Schlüsselkomponente an Bord
Das softwarebasierte Fahrzeug ändert die Spielregeln der Automobilindustrie. Was für die Entwicklung und Produktion gilt, schreibt sich im Aftermarket fort. Hier gibt es Chancen und Risiken – für alle Beteiligten, nicht nur die OEM.
Die Automobilindustrie durchläuft aktuell eine Revolution: Fahrzeuge werden immer elektrischer und intelligenter. Dem steigenden IQ liegt, vereinfacht gesagt, die zunehmende Digitalisierung der Fahrzeuge zugrunde. Diese erfordert mehr Software – im Zuge dessen rücken Hersteller bei der Fahrzeugentwicklung von der Hardware-Orientierung zugunsten einer softwarezentrierten Architektur ab. Im Ergebnis steht das sogenannte „Software Defined Vehicle“ (SDV).
Volkswagen beispielsweise definiert Software als wesentliches Handlungsfeld der unternehmerischen Transformation. Die Unternehmenstochter Cariad entwickelt in diesem Kontext Elektronikarchitektur und Softwareplattform, um in das digitale Ökosystem vorzustoßen, hieß es zur vergangenen IAA Mobility. VW kündigte einen „Software Defined Vehicle Hub“ (SDV) an. Dort würden Mitarbeiter von Cariad, Volkswagen und Audi gemeinsam Fahrzeuge vollständig softwarezentriert entwickeln.
Beim Software Defined Vehicle handelt es sich gemäß Joachim Mathes und Derek de Bono nicht nur um die Zugabe von ein paar Extrazeilen Code. In einem Presse-Webinar skizzierten die beiden Valeo-Manager, dass es dabei um einen Paradigmenwechsel gehe und sich für die Automobilindustrie die Geschäftsgrundlage ändere: Die Digitalisierung hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Auto designt, produziert bzw. verkauft werden und das revolutioniert gewissermaßen auch den Aftersales-Service. „Die Kunden erwarten, dass sich Autos updaten lassen – wie sie es von ihrem Mobiltelefon oder Computer gewohnt sind – wohingegen sich frühere Baureihen nach ihrem Produktionsstart nicht mehr groß veränderten“, erklärt Joachim Mathes, CTO Comfort & Driving Assistance von Valeo. Autohersteller müssen sich hier bewegen: „Die bisherige Art und Weise, wie Autos gebaut wurden, ist nicht mehr wettbewerbsfähig.“
Der Trend hin zur software-definierten Mobilität geht Hand in Hand mit einer zentralisierten Fahrzeug- und elektrischen/elektronischen (E/E-) Architektur. Während heute meist zahlreiche Steuergeräte im Auto unterschiedliche Funktionen steuern, werden morgen wenige zentrale Fahrzeugcomputer mehrere Systemfunktionen aus bisher getrennten Domänen vereinen, heißt es bei Bosch. Der Stuttgarter Zulieferer hat im Rahmen der CES 2024 in Las Vegas „als weltweit erster Automobilzulieferer die Fusion von Infotainment- und Fahrerassistenzfunktionen in einem Software-intensiven Zentralrechner und einem System-on-Chip (SoC)“ demonstriert, so der O-Ton zu Jahresanfang.
Immer up-to-date
„Das Durchschnittsalter des Fuhrparks in Europa liegt irgendwo zwischen 11 bis 12 Jahren. Innerhalb dieser Zeitspanne entwickelt sich die Fahrzeugtechnik weiter“, so Derek de Bono (VP Software Defined Vehicle bei Valeo). Beispielsweise kommen neue Features vom Hersteller, der Zulieferindustrie oder von Techfirmen auf den Markt – davon wollen auch Autohalter profitieren, nicht nur Neuwagenkäufer. Valeo kooperiert in diesem Zusammenhang unter anderem mit Renault und möchte beispielsweise die Möglichkeit bieten, neue Funktionalitäten zu integrieren, ohne neue Hardware installieren zu müssen („Features-on-Demand“). In der Partnerschaft mit Renault bringt der französische Zulieferer laut einer Pressemeldung von Mai 2023 eigene Software, App-Lösungen, elektronische Bauteile und den High-Performance-Computer ein. Außerdem kooperiere man mit der Renault Software Factory.
Valeo verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung darin, seinen Kunden eingebettete Softwarelösungen für eine sicherere, sauberere und erschwinglichere Mobilität zu bieten und die Funktionen des Fahrzeugs während seines gesamten Lebenszyklus zu aktualisieren und zu personalisieren. Heute sind mehr als 40 Prozent der 20.000 Ingenieure im Bereich Software und Systeme tätig, gab das Unternehmen im Zuge der letztjährigen IAA Mobility bekannt. In München stellte Valeo „anSWer“ vor, ein neue „Software als Produkt und als Dienstleistung“ (“Software-as-a-Service“, kurz SaaS, wie es neudeutsch heißt). Zudem vermeldete der Zulieferer neulich, Gründungspartner des „SDVerse Vehicle Software Marketplace“ zu sein. Das Unternehmen schließt sich den Gründern GM, Magna und Wipro sowie anderen Startpartnern an, um Softwareentwickler und Mobilitätsakteure in einer Matchmaking-Plattform zusammenzubringen.
TIPP: Sie interessieren sich für Neuigkeiten, Trends und Entwicklungen der Kfz-Zuliefererindustrie? Der amz.de-Newsletter informiert Sie zweimal wöchentlich. Jetzt gleich anmelden!
Passend zu diesem Artikel
Software spielt bei E-Autos bald die alles entscheidende Rolle. Für Hersteller und Zulieferer ergeben sich neue Geschäftsfelder.
Immer die aktuellste Software an Bord: Mit diesem Versprechen werben die Autohersteller für Funk-Updates bei Kundenfahrzeugen. Die Technik könnte aber auch Probleme machen.
Digitale Produkte auf Basis von künstlicher Intelligenz (KI) sollen für den Volkswagen Konzern zukünftig eine zentrale Rolle spielen. Der Autohersteller hat mit dem „AI Lab“ jetzt eine eigene Einheit für das Thema gegründet.