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Remanufacturing 9. November 2023

Serienfertigung und Reman unter einem Dach

Obwohl die Mild-Hybriden Fahrzeuge gerade erst ihren Einzug im freien Service- und Ersatzteilmarkt halten, besteht bereits ein Bedarf für diese Produkte im Independent Aftermarket. Bei SEG Automotive werden die Boost-Recuperation-Maschines (BRM) direkt auf den Straßen der Serienfertigung aufbereitet.

Mit gekonnten Handgriffen ist der BRM rasch zerlegt.
Mit gekonnten Handgriffen ist der BRM rasch zerlegt.

Für gewöhnlich sind Serienfertigung und Aufbereitung zwei Felder, die strikt voneinander getrennt stattfinden. Bei der Serienfertigung müssen hohe Stückzahlen bewältigt werden, bei der Aufbereitung für den Aftermarket bedarf es teils besonderer Lösungen, weil sich manch ein Prozessschritt bei den Teilen im zweiten Leben nicht eins zu eins wie in der Serie umsetzen lässt.  SEG Automotive, die im spanischen Werk Treto die Boost-Recuperation-Maschine (BRM) der neuesten Generation für das Seriengeschäft namhafter Fahrzeughersteller produzieren, schöpfen die Synergieeffekte zwischen Serien- und Reman-Geschäft maximal aus und bauen beide Produkte auf den gleichen Produktionslinien.

Michael Schedler, Leiter des Reman-Geschäftes bei SEG Automotive: „Natürlich gibt es im Reman die Prozesse, die wir wegen Schmutz und anders gelagerter Logistik in einem separaten Bereich stattfinden lassen, aber wenn die Komponenten gereinigt und geprüft sind, geht es ganz normal in die Fertigung.“

Zerlegung und Demontage 

Aber beginnen wir mit den Altteilen. Diese werden zunächst nach Produktgruppen und Modellen sortiert, denn die Ware kommt unsortiert vom Handel zurück in die Aufbereitung. Ist eine entsprechende Charge gleichartiger Lichtmaschinen oder BRMs zusammengestellt und ein Produktionsauftrag da, geht es ans zerlegen.

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Die Mitarbeiter an den Bändern haben – ähnlich wie in der Produktion – alle Werkzeuge vor sich hängen, um ihre Arbeit schnell und auf höchstem Niveau zu erledigen. Der Werksleiter von SEG Automotive in Treto, Iñaki Calvo, erklärt, dass das Reman-Geschäft der noch jungen Teile gerade erst anläuft. Unter den Händen der Facharbeiter vor Ort, die auf abertausende zerlegte Aggregate zurückblicken können, dauert die Demontage der BRM nur wenige Minuten, bis die Aggregate bis zur letzten Schraube zerlegt sind und die ersten Komponenten im Ultraschallbad gereinigt werden.

„Wir zerlegen hier jedes Aggregat bis zur letzten Schraube, ein Reman-Aggregat wird dann aus dem Teilepool – nach den einzelnen Stückprüfungen – aus verschiedenen Altteilen zusammengesetzt, alles andere wäre für die einzelnen Arbeitsschritte unwirtschaftlich.“ Weiter führt Schedler aus: „Verschleißteile wie die Kugellager werden bei uns immer ausgetauscht, Kleinteile wie Schrauben und die Zentralmutter auch. Man könnte zwar sicherlich das ein oder andere Teil noch einmal verwenden, aber unsere Qualitätsanforderungen bei der End-of-Line-Prüfung unterscheiden sich bei den Serien- und Reman-Komponenten nicht. Daher gehen wir bei diesen Teilen entsprechend auch keine Kompromisse ein.“ Sind alle Teile nach Produktgruppen sortiert und entsprechend gereinigt, geht es zur Stückprüfung und Montage in Richtung der eigentlichen Produktionslinie.

Elektrische Komponenten mit 100%-Prüfung

Besonderes Augenmerk gilt den elektrischen beziehungsweise elektronischen Komponenten. Läufer und Ständer werden – jedes einzelne Stück – vor der weiteren Bearbeitung auf Isolation und plausible Widerstände geprüft, um sicherzugehen, dass keine defekten Bauteile weiterverarbeitet werden. Der hochwertige Inverter wird mit einem CAN-Diagnosegerät ebenfalls ausgelesen und auf Funktionalität geprüft. „Beim Inverter etwa haben wir eine besondere Lösung für defekte Steckkontakte entwickelt – das Problem kennt jeder Mechatroniker, mit der Zeit wird der Kunststoff spröde und bricht dann gegebenenfalls bei der Demontage. Damit wir Inverter, die technisch in Ordnung sind, aber deren Buchse defekt ist, nicht entsorgen müssen, haben wir ein Verfahren, um den Inverter mit einem neuen Buchsengehäuse auszustatten. Bei einem Neuteil besteht die Trägerplatte des Inverters und der Buchse aus einem gemeinsamen Spritzgussteil.“

Die Kollektoren der Rotoren werden auf Durchmesser überprüft und überdreht, sofern der Solldurchmesser noch eingehalten wird, anderenfalls wird der Schleifring ersetzt. Den Gewinden der Zentralmutter widmet man besondere Aufmerksamkeit: Diese werden, sofern sie unbeschädigt sind, glasperlgestrahlt und mit einer Gewindelehre auf ihre Maßhaltigkeit überprüft. Auch die Lüfterblätter werden geprüft, um die Kühlung des Aggregates sicherzustellen und Unwuchten zu vermeiden.

 

Die Montage der aufbereiten Gehäuse findet auf den Serien-Produktionslinien und mit den Serienwerkzeugen statt. So wird der Pressdruck beim Einpressen der Kugellager und beim Zusammenfügen der Gehäuse genau dokumentiert. Besonders peniblen Umgang erfordert der Positionssensor der BRM, der sicher verpresst werden muss, aber ein äußerst empfindliches Bauteil darstellt. Die Zwischenplatte, welche die Verbindung zwischen dem Stator und dem Inverter herstellt, wird mit den Kontakten der Wicklung punktverschweißt, anschließend wird Inverter montiert. Bevor die aufbereite BRM zur End-of-Line-Prüfung gelangt, wird die spezifische Software auf den Inverter geflasht und die Position des Rotors angelernt.

Schedler: „Hier profitieren wir davon, das Remanufacturing und die Neuproduktion am selben Ort durchzuführen. Die Zwischenplatte haben wir als Serienteil ohnehin immer da, und greifen bei der Aufbereitung auf das Serien-Neuteil zurück. Gleiches gilt für die Lager, Schrauben und natürlich besonders für die Werkzeuge und Prüfeinrichtungen.“

Endkontrolle mit 12.000 Umdrehungen

Obwohl jeder einzelne Arbeitsschritt überprüft und dokumentiert wird, erfolgt nach der abschließenden Programmierung mit der jeweiligen Software eine 100%ige End-of-Line-Prüfung. Dabei wird die BRM zunächst an einen Diagnoserechner angeschlossen und mit Strom versorgt, um die Funktion des Inverters sicherzustellen. Sogar den Rotor kann die BRM aus „eigener Kraft“ rotieren lassen, was für den geneigten Schrauber im ersten Moment ein interessantes Bild abgibt: Eine Lichtmaschine, die sich selber durchdreht. Anschließend wird die BRM wie im echten Fahrzeugbetrieb belastet und muss verschiedene Last- und Drehzahlszenarien über sich ergehen lassen. Die BRM wird dabei bis an ihr Drehzahlmaximum von 12.000 Umdrehungen in der Minute gefahren, während sich auf dem Bildschirm saubere Spannungskurven abzeichnen. Nach wenigen Minuten ist der Test beendet und die Boost-Recuperation-Machine ist bereit für ihr zweites Leben in Serienqualität, unter anderem im Independent Aftermarket.

 

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