Direkt zum Inhalt
Marktstudie 2035 27. September 2019

Gehen bald die Lichter aus?

In einer aktuellen Marktstudie prognostizieren die Wirtschaftsberater von Deloitte für Deutschland eine Halbierung des Werkstatt- und Ersatzteilgeschäfts bis 2035.

Carsharing in der Stadt
Carsharing in der Stadt

Neue Antriebe, Shared Mobility und autonome Shuttles lassen Umsatz und Gewinne schrumpfen, sagt das wirtschaftsberatungsunternehmen Deloitte für den deutschen Markt voraus: Das Werkstatt- und das Ersatzteilgeschäft werden sich halbieren und Verkaufsplattformen im Internet verdrängen den Handel, so die düsteren Aussichtender Marktprognose für das Jahr 2035 unter dem Titel „Future of Sales and Aftersales“. Die Studie untersucht, wie sich die vier Megatrends der Branche – Konnektivität, alternative Antriebe, Carsharing und autonomes Fahren –, aber auch generelle Entwicklungen wie der demografische Wandel oder die Urbanisierung, bis 2035 auf das Geschäftsmodell der Autohersteller in Deutschland auswirken. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Hersteller im Umbruch

Zwar würden neue Mobilitätskonzepte rasant wachsen, aber nur schwer die Verluste im Fahrzeugvertrieb oder Werkstattgeschäft ausgleichen.

Wollen Autohersteller zumindest einen Teil ihrer Umsätze und Gewinne künftig retten, müssen sie sich bei Vertrieb, Handel und Service auf Vernetzung sowie neue Antriebs- und Mobilitätskonzepte einstellen, besagt die Studie.

Gravierende Auswirkungen auf den Aftermarket

Ad

Im Aftermarket, also im Ersatzteil-, Service- und Reparaturgeschäft, droht laut Deloitte in 15 Jahren ein Umsatzrückgang von 55 Prozent. Auch der Gewinn des margenträchtigen Geschäfts halbiert sich entsprechend. Der Grund liegt in alternativen Antrieben, insbesondere im Elektroantrieb, dessen Einsatz die Studienautoren in einem Basisszenario auf 40 Prozent der Neufahrzeugverkäufe schätzen. Da diese Elektrofahrzeuge weniger Wartung und Reparaturen brauchen, sinken die Umsätze in diesem Bereich für einen durchschnittlichen Fahrzeughersteller im deutschen Markt von derzeit 300 auf 48 Mio. Euro im Jahr – ein Rückgang um 84 Prozent. Gleichzeitig sinkt der Gewinn aus diesem Geschäft von 101 auf 16 Mio. Euro.

Weniger Ersatzteile

Auch das hoch profitable Ersatzteilgeschäft geht zurück – von 205 auf 84 Mio. Euro, denn Elektroautos haben weniger Verschleißteile als herkömmliche Fahrzeuge. Lediglich das Reifengeschäft profitiert von den steigenden Fahrleistungen, glauben die Autoren. „Die Automobilhersteller müssen sich jetzt darauf einstellen und ihren Vertrieb sowie das Werkstattgeschäft auf die neue Mobilität ausrichten. Sonst geht ihnen ein erheblicher Teil des Geschäfts verloren“, warnt Dr. Thomas Schiller, Partner und Leiter Automobilindustrie bei Deloitte.

Tiefgreifende Veränderungen im Autohandel

Auch im Autohandel stehen tiefgreifende Veränderungen an: Wenn sich unabhängige Mobilitätsdienstleister zwischen die Automobilhersteller und ihre Kunden drängen, sinken die Gewinne aus dem Verkauf von Fahrzeugen bis 2035 um 53 Prozent. Denn die neuen „Intermediäre“ werden mit ihrem direkten Kundenzugang laut Studie erhebliche Marktmacht innehaben.

Die Zukunft liegt im Netz

Besetzen Online-Vermittler das Privat- und Firmenkundengeschäft, gerät auch dieser Bereich unter Druck. Automobilhersteller seien daher gut beraten, eigene Online-Verkaufskanäle zu etablieren und das Direktgeschäft unter Umgehung des traditionellen Autohandels auszubauen. Dadurch könnten sie ihre Vertriebskosten senken, den Wettbewerb zwischen den eigenen Händlern vermeiden und so die Gewinnmarge im Vertrieb steigern. „Trotz des Umsatzrückgangs von 16 Prozent bleibt der Fahrzeugverkauf ein attraktives Geschäft, wenn die Autohersteller ihr Vertriebsnetz radikal umbauen“, meint Schiller. So empfiehlt Deloitte, Neuwagen in attraktiven Innenstadtlagen zu präsentieren und am Stadtrand Testfahrt- und Service-Zentren aufzubauen.

Neuwagenabsatz sinkt kontinuierlich

Die Zahl der verkauften Neuwagen sinkt im kommenden Jahrzehnt kontinuierlich. „Dafür sind gleich mehrere Gründe verantwortlich“, so Schiller. „Dazu gehören beispielsweise neben einer alternden Gesellschaft eben auch Mobilitätsangebote wie Carsharing. In urbanen Großräumen wird es attraktive Alternativen zum eigenen Auto wie autonome Shuttle-Dienste und Roboter-Taxis geben.“

Flottengeschäft wächst

Ein Wachstumsbereich sind Finanzdienstleistungen: 2035 werden mehr als die Hälfte aller Neuwagen an Firmen und Flotten verkauft, derzeit sind es 37 Prozent. Damit wächst das Leasing- und Kreditgeschäft um 31 Prozent auf 1,3 Mrd. Euro. Weitere Chancen ergeben sich nach Ansicht der Berater von Deloitte für die Autohersteller, wenn es ihnen gelingt, Mobilität als Service zu verkaufen. Dazu Thomas Schiller: „Aus Autoherstellern müssen Mobilitätsdienstleister werden, die ihren Kunden ein Fahrzeug oder einen Shuttle-Service genau dann anbieten, wenn diese mobil sein wollen.“ Allerdings würden die Hersteller um dieses Geschäft kämpfen müssen, denn auch neue Player wie Uber, Waymo oder die klassischen Nahverkehrsunternehmen drängten in den Markt, der für einen durchschnittlichen Autohersteller ein Volumen von 4,8 Mrd. Euro haben werde. Derzeit seien es noch 600 Mio. Euro.

Neue Geschäftsmodelle nötig

„Unsere Studie zeigt, dass die Automobilhersteller in den nächsten 15 Jahren durch herausfordernde Zeiten gehen“, sagt Thomas Schiller. „Ohne tiefgreifenden Wandel werden sie es kaum schaffen, 2035 noch profitabel zu sein.“ Die Deloitte-Studie kommt zu dem Schluss: Selbst wenn die Unternehmen die richtigen Themen jetzt adressieren, wird es nicht einfach, den Rückgang des traditionellen Autogeschäfts durch neue Geschäftsmodelle zu kompensieren.

Passend zu diesem Artikel