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Foto: ATP Autoteile

ATP Autoteile

Wieder auf Kurs

Nikolaus Röver, CEO der ATP Autoteile GmbH und Chief Development Officer bei der Swiss Automotive Group AG, spricht im amz-Interview über die Ursachen der damaligen Krise, die Restrukturierungsmaßnahmen und die Vorteile, jetzt zu einer großen Handelsgruppe zu gehören. 

Nach der Insolvenz und der Übernahme durch die Swiss Automotive Group (SAG) im Mai 2020 geht es für den Online-Teilehändler ATP wieder bergauf. Die Umsätze steigen, das Ergebnis ist wieder positiv, neues Personal soll eingestellt werden.   

Herr Röver, erklären Sie uns bitte, warum ATP in die Schieflage geraten ist.

Die gescheiterte Einführung eines neuer Softwaresysteme hat das Unternehmen in die Krise geführt. Es ist kein Geheimnis, dass das gesamte Projekt damals furchtbar gecrasht ist. Wenn man 60.000 Artikel auf Lager hat und weitere 1,2 Millionen Artikel anbieten könnte, diese aber aus technischen Gründen nicht sauber im Webshop und auf Ebay gelistet werden, hat man als Online-Teilehändler ein echtes Problem. Aber genau das ist passiert.

Wie hat sich das in Zahlen ausgewirkt?

Der Umsatz des Unternehmens lag in guten Zeiten bei bis zu 126 Mio. Euro – bei entsprechender Profitabilität. Die Probleme bei der Einführung des neuen IT-Systems ab März 2018 sorgten dafür, dass sich der Umsatz in den zwei bis drei kritischen Monaten halbiert hat. Von 10 Mio. Euro im Monat ging es runter auf 5 Mio. Euro. Dazu kamen erhebliche Probleme in der Logistik. Kunden haben die falschen Teile bekommen oder manche Teile gleich dreimal. Auf Grund der IT-Probleme wurden viele Rechnungen nicht korrekt ausgestellt. Es kam eines zum anderen.

Waren die technischen Probleme nicht zu lösen?

Man hat natürlich gegengesteuert und die Dinge dann auch einigermaßen in den Griff bekommen. Vor allem die Lieferfähigkeit und -zuverlässigkeit waren im Herbst 2018 wieder gegeben. Aber die finanziellen Probleme, die sich aufgetürmt hatten, waren sehr groß.

Sie kamen im Frühjahr 2019 zu ATP – in welcher Verfassung haben Sie das Unternehmen vorgefunden?   

Die technischen Probleme mit der IT waren weitgehend behoben. Außerdem gab es eine Sanierungsplanung für das Unternehmen, aber die Ergebnisse waren nicht auf dem notwenigen Niveau. Dazu kam, dass ATP viel Geld in ein vollautomatisiertes Hochregallager investiert hatte. Wir reden von rund 30 bis 40 Mio. Euro für Gebäude, Einrichtung und Software – überwiegend kreditfinanziert. Es gab also eine hohe Finanzierungslast, die vom Unternehmen getragen werden musste. Das ging irgendwann nicht mehr. 

Was haben Sie dann getan?

Wir haben daraufhin mit verschiedenen Interessenten aus der Teilehandelsbranche über einen Einstieg verhandelt. Es zeichnete sich schnell ab, dass die SAG auf Grund der Größe und der Struktur der richtige Partner für ATP ist. Im Dezember 2019 war der Einstieg eigentlich in allen Details ausverhandelt. Die SAG wollte einen Minderheitsanteil kaufen. Auch die Banken wollten einen Sanierungsbeitrag leisten. Aus Gründen, die man hier nicht weiter erläutern kann, ist das Geschäft dann aber gescheitert. Daraufhin musste der Insolvenzantrag gestellt werden.

Wie ging es dann weiter?

Es wurde ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben. Diesmal ging es um den Verkauf von ATP. Das Ergebnis war genau das gleiche wie beim ersten Anlauf – die SAG machte das beste Angebot. Am 8. Mai wurde der Kaufvertrag unterschrieben. ATP gehört jetzt zu 100 Prozent zur Swiss Automotive Group.

Was waren die Gründe für das offensichtlich besonders große Interesse der SAG?

ATP bedeutet in zweierlei Hinsicht eine sinnvolle Ergänzung. Die SAG ist in der Schweiz sehr etabliert im stationären Handel, war aber auf dem deutschen Markt nicht wirklich präsent. Mit dem Kauf von ATP hat man den ersten richtigen Schritt nach Deutschland gemacht. Der Hauptgrund war aber sicherlich die Zielsetzung, das Online-Geschäft auszubauen. Es ging der SAG im Wesentlichen darum, Kompetenzen im E-Commerce einzukaufen. Aber natürlich ist es immer ein Risiko, ein Unternehmen zu kaufen, das in Schwierigkeiten steckt. Man weiß nie, wie schnell und wie gut der Turnaround klappt und welche Summen man investieren muss.

Nach dem Kauf folgte die Phase der Restrukturierung. Mit welchen Maßnahmen haben Sie ATP wieder auf die Beine gestellt? 

Zunächst einmal ließ es sich nicht vermeiden, Personal abzubauen. ATP hatte vor der Insolvenz etwa 400 Mitarbeiter. Davon rund 350 in Deutschland sowie 50  Mitarbeiter in einem Callcenter im Ausland. Von den 350 Beschäftigten in Deutschland mussten wir zum 1. Juni 2020 etwa 100 Stellen abbauen.

In welchen Bereichen wurde das Personal abgebaut?

Dieser Frage lag unser Ansatz zu Grunde, nur noch Umsatz mit einem positivem Deckungsbeitrag zu machen. Das bedeutet auch, manches Geschäft nicht zu machen. Deshalb mussten wir beim Personalabbau in den Bereichen ansetzen, die direkt an den Umsatz gekoppelt sind. In erster Linie reden wir von der Logistik, in der rund die Hälfte der Mitarbeiter tätig ist. Ein weiterer Bereich war das Call Center. Darüber hinaus haben wir das Auslandsgeschäft reduziert. Es gab bei ATP einen ausländischen Vertrieb mit fremdsprachigen Mitarbeitern. Das ist natürlich vom Grundsatz her positiv, aber wir wollen uns erst einmal auf den Markt konzentrieren, in dem wir stark sind – also Deutschland und Österreich. Ein weiter Fokus bleibt natürlich auf dem Geschäft bei Ebay, wo wir die Nummer eins sind. Diese Position hatten wir in der Krise zwischenzeitlich verloren, aber seit einigen Monaten wieder zurückerobert.

Im vergangenen Dezember haben Sie vermeldet, dass Sie den Personalbestand bereits wieder aufgestockt haben…. 

Richtig. Der kritische Punkt bei der Übernahme war das IT-System, welches auf die neue Firma ATP Autoteile GmbH übertragen werden musste. Als wir das im Juni letzten Jahres abgeschlossen hatten, die Warenvorräte wieder aufgefüllt waren und die Umsätze wieder anzogen, konnten wir auch wieder Personal einstellen. Das betraf zu Anfang vor allem die Logistik. Von 30 neuen Mitarbeitern entfallen allein 20 auf diesen Bereich. Zum Teil sind es übrigens dieselben Leute, die wir vorher entlassen mussten. In den kommenden Monaten haben wir weitere Stellen zu besetzen. Eingestellt wird in allen Unternehmensbereichen von der Webshop-Entwicklung, über kaufmännische Fachkräfte bis hin zur Logistik.

Ein kritischer Punkt war auch die Lieferfähigkeit. Haben Sie das Thema wieder im Griff?

Ja, wir dafür haben wir viel getan. Unser Indikator ist die Out-of-Stock-Quote – also der Anteil der Kundenanfragen nach Ersatzteilen, die wir nicht liefern können. Als wir gestartet sind, lag dieser Wert bei über 40 Prozent. Das war völlig inakzeptabel. Mittlerweile haben wir eine Quote von unter 10 Prozent. Lieferschwierigkeiten gab es insbesondere bei unseren Eigenmarken und den Lieferanten aus Fernost. Auf Grund der längeren Lieferzyklen muss man bei diesen Teilen besonders gut planen, was jetzt wieder einwandfrei klappt.

Inwiefern gehörte eine Überarbeitung des Sortiments zur Restrukturierung?

Wir haben das Sortiment wieder hochgefahren und sind viel lieferfähiger als zum Zeitpunkt der Übernahme. Das gilt vor allem für die häufig nachgefragten Produkte. Durch die Zugehörigkeit zu SAG haben wir jetzt Lieferanten im Programm, für die wir vorher zu klein waren. Dazu kommt, dass es innerhalb der SAG weitere Marken im Sortiment gibt, welche ATP vorher nicht hatte. Das Sortiment ist daher breiter geworden.

Die größten Vorteile einer großen Handelsgruppe liegen sicherlich im Einkauf. Inwiefern profitiert ATP jetzt von der Zugehörigkeit zur SAG?

Der Einkauf ist natürlich einer der entscheidenden Punkte, warum es uns jetzt wieder besser geht. Wir haben es relativ schnell, sprich in drei bis vier Monaten geschafft, erhebliche Synergien in diesem Bereich zu heben. Mit einem Umsatz von über 1,2 Mrd. Schweizer Franken ist die SAG ein wichtiger Player am Markt. Und es macht im Einkauf einen großen Unterschied, ob man ein Volumen von 70 Mio. oder 700 Mio. Euro hat. Deutliche Vorteile bietet auch die Mitgliedschaft im Einkaufsverbund der ATR. 

Geht die Zusammenarbeit innerhalb der SAG-Gruppe soweit, dass der Einkauf zentralisiert organisiert wird?

Nein, die SAG ist kein vollintegrierter Konzern, in dem alle möglichen Aufgaben zentral bearbeitet werden. Wir folgen eher dem Holdinggedanken und haben starke Tochtergesellschaften mit allen Funktionen. Die Töchter haben daher einen recht großen Spielraum für ihr jeweiliges Geschäft. Das ist notwendig, weil sich die lokalen Märkte durchaus unterscheiden. Aber selbstverständlich arbeiten wir im Einkauf mit den Kollegen innerhalb der Gruppe zusammen. Dazu gehört das Benchmarking bestimmter Teile. Das ist gerade für uns wichtig, weil das E-Commerce-Geschäft naturgemäß preissensibel ist. Bei den Vergleichen hat sich übrigens herausgestellt, dass die ATP im Einkauf gut aufgestellt ist. Manche Teile bestellen die Kollegen aus der SAG-Welt über uns. Das geht also durchaus in beide Richtungen.

Die Wettbewerbssituation im e-Commerce ist härter geworden. Wie können Sie sich Sie sich von den Wettbewerbern absetzen?

Der Preis ist natürlich wichtig. Aber die Kunden erwarten auch eine hohe Liefertreue. Wenn wir sagen, das Teil wird morgen geliefert, dann muss es auch morgen geliefert werden. Da kann es vielleicht mal eine Ausnahme geben, aber vom Grundsatz her muss das klappen. Dazu kommt das Produktsortiment und die Qualität: Wir bieten unseren Kunden eines der breitesten Sortimente an Teilen, so dass man bei uns fast immer fündig wird, wenn man ein spezielles Teil sucht. Dabei bieten wir sowohl die Markenteile der bekannten Hersteller an als auch günstige Teile unserer Eigenmarke Atec. Durch über Jahre aufgebaute Lieferantenbeziehungen und Erfahrungen bieten wir unseren Kunden hier eine gute und verlässliche Qualität und konnten viele Stammkunden aufbauen, die wegen dieser Teile zu uns kommen. Nicht zu vergessen ist das Retourenmanagement. Bei uns sind Retouren kostenfrei. Wenn die Teile nicht passen oder Kunde etwas Falsches bestellt hat, kann er das Teil kostenlos zurücksenden. Wir gehören sicherlich zu den letzten der Branche, die das noch so machen. Auch die individuelle Betreuung über unser Call-Center ist eine Besonderheit. Es geht also nicht alles über den Preis.

Welche Umsatz- und Ertragsziele haben Sie sich für das neue Jahr vorgenommen?

Da sind wir zurückhaltend und geben nichts raus. Die Zahlen sind aber recht konservativ kalkuliert. Ich komme aus der Restrukturierungsbranche – von daher bin ich bei solchen Dingen von Berufs wegen recht vorsichtig.

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