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Messejahr 2020 14. Februar 2020

Covid-19: Ansteckende Verunsicherung

Sprunghaft ansteigende Infektionszahlen aus China, Epidemie-Angst, das Fehlen eines Impfstoffs – die Verunsicherung durch den Coronavirus führt zu ersten Messe-Absagen.

Die Absage des Mobile World Congress (MWC) in Barcelona war der erste laute Warnschuss für das beginnende Messejahr 2020: Obwohl es in Barcelona keine nachgewiesene Infektion am Coronavirus gibt, bewog die Messeveranstalter neben den Absagen etlicher Aussteller auch die Gefahr, den Virus quasi mit Tausenden von Besuchern zu importieren und zu verbreiten, zu der Absage eines Events, das der spanischen Metropole jedes Jahr geschätzt eine halbe Milliarde Euro Einnahmen beschert.

Auch für die Mobilitätsbranche, die alljährlich auf dem MWC ihre Forschungen, Konzepte und Neuheiten für die Mobilität von heute und morgen vorstellt, bedeutet die Absage einen Rückschlag.

Ansteckende Verunsicherung

In Deutschland hat Covid-19, wie der spezielle Coronavirus genauer bezeichnet wird, bislang 16 erkannte Infektionen verursacht, dem Vernehmen nach alle im Zusammenhang mit dem süddeutschen Zulieferer Webasto, der einige Standorte in China unterhält und eine infizierte chinesische Mitarbeiterin zu Gast hatte (Webasto macht wieder auf). Man kann wohl von sehr großem Glück sprechen, dass diese Mitarbeiterin auf ihrer weiten Reise nicht versehentlich noch viele weitere Menschen ansteckte.

Genau vor dieser Gefahr, dass nämlich Covid-19-Infizierte während ihrer Inkubationszeit, in der die Symptome der Erkrankung noch nicht auffällig sind, weitere Menschen anstecken, denen sie auf engem Raum begegnen, wächst die Sorge sowohl bei Messeveranstaltern, als auch bei Messeteilnehmern.

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Regional statt international

Während man das Risiko bei hauptsächlich regionalen Hausmessen wie etwa den Stahlgruber-Leistungsschauen (Termine) noch als vernachlässigbar bewerten darf, scheinen international ausgerichtete Messen weitaus gefährdeter – und offenbar auch gefährlicher. So hat aktuell der Werkzeughersteller Gedore seine Teilnahme an der am 1. März beginnenden Internationalen Eisenwarenmesse in Köln, zu der auch rund 1.200 Aussteller aus China erwartet werden, abgesagt.

In einem ausführlichen Presse-Statement argumentiert der Hersteller unter anderem: „Seit dem Ausbruch von Covid-19 beobachten wir diese Entwicklung und stehen sowohl mit der koelnmesse, als auch mit dem Robert-Koch-Institut und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Kontakt. Da die Faktenlage höchst unklar ist, gibt es weder Erfahrungswerte noch Handlungsempfehlungen. Auch die zur Verfügung stehenden Daten machen eine Einschätzung schwer. (…) Es geht nach unserer Einschätzung nicht mehr nur um die rein sachliche Lage, sondern vielmehr um die Wahrnehmung der Menschen. Daran orientieren wir uns. (…) Als einer der größten Aussteller auf der Eisenwarenmesse hat Gedore … jeden Tag Tausende von Besuchern auf seinem Stand. Da …, kann Gedore die Gesundheit und Sicherheit seiner Mitarbeiter und Besucher bei einer Teilnahme nicht garantieren.“

Subjektive Gefahr

Die Argumentation bringt das Hauptproblem auf den Punkt: Da niemand über das Infektionsrisiko etwas Genaues weiß, weiß auch niemand, wie damit verantwortungsvoll umzugehen ist. Die Gefahr einer überzogenen Panikreaktion ist möglicherweise größer als die einer Infektion – aber möglicherweise auch nicht. Das subjektive Empfinden einer Gefahr spielt darum eine nicht unerhebliche Rolle, weshalb etwa Webasto entschieden hat, zum „StartUp Autobahn Expo Day“, einer Startup-Projekt-Messe in Stuttgart im Juli 2020, keine eigenen Mitarbeiter zu schicken, obwohl man an diversen Startup-Projekten aktiv beteiligt ist:

„Aufgrund der aktuell aufgetretenen Coronavirus-Fälle bei Webasto sind keine Mitarbeiter auf dem Expo Day vertreten“, heißt es in einer aktuellen Pressemeldung, und Matthias Arleth, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, erklärt das so: „Ich verstehe, dass die Menschen verunsichert sind, und möchte daher betonen, dass wir auch weiterhin umsichtig und verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen.“ Man möchte eine Stigmatisierung der eigenen Mitarbeiter vermeiden.

Abgesehen von der subjektiven Verunsicherung kann Covid-19 sehr substanzielle Beeinträchtigungen der Geschäftslage nach sich ziehen, denn die erheblichen Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft mit teilweisem Produktionsstillstand in der Automobilindustrie und ihren Zulieferbetrieben wird über kurz oder lang auch im Aftermarket ankommen – nicht nur über den Ausfall wichtiger Messen. Die Teilnahme chinesischer Aussteller ist überdies durch massive Ausreisebeschränkungen gefährdet. So oder so droht aber auf den Messen dieses Jahres eine Stigmatisierung asiatischer Aussteller und Besucher.

Keine Panik!

Aber vielleicht gelingt es ja, die Messebesucher mit einem Sicherheitsversprechen von ihrer Sorge zu befreien? So versichert etwa das Land Taiwan den Besuchern der Mobilitätsmesse Taiwan Ampa im April 2020, dass sie bei ihrer Reise vom Flughafen ins Hotel, zur Messe und zurück jederzeit sicher seien – und komme es doch zu dem unwahrscheinlichen Fall einer Infektion, könnten sie sich auf das Gesundheitssystem Taiwans verlassen, das als eines der besten der Welt gelte. Wer bei der Ankunft Symptome wie Fieber oder Husten bemerke, müsse sich zwingend bei einem Quarantäne-Offizier am Flughafen melden, andernfalls drohen empfindliche Strafen.

Insofern dürfen wir uns ebenfalls freuen, dass unser Gesundheitssystem auch nicht das schlechteste ist. Nach dem Health Care Index von 2019 liegt Taiwan tatsächlich auf Platz 1 in der Welt, Deutschland immerhin auf Platz 17.

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