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Getriebe 15. November 2022

Reparaturlösung für den E-Golf

Der Stromer gilt als wartungsarm – aber nicht frei von Problemen. Weil es Auffälligkeiten bei den E-Achsen des E-Golfs gibt, bietet Schaeffler nun einen Reparatursatz für die Instandsetzung in der Werkstatt an.

Das Getriebe des E-Golf besitzt nur einen Gang – dennoch besteht für Werkstätten Handlungsbedarf
Das Getriebe des E-Golf besitzt nur einen Gang – dennoch besteht für Werkstätten Handlungsbedarf

Der E-Golf basiert auf dem Golf 7, kam 2012 auf den Markt und feiert dieses Jahr seinen zehnten Geburtstag – die Serienfertigung endete im vergangenen Jahr. Weniger erfreulich sind jedoch Meldungen aus der Bestandsflotte, bei der nun bereits relativ früh Getriebeschäden in dem Ein-Gang-Getriebe beobachtet werden konnten. Entsprechende Anfragen von Getriebespezialisten sorgten bei Schaeffler für die Entwicklung eines Getriebereparatursatzes, das „Schaeffler E-Axle RepSystem - G“. Mit dessen Hilfe sollen Werkstätten auch künftig am Servicegeschäft der Stromer partizipieren, wenn der Verbrennungsmotor zunehmend ins Hintertreffen gerät.

Notwendigkeit des Getriebes

Oftmals wird formuliert, Elektroauto bräuchten prinzipbedingt keine Getriebe. Dabei wird allerdings vorausgesetzt, dass jedes Auto über einen deutlich teureren Radnabenmotoren verfügt, der direkt auf die Räder wirkt. In der Realität sind Ein-Gang- und Zwei-Gang-Getriebe auch bei elektrischen Fahrzeugen die Regel. Sie ermöglichen es, mit einem Motor zwei Räder einer Achse anzutreiben. Zudem kann der Motor seine Stärken besser ausspielen und in höheren Effizienzbereichen betrieben werden.

Im Gegensatz zum Verbrenner ist der E-Motor im unteren Drehzahlbereich effizient und verliert mit zunehmender Drehzahl seinen Wirkungsgrad, während er beim Verbrenner zunimmt. Die kleinen Getriebe sind daher Reduktionsgetriebe, die die Eingangsdrehzahl des Motors auf die Enddrehzahl des Rades herab- und gleichermaßen das Drehmoment hinaufsetzen. Ist eine zweite Stufe vorhanden, dient diese dazu, auch bei Fahrten in höheren Geschwindigkeiten gute Effizienzwerte zu erreichen.

Ein-Gang-Getriebe mit Lagerschaden

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Das Getriebe des E-Golfs ist sehr einfach aufgebaut: Es umfasst die Getriebeeingangswelle, eine Vorgelegewelle als Reduktionsstufe sowie den Endantrieb in Form des Differenzials. Da der Elektromotor aus dem Stand ein hohes Drehmoment von 270 Newtonmeter erreicht und maximal 115 PS bei 3000 Umdrehungen liefert, wird das Getriebe entsprechend belastet. Breite Schrägverzahnungen an den Zahnrädern machen die Räder zwar dauerfest, drücken die Wellen jedoch auch auseinander – diese Kräfte müssen über die Lagerung abgefangen werden. Constantin Hölzel: „Wir haben über unsere Partner und Kunden erhöhte Auffälligkeiten in diesen Getrieben festgestellt, bei vergleichsweise niedrigen Laufleistungen. 50.000 bis 60.000 Kilometer sind eigentlich kein Alter für solch ein Getriebe.“

Eigene Versuche und Analysen bestätigen die Annahme: Je nachdem, wie die Fahrzeuge belastet werden – etwa durch Stadtverkehr, Anhängerfahrten oder regelmäßig starke Beschleunigung – kommt es bereits heute zu Getriebeschäden, heißt es bei Schaeffler. Man dürfe hierbei jedoch nicht vergessen, dass es sich um die erste Generation dieser Fahrzeuge handelt und die allermeisten Getriebe unauffällig sind. „Mit unserem Reparatursatz versetzen wir die Werkstatt in die Lage, das betroffene Getriebe instand zu setzen, während der Fahrzeughersteller nur das gesamte Getriebe als Einheit anbietet und austauscht“, erklärt Constantin Hölzel.

Mit dem E-Axle RepSystem - G will Schaeffler die Werkstätten für mechanische Arbeiten am E-Golf rüsten.
Mit dem E-Axle RepSystem - G will Schaeffler die Werkstätten für mechanische Arbeiten am E-Golf rüsten.

Die Lagerung im Detail

Bei der Lagerung der zwei Wellen und des Differenzials haben die VW-Ingenieure nahezu alles verbaut, was die Welt der Wälzlager zu bieten hat: So ist die Eingangswelle nur einseitig mit einem Rillenkugellager gelagert, während das abtriebsseitige Motorlager als zweiter Lagerpunkt der feinverzahnten Welle dient. Auf der Vorgelegewelle mit der Reduktionsstufe nimmt ein doppelreihiges Schrägkugellager die axialen Kräfte auf, die durch die Schrägverzahnung entstehen. Am gegenüberliegenden Wellenende sorgt ein Zylinderrollenlager für den ruhigen Lauf auch unter hohen Kräften. Das Differential ist klassisch in zwei Kegelrollenlagern gelagert, die über Beilegscheiben mit der entsprechenden Vorspannung spielfrei eingestellt sind. So reicht bereits ein geschädigtes Lager aus, um weitere Lager in Mitleidenschaft zu ziehen. Zwar werden in Getrieben Magnete eingesetzt, um etwaige Partikel aus dem Öl zu ziehen, doch je nach deren Position, kann hier auch nur ein Teil des Abriebs aufgenommen werden.

Schnittmodell Antriebsstrang/E-Motor des Volkswagen e-Golf (Golf VII) und dessen Getriebe.
Schnittmodell Antriebsstrang/E-Motor des Volkswagen e-Golf (Golf VII) und dessen Getriebe.

Hölzel: „Wir waren überrascht als die ersten Fälle an uns herangetragen wurden. Zunächst hatten wir das Eingangslager im Verdacht, später haben wir auch an dem teuren, hochpräzisen und doppelreihigen Schrägkugellager und den Kegelrollenlagern handfeste Lagerschäden vorgefunden:“ Dabei sorgt die gekapselte Konstruktion mit Lebensdauerölfüllung für eine gewisse „Selbstverstärkung“ der Schäden: Fängt ein Lager an, Spiel zu entwickeln, wird dessen metallischer Abrieb auch in alle anderen Lager eingespült und von den Wälzkörpern überrollt. So reicht ein „sterbendes“ Lager bereits aus, um die übrigen Lager in Mitleidenschaft zu ziehen. Zwar werden in den Getrieben Magnete eingesetzt, die etwaige Partikel aus dem Öl ziehen sollen, doch je nach deren Position können diese nur einen Teil des Abriebs aufnehmen. Schlimmstenfalls werden auch die teuren Zahnräder in Mitleidenschaft gezogen. In den allermeisten Fällen fallen die Lager jedoch schon deutlich früher mit Geräuschen auf, die den Fahrer auf das Problem hinweisen.

Hinter dem etwas sperrigen Namen verbirgt sich ein Komplettset vergleichbar zu den Luk GearBOX- Reparatursätzen, die bereits im Markt etabliert sind. Enthalten sind im Falle des E-Golfs alle fünf Hauptlager des Getriebes, vier Wellendichtringe sowie zwei Blinddeckel, die die Lagergassen nach außen abdichten. Statt eines Dichtpapiers setzt auch VW bei dem Getriebe auf eine Flächendichtung mit Dichtmasse. „Teilweise sind uns die Komponenten bereits aus anderen Getrieben des VW-Konzern, wie etwa dem 02T- oder dem DQ200 DSG-Getriebe, bekannt. Man merkt hier das VW-Baukastenprinzip, was dazu geführt hat, dass wir sehr schnell eine entsprechende Lösung anbieten konnten“, so der Schaeffler-Experte.

Ohne Spezialwerkzeug zu reparieren

E-Axle RepSystem - G umfasst alle Wälzlager, Wellendichtringe und Verschlusskappen für die Instandsetzung des Getriebes.
E-Axle RepSystem - G umfasst alle Wälzlager, Wellendichtringe und Verschlusskappen für die Instandsetzung des Getriebes.

Neben einer Hydraulikpresse, entsprechenden Druckstücken und gängigen Abziehern sowie Trennmessern braucht die Werkstatt kein besonderes Spezialwerkzeug für die Reparatur. „Wir stellen jedoch eine gewisse Verunsicherung im Umgang mit allen Komponenten des Hochvoltsystems fest“, so Hölzel. „Aber abgesehen von dem HV-Schein, den man für die Demontage benötigt, handelt es sich hier um klassischen Maschinenbau. Das Getriebe ist wesentlich einfacher aufgebaut als Handschalt- oder Doppelkupplungsgetriebe und lässt sich daher entsprechend gut reparieren.“ Das „E-Axle RepSystem - G“ ist im ersten Halbjahr 2023 im Handel und bei Vertriebspartnern erhältlich. Gegenüber der amz äußerte der Hersteller bereits, an weiteren Reparaturlösungen zur Instandsetzung von Getriebe- und Motoreinheiten von E-Fahrzeugen zu arbeiten, konnte aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine weiteren Details nennen.

Constantin Hölzel ist Teamleiter und bei Schaeffler Automotive Aftermarket verantwortlich für den Bereich Fahrzeuggetriebe. Hölzel ist seit 2015 im Unternehmen und entwickelt mit seinem Team die Reparaturlösungen „LuK GearBOX“ und „LuK RepSet CVT“ sowie das neue „Schaeffler E-Axle RepSystem – G“

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