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Für Nutzfahrzeuge im besten Alter

Das richtige Produkt zur richtigen Zeit – und dabei die Kosten knapp halten. So lautet das Versprechen zeitwertgerechter Reparatur. Wir unternehmen einen Streifzug durch die Welt der Zweitmarken.

Der Wareneinsatz sollte in einem ausgewogenen Verhältnis zum Fahrzeugrestwert stehen – das ist ein Anspruch, der häufig aus Werkstatt und Spedition klingt. Die Zauberworte heißen "zeitwertgerechte Reparatur" für ältere Fahrzeuge. Seitens der Zulieferindustrie hat man den Bedarf erkannt und bietet unter dem Claim "das richtige Produkt zur richtigen Zeit – nicht mehr zahlen, als notwendig" seit einigen Jahren auch für das Nutzfahrzeugsegment günstige Zweitmarken.

"Wir nutzen die zweite Teileschiene Sauer Quality Parts, um auch Fahrzeuge zu bedienen, die die reguläre Garantiezeit bereits lange überschritten haben und dennoch preisgünstig in Stand gesetzt werden sollen. Bevor Eigentümer dafür auf billige Ersatzteile von Drittanbietern zugreifen, können sie auch kostengünstige Teile von SAF-Holland beziehen", heißt es beispielsweise von Seiten des unterfränkischen Nfz-Spezialisten. Unter dem Markennamen Sauer Quality Parts vertreibt SAF-Holland Bremsbeläge, Bremstrommeln, Bremsscheiben, Luftfederbälge, Stoßdämpfer, Gestängesteller, Felgen,  Schmierstoffe, Druckluftbehälter, Bremszylinder sowie Stützwinden, erklärte eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage.

Der Name ist übrigens als Referenz an Otto Sauer gedacht, der seine Otto Sauer Achsenfabrik (SAF) vor 140 Jahren gründete und damit den Grundstein des Nfz-Spezialisten legte. Mit der Zweitmarke will SAF-Holland die Ersatzteilversorgung über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge hinweg übernehmen und preissensible Kunden mit Ersatzteilen für Truck und Trailer versorgen. Kunden können Ersatzteile anhand ihrer OE-Teilenummer identifizieren oder alternativ länderspezifisch danach suchen. Sauer-Ersatzteile sind europaweit, in Asien und im Mittleren Osten über das Aftermarket-Netzwerk des Unternehmens aus Bessenbach erhältlich. Alle Teile der A2-Marke würden von ausgewählten und zertifizierten Lieferanten produziert und unterlägen strengen Qualitätskontrollen, hieß es.

Die zweite Teilelinie Sauer Quality Parts vermarktet SAF-Holland aktuell in Europa, Mittlerer Osten, Afrika, Asien sowie Ozeanien.
Die zweite Teilelinie Sauer Quality Parts vermarktet SAF-Holland aktuell in Europa, Mittlerer Osten, Afrika, Asien sowie Ozeanien.

"Core-Management"

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Wie SAF-Holland wandern auch bei anderen Teileherstellern sogenannte Identteile ins Ersatzteil-Portfolio. Diese neu gefertigten Nfz-Teile sind den Angaben zufolge bau- sowie funktionsgleich zum Original-Ersatzteil – beim Preis werden Abstriche gemacht, nicht jedoch bei Qualität und Sicherheit, wie die Hersteller beteuern. Die sogenannten zweiten Teilelinien setzen sich zudem aus Reman-Teilen zusammen (Kurzform des englischen Begriffs „remanufacture“). Darunter versteht man wiederaufgearbeitete Komponenten. SAF-Holland führt derzeit keine Reman-Produkte im Programm. Viele andere Hersteller betreiben jedoch zu diesem Zweck das so genannte "Core Management", das heißt, sie organisieren die Rückführung und Nutzung bereits gebrauchter Altteile ("Cores") in Eigenregie oder greifen auf spezialisierte Dienstleister zurück. Ein entsprechendes Unternehmen ist die Circular Economy Solutions GmbH (C-ECO), die im Februar 2016 als Tochter-Unternehmen der Robert Bosch GmbH gegründet wurde. Zur Abwicklung nutzt C-ECO den laut Eigenaussagen in der Branche etablierten Altteile-Management-Service CoremanNet. Dieser bewegt drei Millionen Altteile pro Jahr, hieß es anlässlich einer Zusammenarbeit zwischen C-ECO und Alltrucks. Das Werkstattsystem gab im vergangenen Sommer bekannt, dass die 700 angeschlossenen Werkstattpartner in Europa mit C-ECO kooperieren:  "Damit bieten wir unseren Partnerwerkstätten nun die Möglichkeit, ihre Altteile weiterzuverkaufen, anstatt sie zu entsorgen", erklärte Homer Smyrliadis, Geschäftsführer des Werkstattkonzepts. Das CoremanNet-Logistiknetzwerk sorge für das unkomplizierte Sammeln, Abholen und Vergüten der Teile. Grundlage ist vielerorts ein Pfandsystem.

Dreistufiges Ersatzteilspektrum

Auch Alltrucks-Gesellschafter Knorr-Bremse setzt auf industriell aufgearbeitete Nfz-Komponenten. Die Remanufacturing-Aktivitäten finden seit 2015 im tschechischen Liberec statt. Da die Hauptkomponenten aus bereits gebrauchten und wiederverwendetem Produkten bestehen, sind sie günstiger in der Herstellung und unterstützen bei der in der Transportbranche so wichtigen Optimierung der Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO) eines Fahrzeugs. Das Ersatzteilportfolio der Aftermarket-Sparte Knorr-Bremse TruckServices ist dreistufig: Neben Service-Neuprodukten für junge Fahrzeuge ("Genuine New") und Service-Parts für "Fahrzeuge in allen Lebenslagen", wie es die Münchner nennen, kommt den EconX-Produkten ein besonderer Stellenwert bei der Reparatur älterer Fahrzeuge zu. Zum Nachhaltigkeitspotenzial gab der Zulieferer zur Automechanika 2018 eine Größenordnung: Bei der Herstellung einer Zuspanneinheit SN7 werden durch die Verwendung gebrauchter Komponenten bis zu 44,9 Kilogramm CO2-äquivalente Emissionen eingespart.

"Unser Ziel ist es, für jedes Fahrzeug – egal ob neu oder alt, Standard- oder Spezialfahrzeug – ein effizientes Serviceangebot bereitzustellen. Mit unserem EconX-Portfolio bieten wir schon heute für ältere Fahrzeuge im Bestand eine zeitwertgerechte Reparaturlösung mit ausgezeichneter Produktqualität", erklärte Wolfgang Krinner, Mitglied der Geschäftsführung der Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH und zuständig für TruckServices. Das EconX-Programm umfasst unter anderem Zuspanneinheiten für Truck, Trailer sowie Bus, Varianten der elektronischen Luftaufbereitung (EAC2), EBS-Komponenten für Truck und Trailer, pneumatische und elektronische Kupplungssteller sowie Kompressoren. Diese könnten für Nutzfahrzeuge aller gängigen OE-Marken bestellt werden, hieß es in einer Mitteilung. Neu ins Programm schafften es im letzten Jahr die Turbolader. Wie bei SAF-Holland finden also auch bei Knorr-Bremse TruckServices Ersatzteile für die eigenen Systeme als auch für Fremdprodukte Eingang ins Angebot. Und auch für EconX gilt laut Anbieter: Trotz verkürzter Lebensdauer sei die Funktionalität der aufgearbeiteten Produkte gleich. Wiederaufbereitete Produkte macht der Bremsenspezialist sowohl durch die blaue Verpackung als auch über die Teilenummer-Suffixe X50 und X00 kenntlich. Im Gegensatz dazu zieren "Genuine New"-Neuteile die Suffixe N50 bzw. N00, die Verpackungsfarbe ist weiß.

Stehenbleiben ist im Nfz-Segment eine teure Option – auch und gerade für betagte Fahrzeuge. Knorr-Bremse TruckService vermarktet zeitwertgerechte Gegenmittel in der blauen Box.
Stehenbleiben ist im Nfz-Segment eine teure Option – auch und gerade für betagte Fahrzeuge. Knorr-Bremse TruckService vermarktet zeitwertgerechte Gegenmittel in der blauen Box.

Fastmover im Portfolio

Auch Haldex setzt auf eine Zweitmarke – genau genommen pflegen die Schweden derer zwei: Da ist zum einen das Grau-Portfolio, zudem gibt es das Wiederaufbereitungs-Programm Reman. Die Grau-Markenrechte kamen 1998 durch die Übernahme der Firma Grau Bremse zu Haldex. Vor fünf Jahren wurde Grau als Markenname wiederbelebt – seither vermarktet Haldex zahlreiche Produkte für die zeitwertgerechte Reparatur unter diesem Label. "Für uns ist Grau in erster Linie ein starker Markenname, unter dem wir seit 2016 wertige Produkte verkaufen, die in einem guten Verhältnis zum Restwert des Fahrzeuges stehen", erklärte Kai Fischer, Head of Market Communication, Business Performance & Benchmarking EMEA von Haldex, gegenüber amz. Den Angaben zufolge umfasst das aktuelle Produktprogramm insbesondere "Fastmover", wie Bremszylinder und Bremsbeläge, aber auch Druckluftbehälter und Luftschläuche. Während Grau keine aufbereiteten Teile vorsieht, umfasst die Marke Reman beispielsweise Kompressoren, die nach strengsten Haldex-Standards aufbereitet würden.

Haldex führt zeitwertgerechte Nfz-Teile unter den Markennamen Grau und Reman im Angebot
Haldex führt zeitwertgerechte Nfz-Teile unter den Markennamen Grau und Reman im Angebot

Wabco vermarktet seit 2016 die Ersatzteilmarke ProVia. Mit der Integration von Wabco bietet ZF mit diesem Portfolio mehr als 15.000 Reparatur-, Retrofit- und Remanufacturing-Lösungen für Kunden in mehr als 115 Ländern. Mit einem jährlichen Zuwachs um ca. 500 Lösungen nimmt den Angaben zufolge auch die IAM-Marktabdeckung stetig zu, erklärte das Unternehmen auf Nachfrage. Mit einem globalen Partnernetzwerk von 3.400 Wabco-Servicepartnern und mehr als 5.000 Distributionsstandorten intensiviere man den Zugang zu Flottenkunden kontinuierlich. Davon befinden sich mehr als 500 Werkstattpartner und 90 autorisierte Wabco-Distributionspartner mit rund 850 Niederlassungen in Deutschland. Mit ihren eigenen Servicestandorten und mit rund 100 Nfz-Werkstätten im ZF [pro]Tech-Partnernetzwerk bietet die Aftermarket-Division von ZF dem Vernehmen nach umfänglichen Support für alle Flottenkunden.

Zusätzlich engagiert sich ZF beim Mehrmarkenkonzept Alltrucks Truck & Trailer Service. Flotten steht damit ein europaweites, markenübergreifendes Werkstattnetz von rund 700 Betrieben von leichten bis schweren Nutzfahrzeugen, Anhängern und Aufliegern zur Verfügung. ProVia stellt eine kostengünstige Marke für Ersatzteile dar und soll die Lücke zwischen preisgünstigen Komponenten, die nicht selten die Erwartungen an die Qualität nicht erfüllen, einerseits und den kostspieligeren Premium-Ersatzteilen für den Aftermarket andererseits schließen. ProVia bietet den Angaben zufolge die Balance zwischen Sicherheit und Kosten.

Das Ersatzteilprogramm ProVia wird nach der Übernahme von Wabco durch die Nutzfahrzeugsparte von ZF sowie ZF Aftermarket weiterentwickelt.
Das Ersatzteilprogramm ProVia wird nach der Übernahme von Wabco durch die Nutzfahrzeugsparte von ZF sowie ZF Aftermarket weiterentwickelt.

Das Produktsortiment umfasst aktuell pneumatische Lkw-Bremsenersatzteile, die von Fahrzeugherstellern verwendet werden, und bietet mehr als 1.300 Zuordnungen zu OEM-Teilen. Das Programm umfasst die Bereiche Bremsbeläge, Kupplungsköpfe, Relaisventile, Wendelflex-Schläuche und Kunststoffrohe, Druckbegrenzungsventile, Kartuschen, Raddrehzahlsensoren, Kupplungsverstärker, Federspeicherzylinder, Drehschieberventile, Lufttrockner und Luftaufbereitungseinheiten.

Trucktechnik

Auch bei Meritor sind einzelne Produktangebote in Abhängigkeit der Lebenszyklen von Lkw, Trailer oder Bus gestaffelt. Die US-Amerikaner gehen nach einem Drei-Marken-Prinzip vor: Auf dem Heimatmarkt startet das Ersatzteil-Programm beim kostengünstigen "Mach"-Programm und reicht von der Marke "Euclid" zum Premiumbereich "Meritor Genuine", also dem OE-Produkt. Für den europäischen Markt hat die in Zürich beheimatete Meritor Aftermarket Europe diese Drei-Marken-Strategie im Wesentlichen auf ein Zwei-Marken-Angebot reduziert. Auch hierzulande hat der Anbieter den Anspruch, Kunden mit dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit zu bedienen und vermarktet eigenem Bekunden zufolge Ersatzteile zur Abdeckung unterschiedlichster Produktanforderungen. Das Angebot beschränkt sich wie bei den Marktbegleitern nicht auf das eigene Portfolio, sondern umfasst auch Nfz-Teile, die über eigene Kernkompetenzen hinausgehen.

Hierzulande setzt Meritor Aftermarket Europe auf die Zweitmarke „Trucktechnik“.
Hierzulande setzt Meritor Aftermarket Europe auf die Zweitmarke „Trucktechnik“.

Neben der ersten Marke Meritor sieht das Programm die Zweitmarke "Trucktechnik" vor. Vereinzelt ist auch die Marke "Allfit" erhältlich. Trucktechnik beinhaltet im Bereich der Bremssysteme neue und wiederaufbereitete Bremssättel, Bremszylinder, Kompressoren, Ventile und Lufttrockner. Unter anderem bei Bremsbacken und Verschleiß-Anzeigen gibt das Unternehmen der Erstmarke Meritor den Vorzug. Der Anbieter garantiert, dass "alle Produkte den aktuellen Spezifikationen der Original-Ausrüstung oder gleichwertigen, von Meritor genehmigten Spezifikationen entsprechen“. Wiederaufbereitete Nfz-Teile stammen auch aus dem Werk im tschechischen Vrchlabi. Deutsche Handels- und Werkstattpartner beliefert das Unternehmen aus Neuwied. Die Bestellung erfolgt u.a. über die E-Commerce-Plattform "Meritor Parts Xpress". Das Geschäftsfeld recycelt den Angaben zufolge bis zu 2.000 Tonnen Eisen und Stahl pro Jahr. Die Zahl der wiederaufbereiteten Bremssätteln gibt das Unternehmen mit bis zu 50.000 im gleichen Zeitraum an. Meritor Remanufacturing Europe verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Wiederaufbereitung sicherheitsrelevanter Bauteile. Jedes Teil werde mit speziellen Messverfahren und Reparaturvorrichtungen geprüft.

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