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Scheinwerferaufbereitung 25. Oktober 2023

Fast so gut wie neu

Wenn die Tage kürzer werden, rücken Scheinwerfer wieder in Bewusstsein der Autofahrer. Das Aufpolieren verblichener Scheinwerfer ist im Werkstattalltag weit verbreitet. Doch wie gut ist ein aufbereiteter Scheinwerfer wirklich? Das haben wir im Lichtkanal überprüft – mit spannenden Ergebnissen.

Aufbereitet versus Gebrauchtzustand. Wie viel die Aufbereitung bringt, haben wir auf dem Prüfstand untersucht.
Aufbereitet versus Gebrauchtzustand. Wie viel die Aufbereitung bringt, haben wir auf dem Prüfstand untersucht.

Die Ausgangssituation für den Test ist eindeutig: In dem Zustand, in dem wir unsere Golf-Scheinwerfer in den Test geschickt haben, hätten sie keine Hauptuntersuchung bestanden. Die Deckscheiben aus Polycarbonat sind komplett vergilbt, verwittert und teils fleckig. In unserem Test wollen wir herausfinden, wie gut ein solcher Scheinwerfer noch funktioniert und ob ein aufbereiteter Scheinwerfer an die Lichtwerte eines Neuteils herankommt. Dafür unterziehen wir einen Scheinwerfer der professionellen Aufbereitung durch die Firma Peter Kwasny GmbH, der andere bleibt im „Originalzustand“. Antreten müssen die beiden gebrauchten Scheinwerfer anschließend gegen ein neues Exemplar identischer Bauart auf dem Goniometer im Lichtlabor bei ams Osram.

Der Ausgangszustand

Polycarbonat-Deckscheiben haben sich in der Erstausrüstung schon lange gegen die alten Glas-Streugläser durchgesetzt: Sie lassen sich beliebig formen, sind kostengünstig und leichter, was seit der gestiegenen Bedeutung des CO2-Ausstoßes für alle Entwicklungen ein wesentliches Entscheidungskriterium ist. Um den Kunststoff vor zu viel UV-Strahlung zu schützen, die Kunststoffe bekanntermaßen verspröden lässt, haben die Scheinweiter schon ab Werk eine wenige Mikrometer dicke Schutzschicht. Doch kein Schutz hält ewig. Unsere Scheinwerfer Baujahr 2009 weisen Risse, Flecken und Vergilbungen auf. Ralf Ertel, Spraymax-Anwendungstechniker bei der Peter Kwasny GmbH, weist darauf hin, dass bei der Aufbereitung eben nur diese dünne Schicht abgetragen werden darf, um die Optik des Scheinwerfers nicht zur verändern.

Aufbereitung mit bis zu 1.000er Körnung

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Bevor es mit der eigentlichen Aufbereitung losgeht, reinigt Ertel den Scheinwerfer mit Silikonentferner von fremden Verschmutzungen. Erst nach der Reinigung beginnt der Lack-Profi mit dem ersten Schleifdurchgang. Relativ grob, mit 320er Körnung. Schnell wird hier die dünne Schutzschicht sichtbar, die mit dem Exzenterschleifer abgetragen wird. Nach weiteren Schleifvorgängen mit 500er und 800er Körnung ist der Scheinwerfer vollends „blind“ und nahezu weiß. Kaum vorstellbar, dass der Scheinwerfer wieder gänzlich klar werden wird.

Bevor es mit der finalen 1.000er Körnung zu Werke geht, entfernt der Fachmann noch mit Silikonentferner und Staubtuch den Abrieb der vorangegangenen Schleifgänge. Langsam wird der Scheinwerfer wieder etwas klarer. Den finalen Schleifgang führt Ertel „nass“ durch, indem er auf die Schleifscheibe mit weicher Unterlage Silikonentferner aufträgt. Auch auf den Scheinwerfer trägt er den Silikonentferner auf, bevor er die Schleifscheibe ansetzt. Nach einigen Minuten Schliff ist nun auch das Innenleben des Fluters wieder gut sichtbar. Bevor der Scheinwerfer neu beschichtet werden kann, wird noch einmal sauber entfettet und übriger Schleifstaub entfernt.

Neubeschichtung mit 2k-Lack

Würde der Scheinwerfer ohne eine Schutzschicht dem Sonnenlicht ausgesetzt werden, würde er in kürzester Zeit noch stärker vergilben oder zuvor. Daher ist eine Neubeschichtung unablässig. Ralf Ertel empfiehlt dafür den 2-in-1 Scheinwerferlack als 2k-Produkt. Gegenüber 1k-Produkten ist die UV- und die mechanische Beständigkeit höher. Dafür muss die Dose auf der Rückseite aktiviert werden, was den Härter im Inneren freisetzt und den Lack gebrauchsfertig macht.

In zwei Sprühgängen beschichtet der Profi den Scheinwerfer neu, bevor er trocken muss. Der Scheinwerfer ist wieder glasklar und sieht aus wie neu vom Band. Besonders im Vergleich zu dem noch vergilbten Exemplar ist der Unterschied gigantisch.

Stunde der Wahrheit auf dem Goniometer

Mit den Scheinwerfern geht es nun zum Lichtlabor von ams Osram. Auf dem Goniometer und seinem Lichtkanal werden normalerweise Nachrüst-LEDs und Produkte des Herstellers für die ECE-Norm überprüft. Für uns montiert Fabian Wagner, Quality Engineer bei ams Osram, auch die beiden gebrauchten Scheinwerfer auf der hochempfindlichen Messeinrichtung und fährt die Messfahrten nach ECE Norm ab.

20 Meter Leuchtweitengewinn

Das Ergebnis der Aufbereitung kann sich sehen lassen: Im Vergleich zum vergilbten Scheinwerfer konnte die Reichweite von 128 Meter auf 148 Meter gesteigert werden – ein echter Sicherheitsgewinn im Alltag. Auch die Blendung für den Gegenverkehr ist deutlich reduziert, da das Licht nun nicht mehr in der Deckscheibe streut, sondern vor das Fahrzeug geworfen wird. Zudem steigt die Leuchtstärke vor dem Fahrzeug von ca. 19.000 Candela durch die Aufbereitung auf knapp 28.000 Candela. Eine starke Verbesserung, wenn auch nicht ganze auf dem Niveau des Neuteils (ca 35.000 Candela).

Dazu äußert sich der Prüfingenieur: „Man sieht eine deutlich Verbesserung durch die Aufbereitung. Vor dem Scheinwerfer ist nun wieder eine klare Hell-Dunkel Grenze erkennbar. Dadurch konnte die Blendung des Gegenverkehrs reduziert und die Ausleuchtung auf der eigenen Fahrbahnhälfte verbessert werden. Den strengen Kriterien der ECE genügt der aufbereitete Scheinwerfer jedoch leider nicht ganz.“ Weiter führt er aus: „Die ECE Norm ist sehr streng was die Blendung anderer Verkehrsteilnehmer angeht. Auch wenn die Blendung deutlich reduziert wird, reicht es nicht für die Erreichung der Norm. Im Vergleich zum nicht-aufbereiteten Scheinwerfer stellt dies jedoch eine deutliche Verbesserung dar. Die Länge des Lichtkegels konnte durch die Aufbereitung um etwa 20 Meter erhöht werden, was natürlich einen enormen Zugewinn an Sicherheit mit sich bringt.“

(Noch) Unzulässig

Unterm Strich eine starke Verbesserung: Der Scheinwerfer sieht wieder aus wie neu, die Reichweite wurde gesteigert und die störende Blendung des Gegenverkehrs reduziert. Doch wie sieht es mit der rechtlichen Seite aus? Das Kraftfahrtbundesamt hält aktuell (noch) daran fest, dass typgenehmigte Bausteile, hier also der ECE-R112 geprüfte Scheinwerfer, nicht verändert werden dürfen. Dass jedoch das „Altteil“ einer schleichenden Verschlechterung unterliegt und bis zur Hauptuntersuchung bereits 14 Jahre lang im Einsatz war – mit sinkender Leuchtweite und steigender Blendung – das stört die Beamten nicht. Die deutliche Verbesserung des Zustandes jedoch schon.

 

 

 

 

 

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