Von der Lichtmaschine zur Boost-Recuperation-Machine
Die Lichtmaschine hat sich in den letzten Jahren vom einfachen Bauteil zur hochintegrierten Boost-Recuperation-Machine (BRM) weiterentwickelt. Doch wo liegen die Unterschiede und was ist gleich geblieben?
Als der Drehstromgenerator, umgangssprachlich noch immer Lichtmaschine genannt, nur für die Energieversorgung des Fahrzeugs zuständig war und komplexe Batteriemanagementsysteme noch in weiter Ferne waren, war die Sache einfach: Wenn die Ladekontrollleuchte aufblinkte, war entweder der Keilriemen gerissen oder die Kohlen der Lichtmaschine am Ende. Doch in der Zwischenzeit hat sich viel getan. An die heutige Lichtmaschine werden jedoch viel höhere Anforderungen gestellt: Zum einen sind die elektrischen Anforderungen an die Ladeleistung stark gestiegen, zum anderen übernimmt die BRM zunehmend auch die Funktion des Anlassers, um aus dem klassischen Verbrenner einen Mild-Hybriden zu machen. Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, wurde der klassische Laderegler zum 48-Volt-Inverter weiterentwickelt, der nun die Lithium-Ionen-Batterie aufladen kann. Um die dabei entstehende Abwärme der Leistungselektronik effektiv abführen zu können, ist die Elektronik in den meisten Anwendungen wassergekühlt und in den Kühlmittelkreislauf des Motors eingebunden. Riemenseitig lässt die schlichte Riemenscheibe zwar einen „einfachen“ Riemen vermuten, um jedoch die Antriebsleistung im Hybridbetrieb übertragen zu können, ist ein Zehn-Rippen-Riemen sowie zwei BRM nahe Spann- beziehungsweise Umlenkrollen (Entkopplungsspanner) notwendig, damit der Riemen eine möglichst hohe Umschließung der Riemenscheibe aufweist.
Elektrische Leistungsfähigkeit
Konventionelle Drehstromgeneratoren liefern heutzutage meist zwischen 90 und 140 Ampere, je größer der Motor und je stärker die elektrische Ausstattung, desto leistungsfähiger müssen auch Generator und Batterie sein. Oberhalb von 140 Ampere wird die Luft jedoch dünn, einzig im Nutzfahrzeugbereich gibt es einzelne Modelle, die noch mehr Strom liefern – die Kabelquerschnitte werden einfach zu groß. 140 Ampere bei 14,3 Ladespannung ergeben eine Gesamtleistung von rund 2 kW, die so ein Generator dauerhaft erbringen kann – der Wirkungsgrad liegt zumeist im Bereich von 67 Prozent, das heißt, es sind rund 3 kW mechanischer Energie notwendig, um 2 kW elektrische Energie zu erzeugen – Wirkungsgradverluste durch den Riementrieb außen vor gelassen.
Die Boost-Recuperation-Machine hebt die elektrische Leistungsfähigkeit auf ein ganz neues Level: Neben einer vergleichbaren Ausgangsleistung von 2,2 kW auf der 12-Volt-Schiene, liefern sie zusätzlich bis zu 16 kW Leistung auf der 48-Volt-Schiene ins Bordnetz, wenn das Fahrzeug rekuperiert. Auch der Gesamtwirkungsgrad ist deutlich höher: Mit 87 Prozent werden rund 20 Prozent mehr Energie in elektrischen Strom umgewandelt, als dies beim konventionellen Drehstromgenerator der Fall ist. Möglich macht diese Einsparung neben einer optimierten Wicklung und einem mit Neodym-Magneten verstärkten Rotor vor allem der elektronische Inverter, der den Generator stets im Bestpunkt betreiben kann. Dafür verfügt die BRM über einen Positionssensor ähnlich dem Kurbelwellensensor, damit die Elektronik stets weiß, wie der Rotor gerade steht und dessen genaue Drehzahl kennt, um Rekuperation und Boost möglichst effektiv steuern zu können.
Beim Inverter handelt es sich nicht mehr nur um eine passive Schaltung, sondern einen eigenen, hoch entwickelten Controller, der je nach Fahrzeughersteller – und Modell mit einer spezifischen Lade-/Boostkurve programmiert wird, die optimal auf den Motor abgestimmt ist. Viel Aufwand, der sich für Hersteller und Fahrer lohnt: Im Realbetrieb spart ein Mild-Hybrid im Schnitt rund 0,2 Liter Treibstoff auf 100 Kilometern ein, für den Hersteller bedeutet dies eine Einsparung von 1,4 Gramm CO² auf den Flottenverbrauch.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Was im normalen Fahrbetrieb nur Vorteile mit sich zu bringen scheint, bietet im Werkstattalltag auch so manchen Nachteil: So ist der Riementrieb mit dem Entkopplungsspanner komplexer gestaltet, die Einbindung in den Kühlwasserkreislauf macht aus dem ehemals „schnellen Wechsel der LiMa“ eine mittelgroße Operation inklusive Entlüften des Kühlmittelkreises. Und: Viel reparieren lässt sich an der BRM im Gegensatz zur Lichtmaschine nicht mehr. Die Kohlen lassen sich noch tauschen – das war‘s! Die Kugellager könnten theoretisch getauscht werden, jedoch ist hier der Positionssensor im Weg, der millimetergenau auf die Position des Rotors angelernt ist. Einmal abgezogen, muss die Software des Inverters neu angelernt werden, was nicht mit der Werkstattdiagnose, sondern nur mit den Werkzeugen des Herstellers geht. Gleichzeitig kommen mit der 48-V-Li-Ionen-Batterie und dem DC/DC-Wechselrichtiger weitere teure Komponenten in das Fahrzeug, die zusätzliches Fehlerpotenzial bieten. Aber, dass ein so hoch entwickelte Produkt nicht günstiger als sein einfacherer Vorgänger ist, hat ohnehin niemand erwartet, oder?
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