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Motor und Antrieb 3. April 2023

Riss im Krümmer führt zu kapitalem Motorschaden

Die Ein-Liter-Dreizylinder der Ecoboost-Baureihe von Ford sind sparsam und bei den Kunden beliebt: Seit Serienstart wurden mehr als zwei Millionen Aggregate gebaut. Doch bei unsachgemäßer Fahrweise drohen dem Downsizing-Motor Risse im Krümmer.

Der in den Zylinderkopf integrierte Abgaskrümmer des EcoBoost-Motors ist rissgefährdet. Der GMI-Fachbetrieb biete Abhilfe. 
Der in den Zylinderkopf integrierte Abgaskrümmer des EcoBoost-Motors ist rissgefährdet. Der GMI-Fachbetrieb biete Abhilfe. 

Mit den quirligen Dreizylindern gelang Ford 2009 ein großer Wurf: Das Aggregat war eine komplette Neuentwicklung, die die bisherigen Zetec-Vierzylindermotoren, insbesondere die 1,25-Liter- und 1,4-Liter-Varianten, ablösen sollte. Ziel war es, Kraftstoffverbrauch und Emissionen signifikant zu senken – dafür wurde das Motordesign besonders auf Effizienz getrimmt und die innermotorische Reibung an vielen Stellen gesenkt – am deutlichsten durch die Reduktion auf drei Zylinder an Stelle von vieren.

Rumpfmotor und Kurbeltrieb

Obwohl die Konkurrenten in diesem Segment auf Aluminiumblöcke setzten, entschied man sich bei Ford für einen klassischen Block aus Grauguss, der sich auch nach 14 Jahren im Markt als sehr robust und standfest erwiesen hat. Da Dreizylinder naturgemäß unrund laufen und starke Massenkräfte erster Ordnung aufweisen, setzten viele Hersteller Ausgleichswellen ein, um die Unruhe und Vibrationen im Zaum zu halten. Ford entschied sich – vermutlich auch aus Kostengründen – dagegen und entwickelte ein Schwungrad mit gezielter Unwucht, um die Massenmomente teilweise auszugleichen. Die vierfach gelagerte Kurbelwelle, Hauptlager und Kolben wurden mit einer Beschichtung versehen, um die Reibung im Kurbeltrieb so weit wie möglich zu reduzieren.

Der Zylinderkopf

Der Kopf mit integrierte Abgaskrümmer ist Hightech pur.
Der Kopf mit integrierte Abgaskrümmer ist Hightech pur.
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Beim Aluminiumzylinderkopf zogen die Ingenieure alle Register: Der Motor besitzt einen in den Kopf integrierten, wassergekühlten Krümmer und verfügt daher über einen separaten Kühlkreislauf. So kommt der Motor einerseits schneller auf Betriebstemperatur, andererseits lässt sich so die Abgastemperatur deutlich reduzieren, was für Emissionen und den direkt an den Kopf angeflanschten Turbolader förderlich ist. Die im Kopf laufenden Nockenwellen werden mittels eines unter Öl laufenden Zahnriemens angetrieben, die Auslasswelle treibt gleichzeitig auch die Benzin-Hochdruckpumpe an. Doch gerade der in den Kopf integrierte Krümmer sollte diesem Motor regelmäßig zum Verhängnis werden.

Der Schaden

„Wir sehen gehäufte Schäden im Bereits des integrierten Krümmers“ so Joachim Meyer, Inhaber der Meyer Motoren, Mitgliedsunternehmen der Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe e.V. (GMI). „Die Köpfe reißen allesamt an der Oberseite, etwa sieben Millimeter hinter dem Flansch des Turboladers. Anfangs dachten wir an Einzelfälle, mittlerweile zeigt die Erfahrung, dass es sich hier um ein häufiges Problem bei dem Motor handelt – beziehungsweise bei den defekten Motoren, die uns in der Instandsetzung erreichen.“

Um diesen Schaden zu verstehen, muss man noch einen Schritt zurückgehen: Der Abgaskrümmer ist in den Zylinderkopf integriert und von einem Wassermantel umgeben. Nur so lässt sich das Leichtmetall vor den hohen Abgastemperaturen und einem Schmelzen schützen. Richtig ausgelegt lässt sich damit aber zusätzlich, wie in diesem Fall, auch die Abgastemperatur stark absenken.

Die Nähe des Turboladers – er wird direkt an den Aluminiumkopf angeflanscht – ist dabei Freud und Leid zugleich:  Der Lader spricht so sehr schnell an, da der Weg zwischen Auslassventilen und Lader sehr kurz ist, nach dem Abstellen des Motors wird die Nähe aber zum Problem. Denn die gusseiserne Turbinenseite des Laders kann viel Energie speichern, das Benziner-Abgas ist mit 600 bis 800 Grad sehr heiß. Viel Wärme also, die über den Kopf abgeführt werden muss. Solange der Motor läuft und der Kopf mit frischem Kühlwasser und Fahrtwind versorgt wird, ist dies kein Problem. Wird der Motor jedoch direkt nach einer schnellen Autobahnetappe Spur auf dem Rastplatz abgestellt, droht der Hitzekollaps: Der Lader gibt den Großteil seiner Wärme an den Kopf ab, dessen Kühlwasser nun aber stillsteht und bald am Flansch zu kochen beginnt. Zudem sorgt der größere Wärmeausdehnungskoeffizient des Leichtmetalls für starke Spannungen zwischen kaltem und warmem Zustand. Die Folge: An der dünnsten Stelle beginnen die Köpfe zu reißen, dauerhaft ist Aluminium der Belastung nicht gewachsen.

Von Wasserverbrauch bis Pleuelabriss

Ein solcher Riss entsteht natürlich nicht von jetzt auf gleich, sondern entwickelt sich durch anhaltend hohe Belastungen. Wer den Motor kräftig „tritt“ und regelmäßig an der Volllastgrenze fährt, geht ein höheres Risiko ein, als ein bewusster Fahrer, der einen solchen Motor erst „kalt fährt“ bevor er abgestellt wird. Sobald der Riss den Kühlwasserkanal erreicht, dringt Kühlwasser in den Krümmer ein und verdampft dort sofort. Viele Fahrer nehmen den aufkommenden Schaden mit großer Dampfentwicklung während der Fahrt und den großen Wasserverbrauch wahr. Wenn eines dieser Symptome auftritt – und sei es auch nur ein kleiner Wasserverbrauch, dann rät der Motorenexperte Joachim Meyer dazu, sofort den Kühlkreislauf abdrücken zu lassen, bevor der Schaden größer wird und den gesamten Motor zerstört.

„Bis zum Pleuelabriss ist alles drin. Wenn der Motor unter Volllast weiter läuft, drückt er das Kühlwasser in rasantem Tempo im wahrsten Sinne des Wortes zum Auspuff raus – der Kühlkreislauf steht ja unter Druck. Die Folge ist fehlende Kühlung der Zylinder, das verträgt solch ein moderner open-deck-Motorblock nur wenige Sekunden. Die Kolben dehnen sich dann stark raus und fressen in der Zylinderlaufbahn fest, die Pleuelstange reißt ab und der Motor ist ein Totalschaden.“

OP am Zylinderkopf

Das Hauptaugenmerk der Motoreninstandsetzung liegt in diesem Fall logischerweise auf dem Zylinderkopf. Die betroffenen Zylinderköpfe werden an der geschwächten oder bereits beschädigten Stelle instandgesetzt und wandern auf die Fräse. Dort wird die Wandung im Bereich des Kühlkanals aufgefräst. Anschließend werden die Köpfe in einem aufwendigen, mehrstufigen Schweißverfahren wieder verschlossen.

Nach dem gezielten Abkühlen kommen die geschweißten Köpfe wieder auf die Fräse, um die Naht im Hosenrohr zu glätten und im nächsten Schritt den Flansch des Krümmers wieder planzufräsen. Meyer: „Wir haben viel experimentiert, um ein haltbares Verfahren zu entwickeln. Die Köpfe, die wir instandgesetzt haben, reißen nicht noch einmal.“ Bevor die Köpfe die nach dem Standard RAL-GZ 797 übliche Instandsetzung (Planfräsen, Ventilsitze kontrollieren und ggf. nachsetzen) durchlaufen, werden sie abgedrückt und mehrfach gespült, um keine Späne zu hinterlassen.

Rumpfbehandlung

Die Instandsetzung des Rumpfmotors ist hingegen recht „klassisch“. Die Zylinder werden auf das nächste Übermaß aufgebohrt. In sehr seltenen Fällen, die bereits einen kapitalen Motorschaden erlitten hatten, kann der GMI-Fachbetrieb Meyer Motoren auch die betroffenen Zylinder neu ausbuchsen. Sind Block und Kurbelwelle wieder maßhaltig, kann der Rumpfmotor mit geprüften Pleueln und neuen Kolben wieder montiert werden.

Schwierige Montage

Kommen Zylinderkopf und Rumpf in der Endmontagelinie zusammen, warten neue Herausforderungen auf die Mechaniker: Die bereits vormontierten Köpfe mit Nockenwellen, die für die Einstellung der Ventile vorab eingesetzt wurden, müssen wieder demontiert werden, da deren Anordnung den Zugang zu vier Zylinderkopfschrauben verwehrt. Die übrige Montage ist relativ unspektakulär – wären da nicht die Zahnriemenscheiben, die nur mittels Reibung in ihrer Position fixiert werden. Neben den passenden Absteckwerkzeugen für Kurbel- und Nockenwellen braucht es dafür viel Kraft.

Während der Voranzug mit 60 Newtonmetern Routine ist, hat es der Nachzug in sich: Satte fünf Mal ist die Schraube um 90 Grad zu drehen, also weitere eineinviertel Umdrehung, nachdem sie bereits „aufgesetzt“ ist – das erfordert Kraft. Damit der Mitarbeiter in der Montage dies überhaupt leisten kann, setzt man bei Meyer Motoren auf einen Drehmomentverstärker. Gleichzeitig muss die Kurbelwelle zwingend abgestützt werden, einer solchen Kraft ist das Absteckwerkzeug nicht gewachsen. Sind die Riemenräder nun montiert, kann der unter Öl laufende Zahnriemen aufgesetzt werden, anschließend wird der Motor mit Steuergehäuse und Nebenaggregaten komplettiert.

Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe e.V.

In der gemeinsamen Beitragsserie von amz und GMI kommen die Motorexperten der Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe e.V. (GMI) zu Wort. Die GMI-Fachleute berichten von typischen Schadensfällen, zeigen an konkreten Motoren Reparaturlösungen auf und geben Tipps für die nachhaltige Instandsetzung. Die GMI-Mitgliedsunternehmen stehen für eine qualitätsorientierte Motorenaufbereitung. Sie erfüllen freiwillig einen Katalog von strikten Qualitätskriterien und verpflichten sich dazu, sie regelmäßig zu überwachen und zu dokumentieren. Für ihre Produkte und Dienstleistungen dürfen sie das RAL Gütezeichen Motoreninstandsetzung (Standard RAL GZ-797) nutzen. www.gmi-ev.de

Im konkreten Fall waren wir bei der Firma Werner Meyer Motoreninstandsetzungen (Meyer Motoren) in Bleckede, Niedersachsen, zu Besuch. Sie erreichen das Unternehmen unter 05852 - 9500 oder per Mail an: info@MeyerMotoren.de.

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