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28. Januar 2021

Reraffinate: Neue Schmierstoffe aus Altöl

Was in der Werkstatt ein Problemstoff ist, ist für andere der Rohstoff für neue Produkte. Bei Avista im niedersächsischen Uetze stellt man neue Schmierstoffe aus Altöl her.
Neues Motoröl aus Altöl – das Geschäftsmodell der Niedersachen ist Nachhaltigkeit pur
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Alles beginnt mit der Anlieferung des „schwarzen Golds“
Alles beginnt mit der Anlieferung des „schwarzen Golds“

Altöl gehört zum Werkstattalltag wie der 13er Schlüssel. Zwar beschert das Schmierstoffgeschäft den meisten Werkstätten gute Umsätze, was aber später mit dem Altöl passiert, interessiert kaum. In der Regel ist man froh, wenn der Pumpwagen da war und den Tank oder Container geleert hat. Wir sind dem Weg des Altöls gefolgt und haben bei Avista einen Blick in die Aufbereitung geworfen.

 Am Werksgelände warten die Tanklaster auf Einlass, der Geruch von warmen Öl liegt in der Luft . Direkt nach dem Passieren der Pforte geht es zur Annahmestelle, wo zunächst eine Probe aus dem Tankzug entnommen wird – kaum vorstellbar, wie aus der der schwarzen Brühe, in der sich allmählich auch eine Wassersicht ausbildet, wieder neues Motorenöl werden soll.

Sieben, vorwärmen, filtrieren

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Doch bevor das Altöl in die eigentlichen Anlagen kommt, muss es von gröbsten Verschmutzungen befreit werden. Schon während des Abpumpens der Tankzüge sorgen grobe Siebe dafür, das Ablassschrauben, Putzlappen oder Tierkadaver nicht ihren Weg in die Anlagen finden und gar Pumpen oder Ventile zerstören. Anschließend wir das Altöl auf etwas über 30 Grad vorgewärmt, um Ablagerungen zu verhindern und die Fließfähigkeit zu erhöhen. Wohl temperiert geht es durch Rüttelsiebe und Feinfilter, die die allermeisten Fremdkörper abscheiden. „Dabei ist der Anteil des Ölschlamm schon ein Qualitätskriterium für uns“ erklärt Josef Meyer, Betriebsingenieur in der Raffiniere in Uetze.

Erste Raffination

Nun gelangt das schwarze Gold in die erste Raffinationskolonne. Hier werden Leichtsieder, also Kraftstoffrückstande und Wasser, abgeschieden – zurück bleibt das so genannte „Trockenöl“, dessen Name auf den entfernten Wasseranteil zurückgeht.

Flash-Destillation

Der zweite Raffinationsprozess ist die Flash-Destillation. Das im vorherigen Schritt gewonnene Trockenöl wird im Vakuum auf bis zu 300 Grad erhitzt und setzt sich so in seine Bestandteile der verschiedenen Dichten ab.

Lösemittelextraktion

Nach der Flashdestillation kommt das Altöl in den letzten Verarbeitungsschritt, das höchste Bauwerk auf dem Gelände. In dem 25 Meter hohen Turm wird permanent unten neues „Flashdestillat“ zugeführt, während man von oben Lösungsmittel im Gegenstrom einspeist. Das genaue Verfahren hört auf den Namen „Erweiterte Selektiv Raffination“ – kurz ESR – das Verfahren ist patentiert und wurde durch das Land gefördert.

Durch die Prozesswärme – diese liegt hier bei „milden“ 170 Grad – und das flüssige Lösemittel, trennen sich die leichten Bestandteile von den schweren. Auch der allerletzte übrig gebliebene metallische Abrieb, wie er in Motoren und Getrieben entsteht und der zu fein für die Siebanlagen war, wird in der Destillation abgeschieden. Da diese Rückstände schwerer sind als das Öl und dessen Bestandteile, sammeln sich die Ablagerungen am Boden der Kolonne und werden als „Extrakt“ abgeschieden. Nun liegen die neuen Grundöle KS 100, KS 130, KS 150 und KS 200, die sich hauptsächlich in ihrer Viskosität unterscheiden, in sortenreiner Form vor und können zu neuen Schmierstoffen verarbeitet werden.

Insgesamt können 50-60% des Altöls wieder zu neuen Grundölen verarbeitet werden. Aber auch der Rest ist kein Abfall, sondern Produkte für andere Industrien und Branchen. So werden die Leichtsieder, also die Kraftstoffrückstände und Gase als Brennstoffe an Zementwerke verkauft oder zur internen Befeuerung verwendet, während die Bodensätze, deren Konsistenz an Teer erinnert, im Dachbahnenbau zum Einsatz kommen. Filterrückstände und Abscheidungen, die nicht weiter verwendet werden können, liegen bei unter einem Prozent Anteil an der Gesamtmasse. Das Wasser, welches aus dem Altöl abgeschieden wird, wird in der hauseigenen Kläranlage soweit aufbereitet, bis es dem normalen Abwassernetz zugeführt werden kann. Die Kläranalage besitzt ein Äquivalent einer 50.000 Einwohner-Stadt Kläranlange.

Aufadditivieren und Abfüllen

Doch Grundöl alleine macht noch kein fertiges Schmieröl. Rund 30-35% von einem Motorenöl sind Additive, die dem Grundöl beigesetzt werden. Diese Additive enthalte zum einen Viskositäts- und Stabilitätsverbesserer, aber auch Fress-Schutz in Form von „EP“- Zusätzen (Extreme Pressure, hoher Druck). Da man neben Motorenöle der verschiedensten Viskositäten und Anforderungen (Nutzfahrzeug-, Baumaschinen- Pkw-Motorenöle) auch weitere Schmierstoffe wie Getriebe- und Hydrauliköle herstellt , verwenden die Niedersachsen eine „Inline-Blend-Anlage“, also ein Mischwerk, dass keine großen Tanks besitzt, sondern die benötigten Additive und Mischverhältnisse direkt in die Rohrleitungen der Abfüllanlagen beimischt – das macht die Anlage deutlich flexibler. Abgefüllt wird von der 1-Liter-Dose über gängige Fassgrößen mit 60l oder 198l bis hin zu IBC-Containern oder „loser Ware“, die direkt in einen Tanklaster gepumpt wird.

Egal ob Tankzug, IBC Container, Fassware oder 1L- Kanister – die Niedersachen verkaufen alle Gebindeformen
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Endloser Kreislauf möglich

Wenn die neue Ware das Werk verlassen hat, könnte sie schon bald wieder als Altöl wieder auf dem Betriebsgelände angeliefert werden. Das eigentliche Grundöl, beziehungsweise dessen Moleküle, verschleißen nicht, und lassen sich damit „endlos“ aufarbeiten – lediglich die verbrauchten Additive und Ablagerungen aus dem Betrieb müssen abgeschieden und durch frische Zusätze ergänzt werden. Würde die gesamte Altölmenge aufbereitet statt in Zementwerken verbrannt werden, könnte Deutschland seinen Rohölverbrauch um zirka 300.000 Tonnen pro Jahr reduzieren – das wäre nicht nur klimaschonend, sondern würde auch noch die eigene Wirtschaft stärken.

 

Die Raffinerie am frühen Abend in voller Beleuchtung 
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