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E-Mobilität 28. März 2023

Wie gesund ist die Batterie?

Das Herzstück im Elektrofahrzeug ist die Batterie. Insbesondere beim Kauf oder Verkauf stellt sich die entscheidende Frage nach dem aktuellen „Gesundheitszustand“. Eine Übersicht über die aktuellen Möglichkeiten der Messung.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Testmöglichkeiten für Traktionsbatterien. Die Ansätze sind aber durchaus unterschiedlich. 
Mittlerweile gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Testmöglichkeiten für Traktionsbatterien. Die Ansätze sind aber durchaus unterschiedlich. 

Wer sich ein gebrauchtes Elektroauto kaufen möchte, steht vor einer alles entscheidenden Frage: Wie ist der Zustand der Antriebsbatterie, auch Traktionsbatterie genannt? Ist dieses Bauteil doch das Herzstück eines E-Autos. Doch wie lässt sich feststellen, wie es um den „Gesundheitszustand“ der Batterie, den „State of Health“ (SoH), beschaffen ist? Dafür gibt es mittlerweile verschiedene Testmöglichkeiten.

Die GTÜ (Gesellschaft für Technische Überwachung) bietet seit Februar 2022 einen Batterietest für Elektroautos an. Entwickelt wurde das Verfahren von der Firma Aviloo. Das Unternehmen wurde 2018 mit dem Ziel gegründet, „für Transparenz im Markt für gebrauchte Elektrofahrzeuge zu sorgen“, wie Geschäftsführer Dr. Marcus Berger im Gespräch mit der „amz“ sagte. Da ein Ausbau der Traktionsbatterie sehr aufwendig ist, verfolgten die Österreicher von Anfang an den Ansatz, die verfügbaren Daten für den Batterietest zu nutzen.

Datenpunkte fließen in das Ergebnis ein

Mit dem „Premium-Test“ war Aviloo laut Dr. Berger das weltweit erste Unternehmen auf dem Markt. Für den vom TÜV Austria zertifizierten Batterietest spielt es keine Rolle, ob es sich um ein reines Elektroauto (BEV) oder um ein Plug-in-Hybridauto (PHEV) handelt. Die ermittelten Werte werden in Prozent ausgedrückt und im Zertifikat übersichtlich dargestellt.

Für den Test muss die Batterie vollständig geladen sein. Anschließend wird sie in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen durch normale Fahrten auf einen Ladezustand von noch 10 Prozent entleert. Gemessen wird nicht nur das Verhalten während der Fahrt, es fließen auch Millionen von Datenpunkten in das Ergebnis ein. Damit sei der Test exakt, unabhängig und herstellerübergreifend, versichert der Aviloo-Geschäftsführer. Er eigne sich daher besonders dafür, wenn ein E-Gebrauchtwagen den Besitzer wechseln soll.

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Für viele Prüforganisationen, Autohäuser, Werkstätten, Leasing- und Vermietfirmen dauert diese Form der Überprüfung aber zu lange. Deshalb hat Aviloo darüber hinaus den „Flash-Test“ entwickelt, der in nur drei Minuten durchzuführen ist. Er liefert eine umfassende Analyse der Funktionalität der Antriebsbatterie, ohne das Fahrzeug zu bewegen. Hierfür werden unter anderem der Gesamtenergieverbrauch, die Anzahl der Ladezyklen, alle Zellspannungen und anderen Aspekte durch eine spezielle Software interpretiert und in einem „Scorewert“ dargestellt. Je höher dieser Wert, desto besser der Batteriezustand.

Nach dem Test mit dem Aviloo-System erhält der Fahrzeugbesitzer ein Zertifikat mit dem Prüfergebnis. Der Zustand der Batterie wird in einer Prozentzahl dargestellt. 
Nach dem Test mit dem Aviloo-System erhält der Fahrzeugbesitzer ein Zertifikat mit dem Prüfergebnis. Der Zustand der Batterie wird in einer Prozentzahl dargestellt. 

Auslesen während des Ladevorgangs

Einen etwas anderen Weg geht die Battery Quick Check GmbH. Sie ist ein Joint Venture von TÜV Rheinland und dem Technologiepartner Twaice. Mit Hilfe eines Diagnosegeräts werden über die OBD-II-Schnittstelle Daten des Batterie-Management-Systems ausgelesen. Dies geschieht während eines kurzen Ladevorgangs, um Daten der Traktionsbatterie unter Belastung zu generieren. Der Test ist einfach in einen Werkstattablauf zu integrieren, da das Personal nur kurz zum Anschließen des Diagnosegeräts und der Ladeinfrastruktur benötigt wird, danach laufen Messung und Berechnung vollautomatisiert.

Der Anbieter hat sich bewusst für einen Test während eines kurzen Ladevorgangs entschieden, um – im Gegensatz zu einem Entladevorgang – äußere Faktoren wie Wetter, Temperatur und unterschiedliche Fahrverhalten auszuschließen. Nach dem Ende der Messung wird ein durch Batteriereport erstellt. Dieser enthält neben dem SoH-Wert auch weitere Batterie- und Fahrzeugdaten, wie beispielsweise Batterietemperatur oder Kilometerstand. Auch der Quick-Check soll den Gesundheitszustand der Antriebsbatterie herstellerunabhängig bewerten und damit Transparenz für den Verbraucher schaffen. Der Test eignet sich für fast alle batterieelektrischen Fahrzeugfabrikate. 

Über die OBD-II-Schnittstelle werden beim Quick-Check die Daten des Batterie-Management-Systems ausgelesen.
Über die OBD-II-Schnittstelle werden beim Quick-Check die Daten des Batterie-Management-Systems ausgelesen.

Fehlercodes werden innerhalb von 30 Sekunden erkannt

Eine weitere Möglichkeit, den Zustand der Traktionsbatterie von E-Fahrzeugen auszuwerten, bietet sich freien Werkstätten mit dem Diagnosetool TechPro von Mahle. Das System erkennt laut Hersteller vorhandene Fehlercodes in durchschnittlich 30 Sekunden. Das Linux-basierte System kommuniziert mit allen im Fahrzeug verbauten Modulen und meldet über 54.000 detaillierte OEM-Fehlercode-Beschreibungen. Es speichert alle Datenprotokolle lokal, um sie bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt erneut wiedergeben zu können, ohne dabei erneut eine Verbindung zum Fahrzeug herstellen zu müssen.

Die Dekra ist mit ihrem besonders schnellen Test bereits bei einigen Großkunden in Deutschland am Markt. Dieser Test wurde von der RWTH Aachen zusammen mit verschiedenen Fahrzeugherstellern validiert. Er liefert in der Regel innerhalb einer Viertelstunde einen präzisen Wert für die Restkapazität einer Antriebsbatterie. Der Test basiert auf der Messung von Batteriekenndaten im Rahmen einer sehr kurzen Testfahrt. Es genügt eine kurze Beschleunigung von rund 100 Metern, während der die Daten über die On-Board-Diagnose-Schnittstelle ausgelesen werden.

Der von der Dekra angebotene Test ist bereits bei einigen Großkunden im Einsatz.  
Der von der Dekra angebotene Test ist bereits bei einigen Großkunden im Einsatz.  

Das eigentliche Knowhow des Tests besteht darin, die gemessenen Werte einzuordnen. Hinter dem Verfahren stehen eine aufwändig bestückte Datenbank und ein komplexer Algorithmus. Die Basisdaten werden im Vorfeld für jeden einzelnen Fahrzeugtyp mit Messfahrten unter unterschiedlichen Bedingungen ermittelt. Es folgen eine entsprechende Strukturierung und weitere aufwändige Berechnungen, teilweise mit Hilfe Künstlicher Intelligenz. Die im Testfall gemessenen Werte werden dann anhand dieser typspezifischen Parameter bewertet.

Das Dresdner Batteriediagnose-Unternehmen Volytica Diagnostics hat zusammen mit TÜV Nord Mobilität und Mahle eine gemeinsame Testlösung für eine Batterieschnelldiagnose erarbeitet. Mit einem zweistufigen Verfahren können jetzt Auffälligkeiten an der Batterie erkannt und dann in einem weiteren tiefgreifenden Verfahren der Zustand bestimmt werden. Das patentierte Verfahren verfolgt einen zweistufigen Ansatz, der sowohl schnelle Qualitätsaussagen als auch eine nachgelagerte Detailuntersuchung ermöglichen soll.

Guter Ansatz für die Kundenberatung

Auch Hella Gutmann bietet zwei unterschiedliche Möglichkeiten zur Batteriediagnose an. Mit der Lösung „Basic“ können Werkstätten durch das Auslesen der fahrzeuginternen Parameter im Rahmen eines Service mit dem Mega-Macs-Diagnosegerät schnell eine Aussage zum Zustand des Hochvoltspeichers treffen. Die im Batteriemanagementsystem vom jeweiligen Fahrzeughersteller definierten Parameter wie Zellenspannungen, Zellenwiderstände und SoH liefern Hinweise für die Detektion leistungsschwacher Zellen. Dieser Ansatz biete laut Hella Gutmann eine gute Basis für die Kundenberatung, etwa hinsichtlich des optimalen Nutzungsverhaltens und des Werterhalts des Fahrzeugs.

Darüber hinaus arbeitet der Diagnosespezialist an der HV-Batteriediagnose „Pro“, die eine von Herstellerdefinitionen unabhängige Beurteilung und somit objektive Fahrzeugbewertung ermöglichen soll. Im Unterschied zu bestehenden Lösungen am Markt setzt Hella Gutmann mit seinen Partnern nicht auf zeitaufwendige Batterie-Belastungen während des Fahrens.

Über das Mega Macs-Diagnosegerät von Hella Gutmann können Werkstätten schnell eine Aussage zum Zustand des Hochvoltspeichers treffen.
Über das Mega Macs-Diagnosegerät von Hella Gutmann können Werkstätten schnell eine Aussage zum Zustand des Hochvoltspeichers treffen.

Auswertung über Analysealgorythmen

Vielmehr erfolgen softwaregesteuerte Belastungen via Diagnosegerät Mega-Macs-X und Wallbox während des Ladevorgangs. Die HV-Batteriediagnose „Pro“ kann deshalb stationär durchgeführt werden. Die Auswertung durch bewährte Analysealgorithmen soll objektive Fakten zum tatsächlichen SoH des Hochvolt-Akkus liefern und Rückschlüsse auf das Nutzungsverhalten zulassen.

Nach Meinung von Werner Steber, Leiter Technik des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), scheinen die Traktionsbatterien besser zu sein als bisher angenommen. Massenhafte Ausfälle seien nicht zu beklagen, repräsentative Untersuchungen dazu gäbe es aber nicht. Die angebotenen Testprozesse seien laut Steber mehr mit der Kompressionsprüfung bei Verbrennern zu vergleichen. Denn selbst wenn eine Batterie noch eine Kapazität von 85% aufwiese, könne man nicht sagen, wie lange sie noch hält. Belastbare Aussagen für die Zukunft seien schwierig. Der Test zeige immer nur den Ist-Zustand an, äußerte sich Steber gegenüber der „amz“. (Günter Schmidt)

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Wie lässt sich der Alterungsprozess der Batterie beeinflussen?

Traktionsbatterien sind chemische Energiespeicher, die durch Belastung einem natürlichen Alterungsprozess unterliegen und mit der Zeit ihre Speicherfähigkeit verlieren. Ebenso kann das Nutzungsverhalten wie zum Beispiel das permanente Fahren im oberen Leistungsbereich oder häufiges Laden mit hohen Ladeleistungen zu schnellerer Batteriealterung führen. Auch das ständige Vollladen der Batterie verkürzt ihre Lebensdauer. Weitere Einflussfaktoren sind Art und Anzahl der Ladezyklen sowie das Thermomanagement. Für die Langlebigkeit der Batterie ist es am besten, wenn sie nur bis max. 80% geladen und bis zu 20% entladen wird. Dies ist allerdings nicht unbedingt praxisgerecht und nur im Idealfall zu gewährleisten. Gift für die Batterie ist es zudem, wenn das Fahrzeug länger mit hohem Ladezustand nicht bewegt wird.

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