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Elektroplattform 23. Mai 2023

Premium-Plattform für Luxus-Stromer

 Mit der Premium Platform Electric, kurz PPE, haben Audi und Porsche eine Plattform für besonderes leistungsstarke E-Autos des Volkswagen-Konzerns entwickelt. Beim Wiener Motorensymposium verrieten die Firmen Details zur Technik.

Die neue Premium-Elektro-Plattform (PPE) soll den bisherigen Konzernbaukasten MEB nach oben abrunden.
Die neue Premium-Elektro-Plattform (PPE) soll den bisherigen Konzernbaukasten MEB nach oben abrunden.

In der Automobilbranche gilt Volkswagen als Benchmark, wenn es um die konsequente Anwendung des Plattformkonzepts geht. Auf Basis des sogenannten Modularen Querbaukastens, kurz MQB, wurden seit 2012 allein bis 2022 konzernweit weit mehr als 32 Millionen Fahrzeuge produziert, darunter Modelle wie der Audi A3 und Q2, Skoda Oktavia und natürlich der VW Golf, Passat und Touran. Mit dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) hat Volkswagen diese Idee frühzeitig auf Elektrofahrzeuge übertragen, um auch hier die Effizienz in Entwicklung und Produktion zu verbessern. Die neue Premium Platform Electric (PPE) von Volkswagen zielt auf das Premiumsegment und soll den Einsatzbereich des MEB nach oben abrunden. Entwickelt wird die PPE gemeinsam von Porsche und Audi. Bei Ihrem Vortrag auf dem diesjährigen Wiener Motorensymposium gaben Otmar Bitsche von Porsche und Dr. Robert Meyer von Audi zum ersten Mal tiefere Einblicke in die technischen Details der Hightech-Architektur, die auf hohe Fahrleistungen sowie große Reichweite mit einer Batterieladung, geringe Ladezeiten und hohe Effizienz ausgelegt ist. Die Bodengruppe soll bei Radstand, Spurweite und Bodenfreiheit so viel Spielraum geben, dass unterschiedliche Modelle im B- bis zum D-Segment mit Antriebsleistung von rund 140 bis mehr als 500 kW damit realisiert werden können. Sowohl klassische Karosseriekonzepte als auch SUVs sind geplant. Der Audi Q6 e-tron wird das erste Modell im Volkswagen-Konzern sein, das auf der PPE-Plattform basiert, dicht gefolgt von der nächsten Generation des Porsche Macan.

Modularer Hochleistungsantrieb

Um die hohe Flexibilität zu gewährleisten, wurde die PPE modular und mit Blick auf einen hohen Gleichteileanteil konzipiert. An der Vorderachse können sowohl Asynchronmaschinen (ASM) als auch Permanentmagnet-Synchronmaschinen (PSM) unterschiedlicher Länge eingesetzt werden, um je nach Modell Effizienz, Kosten und Leistung zu skalieren. Der jeweilige Rotor und Stator wird in eine einheitliche Achskonstruktion ohne Änderungen am Gehäuse integriert, auch die Getriebe und Rotorwellen sind identisch. Je nach Auslegung liefert die Vorderachse eine maximale mechanische Leistung von 140, 175 oder 235 kW bei einem maximalen Drehmoment von 275, 310 bzw. 440 Nm an der E-Maschine.

Aufgrund der aus den Einsatzbedingungen resultierenden spezifischen Anforderungen werden an der Hinterachse nur PSM eingesetzt ­– die Vorteile gegenüber ASM sind vor allem eine sehr hohe Drehmomentdichte und ein hoher Wirkungsgrad, insbesondere bei Volllast. Wie Robert Meyer in Wien erklärte, stehen für das Fahrzeugheck zwei verschiedene Hinterwagenkonfigurationen mit unterschiedlichen Radständen zur Auswahl. Bei der ersten ist das Differenzial hinter dem Motor verbaut. Die mechanische Leistung der PSM beträgt 280 kW und das Drehmoment 580 Nm. Für sportliche Fahrzeuganwendungen wurden drei Performance-Heck-Layouts entwickelt, bei denen die Anordnung von Motor und Differenzial gedreht ist, um einen kürzeren Radstand zu ermöglichen. Dieses Hecklayout wird mit drei Leistungsklassen angeboten, 280 kW/580 Nm, 310 kW/610 Nm und 460 kW/765 Nm.

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Bei der neuen Wechselrichtergeneration für die PPE-Plattform setzt Volkswagen sowohl Siliziumkarbid- als auch Silizium-Halbleiter ein. Die Skalierung der mechanischen Leistung der Vorder- und Hinterachse erfolgt über die Anpassung des Phasenstroms durch die Anzahl der Leistungsmodule in der Leistungselektronik. Für die Vorderachse nutzen die Entwickler von Audi und Porsche eine kostenoptimierte Silizium-IGBT-Halbleitertechnologie mit einer Strombelastbarkeit von 350 A. Für den Hauptantrieb im Heck werden Siliziumkarbid-MOSFET-Halbleiter mit einem maximalen effektiven Phasenstrom von 480 A implementiert, um einen hohen Wirkungsgrad zu gewährleisten. Die Steuerungssoftware wurde größtenteils in Eigenregie entwickelt und bietet zahlreiche wirkungsgradsteigernde Features, wie z.B. eine variable Schaltfrequenz in der Leistungselektronik.

Um die Leistungsanforderungen eines breiten Fahrzeugportfolios abzudecken, sind sechs Getriebevarianten mit Übersetzungen von 8,5 bis 11,0 verfügbar. Die elektrischen Maschinen und Getriebe können flexibel kombiniert werden. Der Einsatz einer Trockensumpfschmierung mit elektrischer Ölpumpe minimiert die Spritzverluste im Getriebe. Über das Öl wird auch der Thermohaushalt der elektrischen Maschine geregelt. Dabei sorgen Sprühdüsen für eine direkte Kühlung stark beanspruchter Bauteile. Das gilt beispielsweise für heiße Zonen der Statorwicklung (Statorendwicklung), um Kupferverluste an ihrer Quelle abzuführen und hohe Stromdichten zu ermöglichen. Parallel dazu wird das Öl zur Rotorkühlung über eine Hohlwelle in das Rotorelement geleitet und von dort aus axial durch die Rotorbleche in der Nähe der Permanentmagnete geführt. Dies bietet zum einen die Möglichkeit, die Permanentmagnete auf einem niedrigen Temperaturniveau zu halten, um eine irreversible Entmagnetisierung zu verhindern, und zum anderen den Einsatz von Seltenen Erden zu minimieren. Das Öl wird dann radial an den Statorendwicklungen abgeleitet, um eine beidseitige Kühlung des Stators zu gewährleisten.

Schnellladetaugliche 800-V-Batterie

Wie Otmar Bitsche in seinem Vortragsteil über die Hochvolt-Batterie der PPE erläuterte, war Schnellladen ein wichtiges Entwicklungsziel, um kurze Gesamtreisezeiten mit den E-Fahrzeugen durch kurze Ladestopps darstellen zu können. Für die PPE wurden zwei Batterievarianten (83 und 100 kWh) mit der obligatorischen 800-V-Technik entwickelt, die sich vor allem durch die Skalierung der Batteriezellenmodule unterscheiden. Die Batterie ist mit einem Faserverbund-Unterfahrschutz im Unterboden des Fahrzeugs ausgestattet. Alle Module sind in einem robusten Batterierahmen montiert, der die Zellmodule vor Beschädigungen schützt. Die große Batterie erreicht eine Nennkapazität von 152 Ah und ein Energieinhalt von 100 kWh, die kleine Batterievariante liefert bei gleicher Kapazität einen Energieinhalt von 83 kWh. NMC-Zellen (Nickel-Mangan-Kobalt) mit einem Mischverhältnis von 8:1:1 gewährleisten eine bestmögliche Balance von Zuverlässigkeit, Leistung, Lebensdauer und Kosten. Das Zelllayout ermöglicht eine maximale Ladeleistung von 270 kW über einen breiten Ladezustands- und Temperaturbereich und trägt damit wesentlich zur Optimierung der Ladezeit bei. Die maximale elektrische Entladeleistung für die 100 kWh-Variante erreicht 495 kW. Weitere technische Fortschritte im Vergleich zu bisherigen Zelltechnologien sind Anpassungen der Elektrolyt- und Anodenchemie, die sich auch positiv auf das Alterungsverhalten, die Leistungseigenschaften und den Ohmschen Innenwiderstand auswirken.

PPE ist wichtige Elektrifizierungssäule

Auf dem Weg zur Elektrifizierung sind noch viele Testkilometer zurückzulegen.
Auf dem Weg zur Elektrifizierung sind noch viele Testkilometer zurückzulegen.

Aktuell hat die Serieneinführung von Audi Q6 e-tron und Porsche Macan rund ein Jahr Verzug. Grund ist Berichten zufolge die verspätete Software-Entwicklung bei Cariad. Es bleibt zu hoffen, dass dadurch nicht der gesamte Elektrifizierungsfahrplan von Porsche und Audi durcheinandergerät. Denn beide Unternehmen haben mit der PPE offenbar noch viel vor: Audi hat angekündigt, bis 2025 mehr als zehn neue Modelle mit E-Antrieb auf den Markt zu bringen. Die Baureihe Q6 e-tron ist in diesem Zusammenhang die erste, aber sicherlich nicht die letzte Anwendung bei den Ingolstädtern. Auch Porsche setzt stark auf die PPE, um neben dem neuen Porsche Macan weitere technisch anspruchsvolle E-Modelle wirtschaftlich rentabel auf den Markt bringen. Immerhin strebt der Stuttgarter Sportwagenhersteller schon 2030 bei seinen Neuauslieferungen einen vollelektrischen Anteil von mehr als 80 Prozent an.

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