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Historie 5. März 2020

Das Super-Goggomobil

Vor gut 60 Jahren stellte der niederbayerische Automobilbauer Glas mit dem Isar S 35 einen interessanten Prototypen vor.

Für Singles und kinderlose Paare hielt der 1966 von BMW geschluckte niederbayerische Automobilbauer Glas seit Ende 1956 das putzige Goggomobil-Coupé bereit, das mit Panorama-Heckscheibe und filigranen Chromrückleuchten stilistische Anleihen an US-Straßenkreuzern genommen hatte. Es baute auf der unveränderten Plattform der winzigen Limousine auf, war aber mit 3,18 Metern immerhin 15 Zentimeter länger. Angetrieben von den gleichen Zweitaktern, wahlweise mit 250, 300 oder 400 cm³, besaß es als technisches Schmankerl serienmäßig ein elektromagnetisch betätigtes Ziehkeilgetriebe, dessen vier Gänge mit einem zierlichen Vorwählhebel am Instrumentenbrett geschaltet wurden.

Da die sportive Optik des Coupés mit seinem herzförmigen Pseudo-Kühlergrill – er suggerierte einen nicht vorhandenen Frontmotor– mit den bescheidenen Fahrleistungen nicht harmonierte, stellte Glas 1959 auf der IAA den Isar S 35 vor. Hinter dessen breitem Kühlergrill verbarg sich eine kleine Sensation: Chefkonstrukteur Karl Dompert hatte den Heckmotor ausgebaut und stattdessen den luftgekühlten Viertaktboxer aus dem Isar T 700 als Frontmotor implantiert. Statt der nach vorne öffnenden „Selbstmördertüren“ des Seriencoupés waren die Türen vorne angeschlagen und die mickrigen Zehnzöller hatte man im Isar S 35 durch 12-Zoll-Räder ersetzt.

Motor wenig standfest

Dank höherer Verdichtung und zweier Solex-Vergaser leistete das Triebwerk 34 PS (25 kW) statt der 30 Serien-PS im T 700. Laut Werksangabe sollte das nur 610 Kilogramm wiegende Leichtgewicht in 22 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen und 135 km/h Höchstgeschwindigkeit erreichen. Damit wären Goggo-Piloten nicht nur einem fast doppelt so starken Mercedes-Benz 180 davongefahren, sondern hätten auch dem Traumcoupé jener Jahre, dem 7.500 Mark teuren Karmann-Ghia-Coupé, den Auspuff gezeigt. Dessen VW-Motor schaffte nämlich gerade mal 118 km/h Spitze.

Mit einem geplanten Preis von 4.750 Mark (2.428 Euro) hätte der Isar S 35 das Zeug zum Bestseller gehabt. Leider erwies sich jedoch der getunte Motor bei den ausgedehnten Versuchsfahrten als wenig standfest, so dass Glas vor der Serienproduktion zurückschreckte. Die beiden Prototypen dienten danach als Versuchsträger für den brandneuen Einliter-Vierzylinder des Glas S 1004, der im Mai 1962 auf den Markt kam. Der 42 PS (31 kW) starke Kurzhuber schrieb damals Motorengeschichte, weil seine obenliegende Nockenwelle erstmals von einem Zahnriemen angetrieben wurde, die der Zulieferer Continental entwickelt hatte. Irgendwann in den sechziger Jahren endeten die beiden Isar S 35 dann in der Schrottpresse. Ihre weiterhin zweitaktenden kleinen Brüder überlebten dagegen sogar die Übernahme von BMW und liefen erst im Sommer 1969 aus.

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Hans W. Mayer

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