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Markt 4. Oktober 2018

Diesel-Umrüstung: Droht regionaler Wirrwarr?

Seit Monaten streiten Regierung und Autoindustrie um die Bewältigung der Dieselkrise – hat die Regierung jetzt mit ihrem Beschluss, die Nachrüstung älterer Diesel in besonders belasteten Städten zuzulassen, den Bock umgestoßen?

Umrstung ja oder nein? Noch stinkt die ganze Sache.
Umrstung ja oder nein? Noch stinkt die ganze Sache.

Ein „Entweder-oder“-Maßnahmenpaket hat sich die Bundesregierung ausgedacht, um die Diesel-Kuh vom Eis zu kriegen: Entweder mittels Umtauschprämie vom alten Diesel auf einen neuen umsatteln, oder den alten Diesel mittels Nachrüstung umweltfreundlicher machen. Grundsätzlich ist in der Branche ein leichtes Aufatmen zu hören – endlich bewegt sich etwas.

So freut man sich etwa bei der Baumot Group, die Nachrüstlösungen für eine Vielzahl älterer Diesel entwickelt und quasi einbaufertig im Regal hat, dass damit grundsätzlich der Weg freigemacht ist für ein Genehmigungsverfahren ihrer Anlagen. Ein Antrag auf Erteilung einer Allgemeinen Betriebserlaubnis ging dem Kraftfahrzeugbundesamt umgehend zu. Auch der Zentralverband des Kfz-Gewerbes (ZDK) bewertet das Ergebnis der Verhandlungen grundsätzlich positiv. „Es war längst überfällig, den Weg der Hardware-Nachrüstung freizumachen“, so ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. „Die privaten und gewerblichen Halter von zum Teil noch jungen und langlebigen Fahrzeugen haben nun bald die Möglichkeit, deren Wertverlust zu mindern und die individuelle Mobilität aufrechtzuerhalten.“

Allerdings hat die Geschichte einen Haken: Zunächst beschränkt sich die Förderung der Maßnahme auf 14 ausgewählte Ballungszentren, in denen die Schadstoffbelastung besonders hoch ist. Nur wer dort wohnt oder arbeitet, kann die Förderung beantragen. Der ZDK befürchtet nicht zu Unrecht eine Flickschusterei: „Was machen Dieselfahrer, die aus nicht betroffenen Regionen in die besagten 14 Städte fahren müssen und noch nicht über ein Fahrzeug mit Zufahrtsberechtigung verfügen? Und was machen die Händler außerhalb dieser Zonen mit ihren Bestandsfahrzeugen?“ Zwar könnten auch Werkstätten und Händler außerhalb der subventionierten Regionen nach Erteilung entsprechender Zulassungen ältere Diesel nachrüsten, aber ohne die Förderung müssten die Autofahrer oder Gebrauchtwagenkunden die Kosten letztlich selbst tragen. Der nach Region begrenzte Zugang zu den Förderungen dürfte demnach für erhebliche Wettbewerbsnachteile für Werkstätten und Händler außerhalb dieser Regionen sorgen und ließe darüber hinaus die überwiegende Mehrzahl der betroffenen Dieselbesitzer mit den negativen Folgen des Dieselbetrugs – Wertverlust und regionale Fahrverbote – allein.

Abgesehen davon wäre die Frage zu klären, wie Fahrberechtigungen in den betroffenen Regionen überprüft werden sollten. Zwar können über Kennzeichen und Zulassungsdaten die jeweiligen Fahrzeugdaten ermittelt werden, aber eine permanente Kontrolle des Verkehrsraums scheint technisch und personell unmöglich. Entsprechend verstummt nicht der Ruf nach einer blauen Umweltplakette, die eine Umsetzung der Maßnahmen erleichtern würde. Hier wiederum sperrt sich bislang die Politik, wohl ahnend, dass das die Benachteiligung der Besitzer älterer Diesel zementieren würde.

Aber auch ohne diese komplexe Problematik steht das gerade beschlossene Konstrukt auf tönernen Füßen, denn viele Fragen sind noch ungeklärt: Machen die Hersteller mit? Wer trägt die Umrüstungskosten des Deals? Die ersten Wortmeldungen der Hersteller lassen nichts Gutes erwarten: BMW und Opel wollen die Umrüstlösung nicht mittragen. Volkswagen und Daimler knüpfen ihre Zustimmung an Bedingungen. Ihnen allen wäre es lieber, wenn sie den gebeutelten Dieselfahrern mit zu verschmerzenden Abstrichen bei der Gewinnmarge ein paar neue Autos verkaufen könnten. Für die in Zahlung genommenen Altdiesel gibt es ja auch noch Absatzmärkte außerhalb der EU, wo sich niemand um Abgaswerte oder Fahrverbote schert.

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Die Bundesregierung will jedoch hart bleiben, auch wenn ihre Beschlüsse für die Hersteller nicht bindend sind. Das letzte Wort sei da noch nicht gesprochen, beteuert Kanzleramtschef Helge Braun. Er geht fest davon aus, dass die Hersteller noch einlenken. Ob allerdings die angestrebte Insellösung überhaupt mehr Probleme beseitigt als sie schafft, bleibt abzuwarten.

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