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Teilegroßhandel 1. Dezember 2021

„Der Kunde muss den Wert des Ersatzteils erkennen“

Die Corona-Pandemie sorgt für eine Materialknappheit und treibt die Preise nach oben. Aber auch E-Mobilität und Carsharing sorgen für grundlegende Veränderungen im IAM. Markus Malinen vom Aftersales-Softwareanbieter Syncron erklärt die Auswirkungen auf das Ersatzteilgeschäft.

Markus Malinen, Vertriebsleiter beim Softwarehaus Synchron
Markus Malinen, Vertriebsleiter beim Softwarehaus Synchron

Herr Malinen, wie bewerten Sie die aktuelle Preisentwicklung und die Materialknappheit auf dem Weltmarkt?

Markus Malinen: Die aktuelle Situation bezüglich der Unterbrechung der Lieferkette ist leider schlimmer als sie noch vor einigen Monaten aussah. Auch wird sie vermutlich länger andauern als erwartet. Es hat sich vom ursprünglichen Mangel an Mikrochips zu einem tieferen Mangel etwa an Guss-, Schmiede- und Kunststoffteilen und vielen anderen Produkten entwickelt. Mit einer Entspannung der Situation rechne ich frühestens im zweiten Quartal 2022. Es gibt viele Gründe, die auf die Pandemie zurückzuführen sind. Zu Beginn wurde die Produktion in den Industrien stark gedrosselt und alle Prognosen reduziert. Anschließend korrigierte man die Prognosen nach oben, doch zu diesem Zeitpunkt kamen Schließungen der Häfen in China und die Blockierung des Suezkanals hinzu.

Können Sie mit Ihrer Software in dieser Situation helfen?

Markus Malinen: Solche Fälle kann leider keine Software voraussehen, aber was wir mit unseren Lösungen machen können, ist für Visibilität und Transparenz zu sorgen: Wann bekomme ich meine Lieferungen von den Herstellen? Wo habe ich schon Teile in meiner Lieferkette? Wie kann ich mit dieser Knappheit das bestmögliche Service-Level an meinen Kunden weitergeben?

Welche generellen Trends sehen Sie im Service- und Ersatzteilbereich?

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Markus Malinen: Die Automobilindustrie entwickelt sich in eine Product-as-a-Service-Richtung. Kunden sind nicht mehr länger Besitzer von Autos im traditionellen Sinne, sondern nutzen es in einem Abomodell. Darin enthalten sind Pauschalgebühren für das Fahrzeug, Versicherung, Wartung etc. Es werden also nicht mehr nur Autos verkauft, sondern der Service insgesamt. Wenn der Service fest an ein Produkt gekoppelt ist und überzeugt, wirkt sich das positiv auf eine stabile Kundenbindung aus. Hinzu kommen Aspekte wie Carsharing und die aufkommende E-Mobilität. Die genannten Faktoren sorgen für Veränderungen im Ersatzteilgeschäft und verändern den Bedarf bestimmter Ersatzteile. Bis diese Neuerungen jedoch eintreten, wird es noch dauern. Trotz ansteigender E-Mobilität gehen wir davon aus, dass noch bis zum Jahr 2050 Teile für die Instandhaltung von Verbrennungsmotoren benötigt werden. Diese Zeitspanne ist für den Aftermarket ausreichend, um für die kommenden Jahre zu planen.

Wie könnten sich diese beschriebenen Veränderungen auf die Preise im Service auswirken?

Markus Malinen: Nur weil es perspektivisch generell weniger Autos auf den Straßen geben könnte, heißt das nicht, dass Kundenbindung und guter Service in den Hintergrund rücken werden. Die Kunden möchten auch weiterhin mit ihrer bevorzugten Marke fahren und den gewohnten Service genießen. Eine Prognose im Hinblick auf Preise zu geben und alle Faktoren dabei zu berücksichtigen ist daher schwierig. Für die OEMs bleibt es jedenfalls weiter wichtig, eine stabile Kundenbindung zu erreichen. Die Kunden sollen ihre Fahrzeuge weiterhin bei den Werkstätten der OEMs warten lassen. Und dafür ist Fairness in der Preisgestaltung ein wichtiger Aspekt. Der Kunde muss jederzeit verstehen, wie bestimmte Preise zustande kommen, um weiter das Vertrauen zu behalten. 

Kann ein cleveres Bestands- und Preismanagement die Margen hochhalten?

Markus Malinen: Das Zusammenspiel von Bestands- und Preismanagement mit Wirkung auf die Margen wird in Unternehmen oft nicht verstanden. Eine intelligente Bestandsmanagementlösung, so wie wir sie bieten, macht es einfach zu erkennen, welche Verfügbarkeitsanforderungen die Kunden stellen. Je höher die Anforderungen, desto höhere Margen kann man verlangen. Es gibt zahlreiche Fälle, die zeigen, wie wichtig das Zusammenspiel zwischen Bestands- und Preismanagement ist. Denken Sie an den Ausverkauf von Teilen mit dem Ziel, den Bestand zu minimieren. Wenn das Bestandsmanagement darüber nicht informiert ist, wird das Lager wieder aufgestockt, obwohl man die Teile eigentlich loswerden wollte.

Welche Preisentwicklung ist vor diesem Hintergrund für Kfz-Ersatzteile zu erwarten? Gilt das Motto „Weniger Teile, aber dafür teurer“?

Markus Malinen: Bestimmte Verschleißteile werden zwar weiterhin benötigt, aber durch die Elektrifizierung kommt es dazu, dass sich die Gesamtzahl der Ersatzteile reduzieren wird. Der Mehraufwand bei der Herstellung elektronischer Teile wirkt sich allerdings auf den Preis aus. Es muss für den Kunden stets nachvollziehbar sein, wie Preise zustande kommen. Nämlich nicht, weil er seltener in die Werkstatt muss, sondern, weil das entsprechende Teil einen bestimmten Wert für den Kunden bringt.

Welche Konsequenzen könnten diese Entwicklungen für die Zuliefererindustrie und Kfz-Teilehändler haben?

Markus Malinen: Wenn sich die Zahl der verschiedenen Ersatzteile verringert, wird es mehr Anbieter geben, was die Zahl der Konkurrenz natürlich vergrößert. Daher ist es für OEMs, Zulieferer und Händler wichtig, sich auf dem Markt richtig zu positionieren und die richtige Zielgruppe anzusprechen, um einen stabilen Kundenstamm aufzubauen. Dafür müssen die Unternehmen außerdem transparent agieren, Verfügbarkeit gewährleisten und die Bepreisung dynamisch gestalten.

Die Mega-Trends der Branche werden das Ersatzteilgeschäft der Zukunft verändert. Treibender Faktor ist vo allem die E-Mobilität.  
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