Direkt zum Inhalt
Interview mit Peter Ström 20. Februar 2023

Volvo Trucks: „Alle unsere Betriebe haben elektromobile Expertise“

Volvo Trucks lieferte im Februar den ersten Volvo FMX Electric aus. Im Interview mit amz erklärt Deutschland-Chef Peter Ström die Strategie des Nutzfahrzeugherstellers und die Auswirkungen auf das Werkstattgeschäft.

Peter Ström leitet Volvo Trucks Deutschland seit Dezember 2020.
Peter Ström leitet Volvo Trucks Deutschland seit Dezember 2020.

Die Elektrifizierung von Betonmischern ist aufgrund der schweren Lasten und der kontinuierlichen Mischvorgänge eine Herausforderung. Wie Volvo Trucks anlässlich der Übergabe des ersten Volvo FMX Electric an das Baustoffunternehmen Cemex meldete, kann der Laster einen ganzen Arbeitstag bewältigen und lässt sich während der regulären Pausen laden. Das Fahrzeug soll in einem Transportbetonwerk in Berlin-Spandau eingesetzt werden, hieß es auf der Veranstaltung in der Volvo-Niederlassung Berlin-Wildau.

Wir nutzten das Event, um Deutschlandchef Peter Ström zur Elektromobilitäts-Strategie des Truckbauers und den Auswirkungen auf die eigene Serviceorganisation zu befragen. Den Kundendienst für den ersten schweren Elektrolaster übernimmt Volvo Trucks Deutschland im Rahmen des Servicevertrages schließlich selbst. In der Bundeshauptstadt unterhält der Truckbauer hierzu zwei eigene Niederlassungen. Deutschlandweit zählen 20 weitere Niederlassungen zur Serviceorganisation von Volvo Trucks, hinzu kommen zehn Händler mit rund 45 Servicestandorten sowie rund 70 Servicepartner. 

Peter Ström ist seit Dezember 2020 bei Volvo Trucks. Der studierte Jurist kam von der Pema GmbH. In Herzberg folgte er auf Thomas Manns und fungierte zehn Jahre lang als Geschäftsführer des Fahrzeugvermieters, der heute zu TIP Trailer gehört. Zuvor war er sechs Jahre lang beim einstigen Pema-Eigner GE Capital und davor zehn Jahre bei Mercedes-Benz tätig, unter anderem bei der Mercedes-Benz-Bank sowie ab 2002 als Chef von Charter Way, der Vermietsparte von Daimler Truck.

amz: Herr Ström, wir unterhalten uns heute anlässlich der Fahrzeugübergabe des elektrischen Baulasters FMX. Dieser Termin ist offensichtlich Chefsache, worin liegt die Besonderheit?

Peter Ström: Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens handelt es sich bei dem ausgelieferten Fahrzeug um den ersten elektrischen FMX-Betonfahrmischer von Volvo Trucks. Die schwere, batterieelektrisch angetriebene Fahrzeugklasse ist für uns als Hersteller weltweit eine wichtige Sache. Zweitens hat der Kunde Cemex seinen deutschen Hauptsitz in Berlin, für Auslieferung und Fahrzeugservice ist also unsere Niederlassung in Wildau zuständig. Das Besondere an unseren beiden Standorten in der Bundeshauptstadt – die zweite Niederlassung befindet sich in Schönhausen – ist, dass diese eine Vorreiterrolle in der Elektromobilität haben. Vor allem durch die betreuten Busse und Verteiler-Lkw verfügen beide Betriebe über viel Erfahrung mit strombetriebenen Fahrzeugen.

Ad

Sucht man dieses Know-how an anderen Standorte von Volvo Trucks Deutschland vergebens?

Nein, natürlich nicht. Alle unsere Betriebe haben elektromobile Expertise aufgebaut und Investitionen in Weiterbildung, Equipment und Spezialwerkzeuge getätigt. Aber in Berlin gibt es dennoch einen gewissen Schwerpunkt: Hier haben einige Großkunden schon früh Elektrofahrzeuge in die Flotte aufgenommen. Die Werkstätten in Wildau und Schönhausen beschäftigen sich demnach schon sehr lange mit der Technologie. Aber diese Entwicklung kam mit Verzögerung überall an und beschränkt sich nicht auf Berlin. Auch in Hamburg, Köln und Stuttgart konnten wir beispielsweise viele E-Busse ausliefern. In München verrichtet ein stromgetriebenes Entsorgungsfahrzeug seinen Dienst.

Ihr Unternehmen vermeldete kürzlich Rekordergebnisse für das Jahr 2022. Könnten Sie für uns ein bisschen ins Detail gehen, welchen Beitrag leistet der deutsche Markt?

Der deutsche Markt ist für uns sehr wichtig – schließlich handelt es sich um den größten Nutzfahrzeugmarkt Europas. Im vergangenen Jahr konnten wir mit 6.200 ausgelieferten Fahrzeugen einen Marktanteil von 10,9 Prozent erreichen. Ein Rekordwert für Volvo Trucks! Natürlich hoffen wir auf mehr. In diesem Kontext sehen wir viel Potenzial in der Elektromobilität. So wollen wir in diesem Jahr 8.500 Fahrzeuge vermarkten.

Wie ist das Feedback aus dem Markt? Werden die Kunden auf Misch- oder reine Elektroflotten setzen?

Unsere Ausgangslage ist die Technologieoffenheit. Wir glauben nicht, dass es eine Lösung für alle geben wird. Also beschäftigen wir uns mit unterschiedlichen Antriebskonzepten. Wir entwickeln demnach Wasserstofffahrzeuge, hinzu kommen reine Elektrofahrzeuge und LNG-Trucks auf Verbrennerbasis. Fuhrparks setzen aus unserer Sicht auf unterschiedliche Antriebsvarianten für verschiedene Einsatzszenarien.

Nachhaltige Strategie

Volvo experimentiert mit lokal emissionsfreien Antrieben – Tendenz stark steigend. Einer anderen Mitteilung zufolge nutzt ihr Unternehmen auch fossilfreien Stahl in der Produktion. Lässt sich das Thema Nachhaltigkeit auf den Aftersales-Bereich erweitern? Gibt es beispielsweise eine Aufbereitung von Altteilen ausrangierter Trucks?

Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind für Volvo Trucks essentielle Themen. Rund 90 Prozent eines Volvo Trucks können schon heute recycelt werden. Wir haben auch eine Reman-Serie: Mit neuen oder auch wiederverwerteten Ersatzteilen bedienen wir den zunehmenden Markt für zeitwertgerechte Reparaturen. Unser Engagement geht jedoch weiter: Wir unterstützen Werkstätten bei der Installation von Solaranlagen und der Entsorgung von Wertstoffen. Sie haben richtigerweise unsere Produktion und den fossilfrei erzeugten Stahl angesprochen. Auch unsere Werke sparen Energie und Rohstoffe, wo immer das möglich ist. Manche von ihnen produzieren ihren eigenen Strom und sind schon seit Jahren klimaneutral, wie zum Beispiel unser Werk im belgischen Gent.

Der Hersteller übergab den ersten elektrischen Betonmischer an die Deutschlandtochter des mexikanischen Zement- und Baustoffproduzenten Cemex.
Der Hersteller übergab den ersten elektrischen Betonmischer an die Deutschlandtochter des mexikanischen Zement- und Baustoffproduzenten Cemex.

Renault Trucks bereitet Altteile industriell wieder auf und leistet sich einer Pressemitteilung zufolge eine „Used Parts Factory“. Verfolgt Volvo Trucks einen ähnlichen Ansatz?

Eine Grundvoraussetzung für die Gewährleistung der vollständigen Kreislaufwirtschaft in einer Wertschöpfungskette ist die langfristige Kontrolle über die verkauften Produkte zu haben. Der Lkw und seine Komponenten müssen wiederverwendet, repariert oder recycelt werden können und auf dem gesamten Weg rückverfolgbar sein. Damit ist sichergestellt, dass nichts aus dem Kreislauf verschwindet.

Einerseits stecken wir noch in den Kinderschuhen, aber andererseits war es schon immer ein wichtiger Bestandteil unserer Unternehmenswerte. Bei uns gibt es in dem Sinne keine Fabrik, in der Ersatzteile aus ausrangierten Fahrzeugen ausgebaut werden. Vielmehr haben wir einen Prozess definiert, bei dem an den Standorten Teile ausgetauscht, später aufbereitet und so wiederverwendet werden. Ein Volvo Lkw besteht schon heute zu etwa 30 Prozent aus recyceltem Material. Der Geschäftsbereich Volvo Energy ist ein klares Beispiel für ein Kreislaufmodell. So können die Fahrzeugbatterien ein neues Leben als Energieträger in Immobilien oder anderen Einsätzen erhalten, wenn sie nicht mehr für den Antrieb des Fahrzeugs ausreichen. Erst wenn die Batterien so abgenutzt sind, dass sie für diesen Zweck nicht mehr taugen, werden sie recycelt. Wir sehen uns hier auf einem guten Weg.

Beim Umstieg helfen

Abgesehen vom Antrieb, welche weiteren Veränderungen gibt es bei den neuen elektrischen Baureihen gegen über ihren Geschwistern mit Verbrenner?

Die Fahrzeuge werden im gleichen Werk gebaut und unterscheiden sich tatsächlich nur hinsichtlich des Antriebsstrangs. Wer unsere Produktion in Göteborg besichtigt, kann das sehen – dort fahren Elektrofahrzeuge und Verbrennerfahrzeuge hintereinander vom Band. Zwar gibt es Überlegungen, ob Differenzierungsmerkmale beispielsweise in Form von Designelementen sinnvoll sein können. Wir sind hier aber noch in einer Findungsphase. Zunächst ist es wichtig, dass Fahrer und Fahrerinnen der Umstieg leicht gemacht wird und sie sich in einer gewohnten Umgebung befinden – eben dem fast baugleichen Lkw zu ihrem vorherigen Dieselfahrzeug.

Nicht wenige Unternehmen stehen einer Umgestaltung der eigenen Flotte skeptisch gegenüber. Kritisch sieht so mancher Fuhrunternehmer in erster Linie die Mehrkosten oder potenzielle Probleme in Sachen Ladeinfrastruktur. Wie viel Überzeugungsarbeit müssen Sie leisten?

Ich würde es weniger Überzeugungsarbeit nennen und lieber von Unterstützungsangeboten sprechen. Natürlich gibt es einen gewissen Beratungsbedarf, wenn Kunden strombetriebene Fahrzeuge in Erwägung ziehen. Es gibt aber ein großes Interesse, sowohl auf Seiten der Großkunden als auch von kleineren Flotten. Im Verkaufsgespräch interessieren dann Details zum Fahrzeugeinsatz, die sich auf die Akkukapazität auswirken. Was die Mehrkosten für Elektro-Lkw anbelangt, muss man konstatieren, dass Elektrofahrzeuge durch das Förderprogramm erschwinglich werden. Beim Thema Ladeinfrastruktur können Kunden ebenfalls Hilfestellung erwarten – unsere Spezialisten kennen sich mit der Technik sowie Details zur Förderung aus.

Herr Ström, danke für das Gespräch!

Volvo Trucks leistet sich in Berlin und Umgebung zwei eigene Service-Standorte (im Bild: die Niederlassung in Wildau).
Volvo Trucks leistet sich in Berlin und Umgebung zwei eigene Service-Standorte (im Bild: die Niederlassung in Wildau).

TIPP: Sie interessieren sich für Neuigkeiten, Trends und Entwicklungen der Nutzfahrzeugindustrie? Der amz.de-Newsletter informiert Sie zweimal wöchentlich. Jetzt gleich anmelden!

Passend zu diesem Artikel