung zur Verfügung hat. Davon abgesehen bekommen wir mit Blick auf Fahrzeugdaten durch Jaltest Diagnostics und Jaltest Telematics erhebliche Datenmengen aus der Überwachung der Fahrzeugkomponenten und den Werkstattdiagnosen, aber auch über den Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen, ihre Tachodaten, Restfahrzeiten und vieles mehr. Auch das Fahrverhalten der Fahrer wird analysiert. Wir arbeiten darauf hin, Werkstätten wie Flottenbetreibern mit Jaltest Solutions am Ende eine umfassende Plattform zur Verfügung zu stellen. Nach einem Alarm in der Ferndiagnose soll dann beispielsweise direkt sichtbar sein, wo sich die nächste Werkstatt befindet, ob diese zur benötigten Zeit einen Reparaturslot frei und die richtigen Teile zur Verfügung hat.

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