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Recht und Finanzen 22. August 2017

Scheibentausch: Haftet bald der Betrieb?

Mit neuen, automatisierten Fahrfunktionen bekommt der Scheibentausch auch eine haftungsrechtliche Komponente. Um Risiken zu vermeiden, müssen Betriebe nachweisen können, dass alle Systeme entsprechend den Herstellervorgaben instand gesetzt wurden.

Bei immer mehr Fahrzeugen wird knftig eine Kalibrierung erforderlich sein ? ber die haftungsrechtlichen Konsequenzen im Zusammenspiel mit automatisierten Fahrfunktionen sollten sich Betriebe im Klaren sein.
Bei immer mehr Fahrzeugen wird knftig eine Kalibrierung erforderlich sein ? ber die haftungsrechtlichen Konsequenzen im Zusammenspiel mit automatisierten Fahrfunktionen sollten sich Betriebe im Klaren sein.

Mit dem neuen A6 bringt Audi bald eine neue Stufe des autonomen Fahrens in die Großserie. Wenn die Funktion „ai“, also „Artificial Intelligence“ (künstliche Intelligenz) übernimmt, zieht sich das Lenkrad zurück und das Fahrzeug fährt in bestimmten Situationen allein. „Für den Reparaturbetrieb hat dieser Komfortgewinn jedoch haftungstechnische Konsequenzen“, erklärt Gordon Kahler, technischer Leiter der Wintec AG, der sich auch im Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme des Bundesverbands Autoglaser (BVA) engagiert. „Durch diesen hohen Grad der Automatisierung ist ein Eingreifen durch den Fahrer nicht mehr notwendig. Dies gilt auch für Gefahrensituationen. Der Fahrer wird somit aus der Verantwortung genommen.“

Die Haftung für die ordnungsgemäße Funktion der Systeme liegt beim Automobilhersteller. Kann dieser nach einem Unfall jedoch nachweisen, dass ein nicht fachgerechter Eingriff in die Systeme stattgefunden hat, kann dies auf den Fachbetrieb zurückfallen, der den letzten Scheibentausch durchgeführt hat. Als nicht fachgerecht gilt dabei alles, was von den Herstellervorgaben abweicht. „Um unvorhergesehene Haftungsrisiken von vornherein auszuschließen, ist es beim Scheibentausch künftig umso wichtiger, auf die exakte Einhaltung der Herstellervorgaben zu achten“, rät Gordon Kahler und weist besonders auf ergänzende Angaben wie „erforderliche Zusatzarbeiten“ hin.

Aus Sicht des Glasexperten Gordon Kahler bedeutet das zweierlei: „Zum einen kommt der Fachbetrieb, der auch künftig die Scheiben moderner Pkw tauschen will, um die Anschaffung entsprechender Geräte nicht herum.“ Mit diesen lassen sich Kalibrierung und Justierung durchführen sowie im Ernstfall die notwendigen Nachweise über eine ordnungsgemäße Reparatur erbringen. „Auf der anderen Seite müssen Betriebe ihre Autoglasspezialisten regelmäßig schulen und vor allem für das Thema Herstellervorgaben sensibilisieren.“

Werkstätten, die diese beiden Kriterien erfüllen, können auch künftig erfolgreich sein, ist Gordon Kahler überzeugt: „Das Geschäft mit Autoglas wird sich umso mehr lohnen, denn der Aufwand für den Scheibentausch steigt durch die neuen Systeme enorm an.“ Besonders relevant sei das für jene Autoglas-Betriebe, die verstärkt Flotten zu ihrem Kundenstamm zählen: „Eine interne Auswertung hat ergeben, dass die Kalibrierungsquote nach dem Scheibentausch bei Fuhrparks über 50 Prozent beträgt.“ Im Gesamtmarkt hingegen müsse nur in 13 Prozent der Fälle nach dem Scheibentausch neu kalibriert und justiert werden. Das könne sich jedoch schnell ändern, meint der Wintec-Spezialist: „Im Flottensegment hat sich die Kalibrierungsquote innerhalb von nur zwei Jahren verdoppelt.“

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