Fahrzeughandel: Neue Regeln beim Garantiegeschäft
Auto Niedermayer hat sein Garantiegeschäft umgestaltet. Für neue Zusagen und Leistungen gegen Entgelt führt der Kfz-Händler seit 1. Januar 2023 Versicherungssteuer ab. Ein erster Erfahrungsbericht plus Markteinschätzung aus der Branche.
Entgeltliche Garantien für Fahrzeuge müssen seit 1. Januar 2023 neuen Spielregeln folgen. Gemäß Vorgaben der Finanzverwaltung unterliegen diese nicht mehr der Umsatz-, sondern der Versicherungssteuer. Sobald ein Händler nun eine Neuwagenanschluss- oder Gebrauchtwagengarantie gesondert verkauft, agiert er quasi als Versicherer und hat darauf Versicherungssteuer zu erheben und abzuführen. Das umfasst nicht nur den Betrag für die Zusage, sondern auch Leistungen rund um die Reparaturen respektive Kostenersatz im Garantiefall (wir berichteten). Da die Versicherungssteuer von 19 Prozent im Gegensatz zur Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, steigen die Kosten damit je nach Umsetzungsmodell deutlich.
Zepter in der Hand behalten
Auto Niedermayer in Neukirchen bei Straubing hält dennoch am Verkauf von Neuwagenanschlussgarantien bis zu einer Laufzeit von drei Jahren sowie einer entgeltlichen ein- oder zweijährigen Garantie für Gebrauchtwagen an Endkunden fest. In dieser Sparte vermarktet der Betrieb jährlich rund 1.000 Neu- und rund 500 Gebrauchtwagen im Alter bis fünf Jahren mit einer Laufleistung von maximal 80.000 Kilometern. Dabei deckt das Kfz-Handelshaus die Garantierisiken weiterhin in Eigenregie und bildet dafür Rückstellungen. Zur Abwicklung greift es auf die Dienste von Meneks gegen eine Handlingsgebühr zurück. Lediglich bei bestimmten Finanzierungen wird stattdessen eine Reparaturkostenversicherung (RKV) im Paket mitverkauft. Deren Zahl beläuft sich laut Unternehmensangaben auf 30 bis 50 pro Jahr.
Geschäftsführer Heinz Niedermayer erläutert seine Strategie: „Neben der Liquidität behalten wir damit auch eine kulante Schadenregulierung gegenüber den Kunden im Haus. Bei so manchen Fällen hätten wir die Kostenübernahme sonst ablehnen müssen, wenn sie über einen Versicherer gelaufen wären.“ Er erinnert sich etwa an einen defekten Kabelbaum, der zum Zeitpunkt des Schadenfalls bei einer Versicherung nicht gedeckt gewesen wäre. Die Eigentragung habe ihm dagegen ermöglicht, den Schaden aus dem Rückstellungstopf zu regulieren. Weiterer Pluspunkt: Auch bei Garantiefällen entfernt wohnender Kunden obliegt ihm die Entscheidung, ob er das Fahrzeug zur Reparatur holt oder den Schaden von einer anderen Werkstatt instand setzen lässt und reguliert. Darüber hinaus bewegt sich die Schadenquote bei aktuell 80 bis 100 Garantiefällen pro Jahr für den Betrieb im grünen Bereich. Diese Vorteile will der Unternehmer nicht aufgeben.
Mehr interne Handlingsprozesse
Deshalb hat sich Heinz Niedermayer mit den Steuerberatern zusammengesetzt und sein Garantiegeschäft entsprechend den Vorgaben neu aufgestellt. Ein zentraler Schritt: Er hat eine Versicherungssteuer beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) beantragt und erhalten. Dort muss er nun für jeden Monat bis zum 15. des Folgemonats eine Versicherungssteuermeldung abgeben. Dies erfolgt in einem separaten internen Prozess, der eigens installiert wurde.
Demnach werden alle entgeltlichen Garantien seit 1. Januar vergangenen Jahres über einen eigenen Nummernkreis im System des Providers erfasst und geführt. „Auf diese Weise sehen die Mitarbeiter bei einer Reparaturannahme und in der Buchhaltung bei der Freigabe sofort, dass es sich um einen neuen, versicherungssteuerpflichtigen Fall handelt“, sagt Niedermayer. Das rund 40-köpfige Team hat er zudem in Gesprächen für das Thema sensibilisiert. Das ist wichtig, weil im Leistungsfall auf die Ersatzteile kein Vorsteuerabzug mehr möglich ist. Gleiches gilt für die kompletten Rechnungen anderer Werkstätten, die Garantiearbeiten im Auftrag durchgeführt haben.
Für ihn als freier Händler sei das zu managen, da jeder Fall intern auf den Prüfstand kommt und die Mitarbeiter sowieso nur auftragsbezogen bestellen. Zur Sicherheit enthalten auch die Lieferscheine deutliche Vermerke, damit die Rechnungen richtig erstellt, verbucht und anschließend archiviert werden. „Bei zehn bis zwölf Werkstattdurchgängen pro Tag sind solche Prozesse Grundvoraussetzung für die Abwicklung“, sagt Niedermayer. Bei Betrieben mit mehreren Filialen respektive Lagerhaltung hält er das allerdings für eine Herausforderung. Hintergrund: Vorhandene Ersatzteile dürften nicht verwendet werden, da hierfür schon Vorsteuer gezogen wurde.
Klar ist, dass die neuen Regelungen aber auch bei Niedermayer höhere Aufwendungen verursachen. Wie hoch, kann er derzeit nur schätzen. Schließlich hat er bis Ende 2023 noch keine Handvoll neuer Garantiefälle mit Versicherungssteuer verzeichnet. Einige Jahre wird außerdem das alte neben dem neuen System laufen. Erst 2028, wenn die dreijährigen Anschlussgarantien für Neuwagenverkäufe aus 2022 ausgelaufen sind, ist der Übergang hin zu den entgeltlichen Garantien inklusive Versicherungssteuer komplett vollzogen und es sind keine umsatzsteuerpflichtigen Fälle mehr zu erwarten.
Ab diesem Zeitpunkt geht Niedermayer gemessen an den aktuellen Schadenaufwendungen von Mehrkosten zwischen 10.000 bis 15.000 Euro pro Jahr aufgrund der Versicherungssteuerpflicht und dem Verlust des Vorsteuerabzugs aus – indirekte Ausgaben etwa durch internen Verwaltungsaufwand und für externe Unterstützung nicht inbegriffen. Ob das Modell auch den Finanzbehörden genügt, wird die nächste Prüfung zeigen. Damit rechnet Niedermayer spätestens 2025.
Unentgeltliche Garantien bevorzugt
Unter den Kunden von Meneks bildet Niedermayer mit seiner internen Lösung die Ausnahme. Rund 90 Prozent setzen auf unentgeltliche Garantiezusagen, die sich bei Gebrauchtwagen meist auf zwölf Monate belaufen. Pro verkauften Kfz schließen die Händler dann mit dem Anbieter eine Garantie ab, die im Schadenfall die Aufwände des Betriebs deckt.
„Bei entgeltlichen Garantiezusagen setzt die Mehrheit der Händler wiederum auf Reparaturkostenversicherungen, bei denen der Händler lediglich als Vermittler fungiert“, ergänzt Meneks-Geschäftsführer Florian Schäfer. Hier kommt der Vertrag direkt zwischen den Endkunden als Versicherungsnehmer und dem Versicherer zustande. Dieser trägt die Risiken im Rahmen der RKV. „Der administrative Aufwand ist bei diesen Modellen für die Händler überschaubar“, begründet Schäfer.
Nach seinen Erfahrungen wollen viele auf Angebote über die Hersteller- respektive unentgeltlichen Garantien hinaus aus einem weiteren Grund nicht verzichten: „Die Preise für Autos sowie für Reparaturen steigen und damit auch das Kundenbedürfnis nach Schutz vor potenziellen Risiken über einen möglichst langen Zeitraum.“ Dies sei mit der Kombination aus unentgeltlichen Garantien und RKVen nach den neuen Vorgaben machbar, ohne dass die Kfz-Betriebe versicherungssteuerpflichtig werden.
Serviceverträge inklusive Garantie
Generell haben sich die spezialisierten Versicherer und Garantieanbieter mit ihren Modellen auf die Vorgaben eingestellt. Das beobachtet der Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK). „Die meisten gehen dabei von entgeltlichen Garantien auf Reparaturkostenversicherungen über“, sagt BVfK-Vorstand Ansgar Klein. Zugleich hat der Verband sein Konzept der Händlereigengarantie um ein Modul vergrößert, damit die Mitglieder weiterhin auch entgeltliche Garantiezusagen in Eigenregie anbieten und managen können – Abführen der Versicherungssteuer eingeschlossen.
Trotzdem: Die Regelungen lassen immer noch einiges ungeklärt. Klein erläutert: „Bei Schadenfällen aus entgeltlichen Garantien wird unter anderem darüber diskutiert, ob entsprechend die Vorsteuerabzugsberechtigung für die Anschaffung von Dingen wie Werkzeuge und Schreibtisch des Bearbeiters für die Kfz-Betriebe anteilig verloren geht.“ Deshalb erarbeitet der BVfK mit Steuerexperten derzeit eine ganz neue Lösung: den sogenannten Wartungsvertrag mit Garantieverlängerung. In dieser Kombination ist es laut Klein unter bestimmten Bedingungen erlaubt, entgeltliche Garantien zu vermarkten, ohne versicherungssteuerpflichtig zu werden. Denn das Garantieversprechen sei in diesem Fall an eine Servicevereinbarung gebunden. Ab 1. März 2024 soll diese Option den BVfK-Mitgliedern zur Verfügung stehen. (Annemarie Schneider)
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