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Alternative Antriebe 7. Juli 2023

Wasserstoff für die dicken Brummer

Wasserstoffmotoren bieten eine relativ preiswerte Möglichkeit, die Treibhausgasemissionen auf null zu reduzieren, vorausgesetzt, der eingesetzte Wasserstoff wird aus regenerativem Strom hergestellt. Vor allem im Nutzfahrzeugbereich sind weltweit viele Projekte auf dem Weg zur Serie. Einen Einblick in die derzeitigen Entwicklungsaktivitäten gaben Hersteller, Zulieferer und Forschungsinstitute beim diesjährigen Wiener Motorensymposium.

Schwerlasttransporter und schwere Arbeitsgeräte sind prädestinierte Einsatzfelder für Wasserstoffmotoren
Schwerlasttransporter und schwere Arbeitsgeräte sind prädestinierte Einsatzfelder für Wasserstoffmotoren

Zur Erfüllung künftiger CO2-Anforderungen bekommt der Wasserstoff-Verbrennungsmotor als kostengünstige Alternative zu batterieelektrischen Antrieben oder einer Wasserstoff-Brennstoffzelle insbesondere im Nutzfahrzeugbereich immer mehr Auftrieb. Abgesehen von moderaten Anpassungen bei Aufladung und Einspritzung kann die vorhandene Motor- und Fahrzeugarchitektur weitgehend weiterverwendet werden. Oftmals ermöglicht dies eine wirtschaftlich attraktive und schnell umsetzbare Lösung. Als Basisaggregat wird speziell im Nutzfahrzeugsektor aus Gründen der Verfügbarkeit in der Regel ein Dieselmotor verwendet. Die Änderungen am Motor beschränken sich dann zumeist auf die Integration der Zündanlage, die Anpassung von Aufladegruppe, Abgasrückführung, Brennraumgeometrie und Motorsteuerung sowie die Applikation des Abgasnachbehandlungssystems. Beim diesjährigen Wiener Motorensymposium stellten Hersteller und Forschungsinstitute die Ergebnisse ihrer neuesten Arbeiten an Wasserstoffmotoren vor. Die Spanne der Motoren reichte dabei von „klein bis groß“, vom Antrieb für leichte Transporter bis hin zum 16-l-Motor für schwere Nutzfahrzeuge.

Wasserstoffmotor für den Verteilerverkehr

Hydrogen H2 PFI port fuel injection system - injector controller
Hydrogen H2 PFI port fuel injection system - injector controller

BorgWarner brachte Resultate von Tests mit einem umgerüsteten Serienmotor für Transporter mit nach Wien. Dazu integrierte der US-amerikanische Zulieferer ein neuentwickeltes Wasserstoff-Einspritzsystem und ein Zündsystem in den 2,2-l-Dieselmotor eines Citroen Jumper. Ein zusätzlicher Kurbelgehäuseentlüftungskreislauf soll Wasserstoffansammlungen im Kurbelgehäuse durch Blow-by-Gase vermeiden. Das Verdichtungsverhältnis des Motors wurde auf einen für Ottomotoren typischen Wert reduziert. Wie die Testreihen zeigten, liegen Leistung, Fahrverhalten und Akustik mit dem Wasserstoffmotor auf dem Niveau von Diesel- und Ottoaggregaten. Darüber hinaus können Emissionen weit unter den Grenzen der vorgeschlagenen Euro-7-Richtlinie einfach durch Rekalibrierung des vorhandenen Diesel-Abgassystems erzielt werden. „Die Möglichkeit der Wiederverwendung bestehender Antriebsstrang- und Fahrzeugarchitekturen kann eine rasche Umsetzung von Null-CO2-Emissionskonzepten ermöglichen. Infolgedessen sehen viele unserer Kunden den wasserstoffbetriebenen Motor als eine sehr attraktive Technologie für die Zukunft. Wir unterstützen sie dabei durch Komponenten und Systemen für den Massenmarkt“, erklärte Dr. Jean-Luc Beduneau, Director Innovation and Excellence Engineering, Fuel System, bei BorgWarner. Die ersten Kleinserien der BorgWarner-Komponenten werden für das Jahr 2024 erwartet, ab 2026 ist mit der Großserienproduktion zu rechnen.

Lösung für schwere Nutzfahrzeuge

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Demonstator-Truck von Westport mit Wasserstoffmotor an einer Wasserstofftankstelle
Demonstator-Truck von Westport mit Wasserstoffmotor an einer Wasserstofftankstelle

Nutzfahrzeuge für den Schwerlastverkehr hat der Truckhersteller Volvo mit einem Wasserstoffmotor als Demonstrator auf Basis eines 16-l-Dieselaggregats mit 750 PS Leistung im Fokus. In diesem Fall war der Umbau auf den Wasserstoffbetrieb allerdings sehr viel aufwendiger als am Anfang gedacht. So war die Integration der Zündkerze aufgrund des begrenzten Bauraums schwierig, zumal die Position von Zündkerze und Einspritzdüse im Brennraum entscheidend für Leistung und Wirkungsgrad des Motors ist. Beides wird am besten in der Mitte des Zylinders platziert, um ein homogenes Gemisch und eine symmetrische Flammenausbreitung zu ermöglichen. Daher wählten die Volvo-Ingenieure einen Kompromiss: Statt eine Komponente zentral und die andere außermittig zu positionieren, brachten sie sowohl Zündkerze als auch Einspritzdüse in der Nähe der Zylindermitte unter. Dazu wiederum mussten erhebliche Änderungen am Ventiltrieb vorgenommen werden. Einen Mittelweg mussten sie auch bei der Verbrennungsabstimmung finden. Zwar lässt sich der Motor durch die Anpassung des bestehenden Aufladesystems mit einem schadstoffarmen, sehr mageren Gemisch betreiben, allerdings auf Kosten der Leistung. Nimmt man erhöhte Stickoxidemissionen in Kauf, ist wiederum eine Leistung auf dem Dieselniveau von 750 PS umsetzbar.

Neue Systemansätze

Schematische Darstellung der Saugrohr-Wassereinspritzung.
Schematische Darstellung der Saugrohr-Wassereinspritzung.

Grundsätzliche Probleme bei Magerbrennverfahren für Wasserstoffmotoren adressierte auch Dr. Peter Grabner, Teamleiter im Forschungsbereich Antriebssysteme der TU Graz. Zwar lassen sich damit im Stationärbetrieb sehr niedrige Stickoxidemissionen bei hohen Wirkungsgraden erreichen, im transienten Betrieb steigt der Schadstoffausstoß ohne spezielle Maßnahmen allerdings deutlich an. Mit umfangreichen experimentellen Untersuchungen wurde, aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen des Emissionsverhaltens von Wasserstoffmotoren, an der TU Graz eine Transient-Betriebsstrategie für Magerbrennverfahren entwickelt. „Die für die mageren Luftverhältnisse erforderlichen hohen Ladedrücke stellen eine Herausforderung im Spannungsfeld zwischen Dynamik und Schadstoffemissionen dar“, so Grabner. Mit einer neuentwickelten bzw. angepassten Steuergerätesoftware, die sich verschiedener Elemente aus Otto- und Dieselmotorsteuerungen bedient, wurden auf dem Motorprüfstand Untersuchungen hinsichtlich des Transientverhaltens durchgeführt. Dabei konnten durch Beschleunigungsanreicherung, Zündungsspätverstellung sowie Nacheinblasung Rohemissionswerte unter den geplanten Euro-7-Grenzwerten erreicht werden. „Auch mittels Wassereinspritzung lässt sich eine deutliche Stickoxidreduktion realisieren. Darüber hinaus bietet der Einsatz eines elektrisch angetriebenen Zusatzverdichters weiteres Potential, speziell bei sehr dynamischen Lastanforderungen“, erklärte Grabner in seinem Vortrag.

Direkteinspritzinjektor von Westport für Erdgas und Wasserstoff
Direkteinspritzinjektor von Westport für Erdgas und Wasserstoff

Einen eigenen Weg zur Umrüstung von Dieselmotoren auf Wasserstoffbetrieb geht der kanadische Zulieferer Westport. Die technische Besonderheit liegt in der Zündung des Luft-Gas-Gemischs im Brennraum. Statt Zündkerzen in das Dieselmotorsystem zu integrieren, wird eine Dual-Fuel-Einspritzung aus Dieselkraftstoff und Wasserstoff genutzt. Bei der Verbrennung wird eine kleine Menge Dieselkraftstoff als Piloteinspritzung in den Zylinder injiziert, die sich wie beim gewöhnlichen Dieselprozess durch Kompression entzündet. Diese initiale Verbrennung führt dann zur eigentlichen Entflammung des Wasserstoffs. Vorteile des Konzepts sind laut Hersteller niedrige Stickoxidemissionen bei gleichzeitig geringem Verbrauch. Das bei großen Schiffsmotoren verbreitete Brennverfahren hat seine Serientauglichkeit bei Nutzfahrzeugen mit Erdgasbetrieb schon bewiesen. Schon mit der nächsten Systemgeneration wird die Enspritzung dann sowohl für Erdgas als auch Wasserstoff betrieben werden können, verspricht das Unternehmen.

Wie die umfangreichen in Wien dargestellten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zeigen, steht dem großflächigen Einsatz von Wasserstoff als Energieträger für Segmente, die mit dem batterieelektrischen Antrieb nicht abgedeckt werden können, aus technischer Sicht nichts mehr entgegen. Jetzt muss nur noch die geeignete Tankinfrastruktur aufgebaut werden. Aus Umweltaspekten bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung schnell gelingt.

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