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AMZ vor Ort 20. Oktober 2020

Der Deloman betreibt Werk- und Pilgerstätte

Wolfgang Hank hat einen Einzugsbereich, von dem andere nur träumen: Das Know-how zum DeLorean DMC 12 lockt Kunden aus ganz Europa.

Man darf Wolfgang Hank ruhig einen Nerd nennen, schließlich bezeichnet er sich selbst so. Der Kfz-Meister beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Autos und hat sich so ein immenses technisches Know-how aufgebaut – doch das unterscheidet ihn nicht von tausenden weiterer Werkstattprofis. Es ist ein bestimmtes Themengebiet, das den Chef des Team Deloman zum leidenschaftlichen Experten eines speziellen Sujets – so eine nett gemeinte Definition des Begriffs Nerd – macht. Eine Passion, die der gebürtige Augsburger im Übrigen mit seinem mitarbeitenden Meister Bruno Maurer teilt. „Wir sind eine der renommiertesten Fachwerkstätten für DeLorean DMC 12 weltweit“, erklärt Wolfgang Hank (oben im Bild). Die Kunden kommen aus ganz Europa ins schwäbische Adelsried, wo er mit seinen derzeit vier Beschäftigten seit eineinhalb Jahren misst, repariert, schraubt und schweißt – nicht nur Modelle des in den Jahren 1981 und 1982 im nordirischen Belfast gefertigten Oldtimers.

Beim ersten Besuch im Sommer 2018 war die Werkstatt noch im Augsburger Stadtteil Lechhausen beheimatet. Dort stand auf großen Schildern und Pylonen „Wolfgang Hank Kfz-Meisterbetrieb“ zu lesen. Bereits vor zwei Jahren war ein Umzug im Raum gestanden, da das gepachtete Gebäude verkauft worden war. Wolfgang Hank bezeichnet die damalige Situation beim zweiten Besuch im Herbst 2020 als Scheidepunkt für die Werkstatt. Der Inhaber erkundete potenzielle Standorte, nachdem die Kündigung schließlich eintrudelte. Seinen Worten zufolge wäre auch ein kleineres Objekt infrage gekommen. „Dann hätten Bruno und ich gemeinsam eine kleine Werkstatt fortgeführt und nur noch Delos gemacht.“ Doch dann tat sich eine ehemalige Ziegelei in Adelsried nahe der Autobahn A8 auf. Ein Weihnachtsgeschenk, wenn man so will: Der Vertrag wurde am 24. Dezember 2018 unterschrieben und aufgrund des größeren Anwesens samt entsprechendem Gebäude richtete sich das Team ab Frühjahr 2019 eine neue, große Werkstatt ein. In den folgenden Monaten investierte der 52-Jährige rund 400.000 Euro in das Pachtobjekt.

Neues Kreativlabor

Die neue Werkstatt firmiert bescheidener: Wer sich auf den Gewerbehof Adelsried begibt, der muss bei geschlossenen Türen erst einmal den Zugang suchen. „Hank 22.1“ ist in kleinen Lettern neben der Direktannahme zu lesen und verweist auf Hausnummer und Inhaber. Daneben findet sich das so genannte Center für Schlüsselübergabe und Paket- bzw. Teileanlieferung. Das Prinzip hat Team Deloman von einem Hotelschreck-Start-up aus dem Silicon Valley abgeschaut. Die Kunden erhalten eine Info auf ihr Smartphone, welcher Ersatzwagen sich wo befindet und welcher Code das zugehörige Schließfach öffnet. Die eigenen Autoschlüssel können Kunden ebenso sicher deponieren. Daneben führen Tür und Tor in die Werkstatt. Gleich auf den ersten Blick sehen Besucher, um was es hier geht: Drei der sechs Arbeitsplätze sind mit DeLorean belegt. Ein weiterer Oldtimer vom Typ Ferrari ist auf dem Hochvolt-Arbeitsplatz (zwischen-)geparkt. Drei weitere Kundenfahrzeuge sind erheblich jünger.

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Wer die Werkhalle ganz durchschreitet, gelangt linker Hand in die Kantine, geradeaus liegt das Lager: „Das ist unser Delo Diner - wir wollen uns hier wohlfühlen“, erklärt Hank, als er mit einem anerkennend nickenden Redakteur abbiegt. Der Raum enthält Originalmöbel und das standesgemäße Schachbrettmuster am Boden. An den Wänden zeugen alte Nummernschilder von lieb gewonnenen ehemaligen automobilen Weggefährten, neben dem Tisch grüßt von einem Poster ein DeLorean mit Aichacher Kennzeichen aus der australischen Wüste. Wie geht das zusammen? Wolfgang Hank erzählt von der Weltumrundung in drei DeLorean. Nicht zuletzt durch diese 2015/16er World Tour, ist Wolfgang Hank in der internationalen Delo-Szene bekannt. Hinter der Werkstatt befindet sich das Teile-, Reifen- und Autolager – auch das gibt es beim Team Deloman. In einem selbst entwickelten Regalsystem stapeln sich zwei nordirische Oldtimer und ein roter Lotus Esprit.

Meister der Originalteile

Wegen der Hallenhöhe hätten drei weitere Regalschienen („Carrier“) und damit Fahrzeuge Platz. Ein Gabelstapler aus den 1970ern namens Hulk übernimmt die Transportlogistik. Der Lotus Esprit ist für Hank übrigens nicht irgendein Oldtimer, sondern entstammt der „ersten Serie“ und hat als „automobiles Kunstwerk“ einen steten Motivationsschub zur Folge. Ähnlicher Ansicht muss übrigens auch John DeLorean, Gründer der DeLorean Motor Company (DMC) vor über 40 Jahren gewesen sein, gewisse Ähnlichkeiten zwischen den beiden Fahrzeugen sind nicht zu leugnen. Im Teilelager findet sich „Europas größtes DeLorean-Originalteile-Lager“, wie Wolfgang Hank betont. Vor dem Umzug kam die Inventur, daher hat er eine Vorstellung von der Menge an Kotflügeln, Scheinwerfern und Fronthauben aus Belfast: Die Karosserieteile füllen einen kompletten Überseecontainer. Übernommen wurden diese vom Chef des deutschen DeLorean-Clubs, seinerseits ein Hank-Kunde. Die Ersatzteile wurden nach der Insolvenz der DeLorean Motor Company 1982 veräußert und haben ihren Weg irgendwie nach Deutschland gefunden. Alternativ müssen Halter nach einem Schaden Karosserieteile aus den USA oder Niederlanden beziehen – dort sitzen Kollegen, die auch im Besitz von Originalteilen sind.

Mut zur Nische

Der DeLorean-Service steht beim Team Deloman im Fokus – der Name spricht für sich. Dennoch hält er sich eigenem Bekunden zufolge umsatzseitig die Waage mit Wartung und Reparatur von anderen Marken. Aufgrund eines höheren Stundenverrechnungssatzes und der Originalteile-Situation ist die Marge bei Delo-Reparaturen allerdings attraktiver, verrät Hank. Er schätzt den deutschen Delo-Fuhrpark auf 600 bis 700 Fahrzeuge. Reifenwechsel, Bremsenreparatur und ähnliche, leichte Eingriffe wuppt auch jede andere Werkstatt. Warum nehmen aber so viele Halter die weite Reise auf sich? Bei größeren technischen Problemen oder einem Unfallschaden rät offenbar auch die Delo-Szene, den schwäbischen Spezialisten aufzusuchen. Wolfgang Hank empfiehlt sich mit Erfahrung und Spezialwerkzeug – teils aus eigener Entwicklung, wie einen Halter, um Türscheiben einzukleben oder den Aufsteller, um den Türdämpfer auszutauschen. Besonders stolz ist der Schwabe auf den so genannten „Himalaya-Switch“. Dahinter verbirgt sich eine eigene Steuereinheit, um das Antriebssystem an die Luftverhältnisse in höheren Regionen anzupassen – ein Klick aus dem Fahrzeug heraus genügt. „Die Lambdaregelung arbeitet bis 3.500 Meter einwandfrei – darüber muss das Kraftstoffgemisch nachreguliert werden, da der Sauerstoffgehalt der Luft zu gering ist“, erklärt er.

Wolfgang Hank führt seit 1995 eine eigene Werkstatt. Mit dem ersten DeLorean im Jahr 2000, in den er viele Arbeitsstunden investierte und den er immer noch fährt, begann der professionelle Zugang. Gelernt hat er in einem Nissan-Markenbetrieb, danach wechselte er in die Toyota-Welt. Er kann also Importmarken, gelernt ist gelernt. Wichtig ist in erster Linie die Routine: „Beim Austausch der Fensterheber brauchen wir eine Stunde, dann bauen wir noch eine halbe Stunde lang die Tür zusammen und sind fertig“, kalkuliert der Delo-Experte. Für den ersten Fensterheber habe er vier Stunden gebraucht und sich obendrein noch verletzt.

Zeitloses Kultmobil

Der DeLorean DMC 12 fuhr in den Jahren 1981 und 1982 in Belfast vom Band. Für das Design zeichnete Giorgetto Giugiaro verantwortlich. Sein Italdesign-Studio gestaltete in den 1970ern auch Maserati Merak, Lotus Esprit, VW Golf und Audi 80. Von dem nordirischen Edelstahl-Sportwagen mit den auffallenden Flügeltüren wurde laut Onlinelexikon Wikipedia 8.975 Einheiten produziert. Gegründet von John DeLorean verstand sich die DeLorean Motor Company auf sehr gutes Storytelling. Eine Folge war, dass DeLorean DMC 12 bereits vor Auslieferung mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht wurde und es gab – wie auch von Tesla bekannt – eine lange Vorbestellungsliste inklusive Vorauszahlung. Die damals aufgerufenen Preise von 25.000 US-Dollar entsprechen einem heutigen Gegenwert von fast 60.000 Euro. Rezession und Qualitätsprobleme führten zum Konkurs der Firma und zum schnellen Produktionsstopp. Nichtsdestotrotz erfreut sich das Fahrzeug großer Beliebtheit und einer zahlreichen Fangemeinde. Einen Teil dieses Kultstatus verdankt der "Delo" seinem Auftritt als Zeitmaschine in der "Zurück in die Zukunft"-Trilogie. Schätzungen zufolge soll es heute noch über 6.000 dieser Kultmobile geben. In der DeLorean-Szene geht man von bundesweit rund 600 bis 700 Fahrzeugen aus.

Pilgerstätte

In der ersten Etage leistet sich das Team Deloman einige Zimmer voller Devotionalien, Bücher und Fanartikeln zum Fahrzeug, aber auch zur Filmreihe "Zurück in die Zukunft", die 1985 im Kino startete. Zwar sei er selbst kein besonders großer Fan, bekannte Wolfgang Hank. Vielmehr hat der Profischrauber das Auto bereits vor der Trilogie kennen und schätzen gelernt. Und doch könne man sich dem Einfluss nicht entziehen. Sich professionell mit dem Auto zu beschäftigen und so zu tun als gäbe es den Streifen nicht, ist schwer möglich. Die Szene zollt also dem Film Respekt, denn ohne ihn gäbe es den Kult um das Auto wohl nicht. Filmkenner wissen auch, dass sich hinter dem "Back-to-the-Future-Day" der 21. Oktober 2015 verbirgt. Dieser Tag war das Zeitreiseziel von Marty McFly (Michael J. Fox) und Doc Brown (Christopher Lloyd) im zweiten Teil der Reihe. Es ging nach dem Drehbuch von 1989 darum, den zukünftigen Sohn von McFly vor einem Fehler zu bewahren. Als es vor fünf Jahren soweit war und der Tag sozusagen in der Echtzeit anbrach, veranstalteten Filmliebhaber eine Reihe von Aktionen: Unter anderen widmete sich die Tagesschau dem Thema in einer Extra-Ausgabe, die auf Facebook ausgespielt wurde. Wolfgang Hank hatte an diesem Tag übrigens andere Sorgen: Mit seinen beiden World Tour-Kollegen weilte er in Nepal und wurde von Polizei und Militär durch eine Bezirk geleitet, in dem ein Aufstand herrschte.

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