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Nfz-Service 16. Juni 2023

Hausgemachte Klima-Katastrophen

Service- und Reparaturarbeiten an der Klimaanlage gehören bei Nfz-Profis zum Standardprogramm. Doch wie so oft bei Routinearbeiten sind es auch hier die ‚kleinen Fehlerteufelchen‘, die sich im Werkstattalltag einschleichen – und die den Trucker nach einem Klimaservice ganz schön ins Schwitzen bringen können.

Vorsicht Fehlerteufel: Auch simple Routinearbeiten am Kältemittelkreislauf erfordern Sorgfalt und Know-how, ansonsten ist Ärger vorprogrammiert.
Vorsicht Fehlerteufel: Auch simple Routinearbeiten am Kältemittelkreislauf erfordern Sorgfalt und Know-how, ansonsten ist Ärger vorprogrammiert.

Dass eine Fahrzeugklimaanlage jährlich bis zu zehn Prozent ihrer Füllmenge verlieren kann, ohne dass der Kältemittelkreislauf tatsächlich undicht ist, hat sich mittlerweile auch bei Nutzfahrzeugfachleuten herumgesprochen. Auch dass eine zuverlässige und perfekt funktionierende Klimaanlage bei Truckern und Busfahrern eine noch gewichtigere Rolle spielt als bei ‚Otto-Normal-Autofahrern‘. In vielen gewerblichen sowie speditionseigenen Reparaturbetrieben gehört daher die regelmäßige Wartung der Klimaanlage ebenso zu den Basics wie Fehlersuch- und Reparaturaufgaben am Kältemittelkreislauf. Allerdings bergen Routinearbeiten ein gewisses Risiko für Flüchtigkeitsfehler, welche sich erfahrungsgemäß bereits nach kurzer Zeit bitter rächen und zu unangenehmen Diskussionen mit Fahrern und Fuhrparkmanagern führen.

Knackpunkt Kondensator

Der Kondensator, auch Klima-Kühler genannt, spielt neben einer korrekten Kältemittelfüllung, einem leistungsfähigen Kompressor und einem funktionierenden Expansionsventil (oder Drossel) eine wesentliche Rolle für die Kälteleistung einer Klimaanlage. Seine Aufgabe ist es, das vom Kompressor erhitzte Kältemittel abzukühlen: Das unter Hochdruck stehende, heiße Kältemittelgas strömt von oben in den Kondensator und gibt seine Wärme über das Lamellennetz an die Umgebung ab.

Abgekühlt und entspannt verlässt das nun flüssige Kältemittel den Kondensator über den unteren Anschluss und gelangt über den Filtertrockner zum Expansionsventil (oder Drossel) schließlich zum Verdampfer im Innenraum. Dort eingespritzt, verdampft es und entzieht im Verdampfergehäuse der Innenraumluft die Wärme, sodass diese mit der vom Fahrer gewünschten Wohlfühltemperatur aus den Ausströmern blasen kann.

Speziell bei Baustellenfahrzeugen und Fernverkehrs-Lkw setzen sich die Lamellen des Kühlernetzes im Kondensator zu. Reinigen mit sanfter Druckluft oder Spezialchemie entgegen der Einströmrichtung erhält die Kühlleistung der Aircondition.
Speziell bei Baustellenfahrzeugen und Fernverkehrs-Lkw setzen sich die Lamellen des Kühlernetzes im Kondensator zu. Reinigen mit sanfter Druckluft oder Spezialchemie entgegen der Einströmrichtung erhält die Kühlleistung der Aircondition.
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Baustellen-Lkw häufig betroffen

Da der Klimakühler üblicherweise vor dem Kühlmittelkühler verbaut ist und damit direkt im ‚Einschussbereich‘ liegt, bereiten ihm häufig von vorausfahrenden Fahrzeugen aufgewirbelte Straßensteine den Garaus. Entweder, indem ein Fremdkörper das Kühlernetz unmittelbar durchschlägt oder eine schleichende, zum Lochfraß führende Korrosion des Leichtmetalls verursacht. Speziell Baustellen-Lkw sowie Fernlaster und -busse, welche oft auf ,materialmordenden‘ Untergründen unterwegs sind, sind oft davon betroffen. Bei dieser Spezies Nutzfahrzeuge hat sich erfahrungsgemäß das meiste Kältemittel bereits aus dem Klimakreislauf verflüchtigt, wenn das Fahrzeug in die Werkstatt rollt.

Ein klassischer und schnell zu erledigender Check der Anlagendrücke mit dem Klimaservicegerät verrät die unterfüllte beziehungsweise leere Anlage innerhalb weniger Augenblicke. Sollte sich das Leck nicht schon bei der obligatorischen Sichtprüfung offenbaren, lässt es sich rasch mit einem simplen Stickstoff-Lecktest aufspüren. Etwas mehr Klima-Knowhow indes verlangen ein kältemitteldichter, aber von Straßenschmutz (Insekten, kleinere Vögel, Staub, Matsch, Plastiktüten, Papierfetzen) teilweise zugesetztes Kühlernetz oder durch den exzessiven Einsatz eines Hochdruckstrahlers umgeklappte Kühllamellen. Die charakteristische Beanstandung lautet, dass die Klimaanlage im Stadtverkehr oder Stau deutlich schlechter kühlt als bei Überlandfahrten und/oder der Kondensatorlüfter häufiger beziehungsweise ständig läuft.

Hintergrund: Kann nicht (mehr) genügend Kühlluft durch das Netz strömen, ist der Wärmeaustausch des Kondensators zu gering, was wertvolle Kühlleistung kostet. Besonders bei Baustellen-, Fern- und „Wüsten“-Fahrzeugen lohnt es sich daher, das Kühlernetz von Zeit zu Zeit präventiv zu reinigen, indem man entweder mit sanfter Druckluft oder einem Hochdruckreiniger mit spezieller Lanze und Reinigungschemie den Schmutz entgegen der Einströmrichtung entfernt.

Derartiger Abrieb im Sieb der Festdrossel deutet auf einen Kompressortotalschaden hin. Nach dem Kompressortausch muss die gesamte Anlage fachgerecht gespült werden.
Derartiger Abrieb im Sieb der Festdrossel deutet auf einen Kompressortotalschaden hin. Nach dem Kompressortausch muss die gesamte Anlage fachgerecht gespült werden.

Zu kurze Evakuierzeit – ‚vergessener‘ Filtertrockner

Feuchtigkeit im Kältemittelkreislauf ist einer der ‚Hauptfeinde‘ einer optimal funktionierenden Aircondition. Sie macht sich dadurch bemerkbar, dass die Kälteleistung im Fahrbetrieb immer wieder stark ab- oder sogar ganz ausfällt und nach einer kurzen Standzeit oder im Stop-and-go-Verkehr wieder vorhanden ist. Diese Fehlerbeschreibung ist typisch, wenn Verdampfer oder Drosselorgan zeitweilige vereisen. Verantwortlich hierfür ist ein zu hoher Feuchtegehalt des Kältemittels, der die betreffenden Komponenten gefrieren lässt, sodass dieses nicht mehr zirkulieren kann. Wird das Fahrzeug abgestellt, taut die Stauwärme das Eis auf und die Anlage kühlt wieder – zumindest bis zur nächsten Vereisung.

Ein nach einem Kompressor-GAU nachträglich in den Ansaugstutzen des neuen Verdichters eingebautes Feinsieb schützt diesen vor zirkulierendem Schmutz, der sich beim Spülen nicht entfernen ließen. 
Ein nach einem Kompressor-GAU nachträglich in den Ansaugstutzen des neuen Verdichters eingebautes Feinsieb schützt diesen vor zirkulierendem Schmutz, der sich beim Spülen nicht entfernen ließen. 

Ursache für einen zu hohen Feuchtegehalt kann eine vorausgegangene Reparatur mit geöffnetem Kältemittelkreislauf (Komponentenersatz) sein, bei der Luftfeuchtigkeit eindringen konnte. Um dies zu verhindern, sollten der Werkstattfachmann sämtliche Öffnungen (Leitungen, Anschlüsse) stets mit geeigneten Mitteln (Luftballons, Stopfen) verschließen. Außerdem sollte er bei allen Reparaturen, bei denen er den Kältemittelkreislauf öffnet, prinzipiell auch den Filtertrockner ersetzen, da dieser nicht nur mit dem Kältemittel zirkulierende Fremdkörper auffängt, sondern insbesondere die im System befindliche Feuchtigkeit aufnimmt und in seinem hydrophoben (= wasseranziehenden) Filterkissen bindet.

Doch mindestens ebenso wichtig wie der Ersatz des Filtertrockners ist eine gewissenhafte und genügend lange Evakuierung des gesamten und idealerweise vorher auf Dichtheit geprüften Kältemittelkreislaufs, um jegliche Feuchtigkeit zu entfernen, bevor neues Kältemittel aufgefüllt wird. „Genügend lange“ bedeutet nach Expertenempfehlung eine Evakuierzeit von mindestens 30 Minuten. Auch dann, wenn die Reparatur unter Zeitdruck erfolgt! Zudem schadet es demnach nicht, wenn nach der ‚Hauptevakuierung‘ noch eine kurze ‚Nachevakuierung‘ folgt, um sicherzustellen, dass tatsächlich keine Feuchtigkeit mehr im System ist. Viele Servicegeräte verfügen mittlerweile hierfür über eine automatisierte Funktion, welche den Klimafachmann diesbezüglich unterstützt.

Der Filtertrockner ist nicht nur beim Klimaservice regelmäßig zu ersetzen, sondern prinzipiell auch, wenn bei Reparaturen der Kältemittelkreislauf geöffnet wurde. Ist er gesättigt, kann sich das hygroskopische Filterkissen auflösen.
Der Filtertrockner ist nicht nur beim Klimaservice regelmäßig zu ersetzen, sondern prinzipiell auch, wenn bei Reparaturen der Kältemittelkreislauf geöffnet wurde. Ist er gesättigt, kann sich das hygroskopische Filterkissen auflösen.

Spülen nicht vergessen!

Zeitdruck und eine unterschätzte Ausgangslage sind die Hauptfeinde einer erfolgreichen Klimareparatur. Das gilt vor allem bei einem Kompressortotalschaden oder wenn sich das Filterkissen des Klimatrockners aufgelöst hat. Bei solchen Schäden ist es unumgänglich, die dabei entstandenen harten Schmutzpartikel (Metallabrieb, Filtergranulat) restlos durch fachgerechtes Spülen aus dem gesamten Kältemittelkreislauf zu entfernen.

Komponenten, welche sich nicht reinigen lassen – Drosselorgane, Filtertrockner, Kondensatoren und Verdampfer mit Multipass- beziehungsweise Multiflow-Technologie – müssen sogar erneuert werden. Zudem empfiehlt sich der vorbeugende Einbau und mehrmalige Wechsel von engmaschigen Filtersieben in den Ansaugstutzen des Kompressors, um auch die Partikel sicher einzufangen, welche sich noch im Betrieb lösen.

Geraten die harten Granulatpartikel eines überalterten Filtertrockners ins System, bedeutet das meist einen sichern Kompressortotalschaden.
Geraten die harten Granulatpartikel eines überalterten Filtertrockners ins System, bedeutet das meist einen sichern Kompressortotalschaden.

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