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Zuliefererindustrie 12. März 2024

„Konditionen verstärkt international denken!“

Der Independent Aftermarket (IAM) ist im Wandel, der Preisdruck wird stärker. Wir haben Kai Pastuch, Geschäftsführer der Pricing- und Vertriebsberatung Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants gefragt, wie Zulieferer mit diesen Herausforderungen umgehen sollten.

Vollautomatische Produktionslinie von Continental in Frankfurt. Grundlegende strukturelle Veränderungen im IAM beeinflussen die Preisbildung der Zulieferer.    
Vollautomatische Produktionslinie von Continental in Frankfurt. Grundlegende strukturelle Veränderungen im IAM beeinflussen die Preisbildung der Zulieferer.    

Herr Pastuch, welche Trends sehen Sie im IAM, die sich insbesondere auf die Preisgestaltung der Zulieferer auswirken?

Kai Pastuch: Auch im IAM schreitet die Konsolidierung auf der Händlerseite schnell voran. Einkaufsverbände tun ihr Übriges, um den Druck auf die Hersteller von Ersatzteilen hochzuhalten. Zudem beobachten wir, dass die größeren Akteure immer internationaler agieren und grenzüberschreitend verhandeln und einkaufen. Dies führt dazu, dass Zulieferer gezwungen werden, Preisentscheidungen wieder stärker zu zentralisieren. Aufgrund der Komplexität von historischen Konditionenvereinbarungen und internationalen Verflechtungen der Kunden können Preisentscheidungen zudem kaum noch intuitiv getroffen werden. Hier liegt eine große Herausforderung im Pricing, aber auch in der IT-Infrastruktur.

Wie sollte ich mich als Zulieferer im Markt optimal positionieren?

Kai Pastuch: Zunächst muss ich die Frage beantworten, wo ich mit meinen Produkten hinsichtlich Qualität und Wahrnehmung im Wettbewerbsvergleich stehe. Für Original Equipment Supplier (OES) ist dies einfach: Sie liefern die gleichen Teile als Komponenten an die Fahrzeughersteller und stehen ganz oben im Qualitätsranking. Aftermarket Brands, die Erstausrüsterqualität bieten, aber nicht unbedingt an OEMs liefern, folgen relativ dicht. Beim Übergang zu Aftermarket Only Brands reicht die Qualität von Premium bis zu Budget.

Für einen nachhaltigen Markterfolg ist entscheidend, dass die eigene Positionierung klar definiert ist und für die Marke konsequent durchgehalten wird. Dies gilt selbstverständlich auch für das Pricing. Allgemein kann man sagen, dass der Blick nach oben gerichtet sein sollte. OES benötigen einen angemessenen Preisvorteil gegenüber dem OEM. Aftermarket-Brands müssen wiederum einen entsprechenden Preisvorteil gegenüber dem OES bieten. Je weiter man in der Kette nach unten gelangt, desto wichtiger ist auch der Blick nach links und rechts, also zu Wettbewerbern mit ähnlicher Positionierung. Hier nehmen die Alleinstellungsmerkmale naturgemäß immer weiter ab. Ganz unten ist der Abstand zu den anderen Budgetangeboten dann wichtiger als die relative Positionierung zu den hochwertigeren Offerten.

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Kai Pastuch ist Geschäftsführer von Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants.
Kai Pastuch ist Geschäftsführer von Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants.

Das klingt stark danach, den traditionellen, eher kostengetriebenen Ansatz zur Preisfindung zu verlassen?

Kai Pastuch: Wenn ich ein Ersatzteil kaufe, dann nicht, weil ich gerade Lust dazu habe, sondern weil ich es dringend benötige. Werkstätten haben auf Knopfdruck Transparenz zu zahlreichen alternativen Angeboten und entscheiden sich für das aus ihrer Sicht beste Angebot. Abhängig vom Kontext kann dies die beste Qualität, der beste Preis oder ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis sein, sodass die Gefahr unzufriedener Endkunden aufgrund von Qualitätsmängeln oder zu hohen Reparaturkosten minimiert wird. Die Herstellkosten spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Entscheidend ist, wo ich im Preis-Leistungs-Ranking des Käufers lande, denn das gibt den Ausschlag darüber, ob mein Produkt gekauft wird oder nicht. Dabei kann gut sein, dass ich in Land A als Premiummarke wahrgenommen werde, während ich in Land B weitgehend unbekannt bin. Auch kann ich beispielsweise eine hervorragende Reputation für Achsen und Federungen haben, im Bereich von Bremsscheiben und Bremsbelägen aber nur einer unter vielen sein. Wir sprechen hier von Marktclustern, die es im Pricing separat zu steuern gilt.

Gibt es auch Aspekte, die bei der Preisfindung gegenüber dem Handel wichtig sind?

Kai Pastuch: Durch die komplexen, oft internationalen Verflechtungen auf der Handelsseite laufen Hersteller ständig Gefahr, dass ihnen historische Konditionenvereinbarungen mit einzelnen Gruppenmitgliedern auf die Füße fallen. Wir beobachten immer wieder starke Preisverwerfungen zwischen den Händlern, die sich kaum erklären oder rechtfertigen lassen. Komplexe Bonusvereinbarungen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen begünstigen auch intern bei den Zulieferern die Intransparenz.

Eine wichtige Aufgabe besteht darin, Konditionensysteme verstärkt international zu denken, wenigstens über die Grenzen innerhalb Europas hinweg. Es gilt, eine stringente Konditionenlogik über (Listen-)Preise, Rabatte und Boni hinweg zu entwerfen. In nicht wenigen Fällen reichen solche Preiswasserfälle noch deutlich weiter, um Services und Zahlungsbedingungen ebenfalls besser zu steuern. Dabei ist klar, dass nicht jede Konditionenvereinbarung gleich aussehen kann. Es gilt aber, einen einheitlichen Rahmen und verbindliche Preisbänder zu schaffen. Dabei ist die Leistungsorientierung der Konditionen von hoher Relevanz. Umso enger der Zusammenhang zwischen Konditionen und Händlerleistung gestaltet wird, umso stärker wird sich die eigene Marke am Markt präsentieren können.

Was empfehlen Sie im Umgang mit reinen Onlineanbietern?

Kai Pastuch: Innovationen lassen sich nicht aufhalten. Die Erfahrung in den verschiedensten Branchen zeigt, dass Hersteller am besten fahren, wenn sie alle Kanäle direkt aussteuern. Verweigere ich mich als Hersteller einem stark wachsenden Vertriebskanal, kann ich sicher sein, dass sich ein Großhändler findet, der die Belieferung an meiner Stelle übernimmt. Vor diesem Hintergrund kann ich nur empfehlen, auch Pure Online Player und Plattformen im Rahmen meiner Multi-Channel-Strategie zu berücksichtigen. Letztendlich liegt es im ureigenen Interesse der Hersteller, einen fairen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Akteuren auch kanalübergreifend sicherzustellen.

Kai Pastuch ist Geschäftsführer von Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung aus zahlreichen Projekten für internationale Großunternehmen und den deutschen Mittelstand in den Bereichen Pricing, Vertrieb und Strategie.

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