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Michelin 4. Juli 2022

Partner für den Reifenhandel

Nach der Corona-Pause hat sich die Reifenbranche im Mai auf der The Tire Cologne getroffen. Wir haben die die Gelegenheit genutzt, um mit Theres Gosztonyi und Philipp Ostbomk von Michelin zu sprechen.

Theres Gosztonyi, Pkw-Chefin Europa Nord bei Michelin, und Philipp Ostbomk, Lkw-Chef Europa Nord. 
Theres Gosztonyi, Pkw-Chefin Europa Nord bei Michelin, und Philipp Ostbomk, Lkw-Chef Europa Nord. 

Nach Corona folgte mit dem Krieg in der Ukraine gleich die nächste Krise mit weltweiter Bedeutung. Wie stark sind Sie von Lieferengpässen betroffen?

Theres Gosztonyi: Auf der Pkw-Seite sind wir im grünen Bereich. Der Konflikt in der Ukraine hatte vor allem zu Beginn für Unsicherheiten in der Rohstoffversorgung gesorgt. Unser Einkaufsteam hat aber einen sehr guten Job gemacht und die Produktion innerhalb weniger Wochen abgesichert. Die Produktion der Winterreifen für die kommende Saison läuft, die Zulieferketten stehen. In Summe sind wir im Pkw-Bereich froh, dass wir einen relativ starken Fußabdruck in Europa bzw. in Deutschland haben, weil einige Produktionswerke hier ansässig sind. Das erleichtert die Situation natürlich deutlich.

Wie ist die Situation bei den Lkw-Reifen?

Philipp Ostbomk: Im Lkw-Geschäft konnten wir ähnlich gut wie im Pkw-Geschäft unsere Verfügbarkeiten sicherstellen, da wir auch hier weitgehend in Europa für Europa produzieren. Die Belieferung mit Ruß, der für die Produktion in den deutschen Werken zum größten Teil aus Russland kam, war ein Thema für uns. Hier mussten wir die bisherigen Lieferwege ändern. Deutlich stärker als im Lkw-Geschäft sind wir bei den Off- und Highway-Reifen von den Problemen in der Seefracht und den steigenden Logistikkosten betroffen. In diesem Segment erfolgt eher eine weltweite Produktionssteuerung, sodass die Rohstoffe, die hauptsächlich aus Asien kommen, in die ganze Welt verschifft werden müssen. Das betrifft natürlich auch den Transport der fertigen Produkte in die jeweiligen Märkte.

Mit dem e.Primacy und dem Pilot Sport EV bietet Michelin verschiedene Reifen speziell für E-Autos an. Inwiefern ist die E-Mobilität eine Herausforderung für Reifenhersteller?

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Theres Gosztonyi: Es entspricht unserer DNA als Reifenhersteller, die passenden Produkte für neue Anforderungen zu entwickeln. Die Herausforderungen beim E-Auto liegen in dem höheren Fahrzeuggewicht durch die Batterie, dem stärkeren Drehmoment, der Geräuschentwicklung und natürlich in der Reichweitenoptimierung. Als Premiumhersteller sind wir für die Elektromobilität gut positioniert, wir können hier unsere Technologieführerschaft ausspielen. Dies gilt auch für den Wettbewerb zu den Herstellern aus Fernost, die immer stärker in der Erstausrüstung Fuß fassen wollen.

Neue Produkte für neue Fahrzeugarten erhöhen die Komplexität. Welche Konsequenzen hat das für Handel und Werkstatt?

Theres Gosztonyi: Das ist vor allem ein logistisches Problem für den Großhandel und die Frage, ob dort jeweils genügend Lagerfläche vorhanden ist. Für uns als Hersteller bedeutet das, in der Produktionsplanung noch mehr zu optimieren. Die zentrale Frage ist, in welcher Menge welche Reifen benötigt werden. Die Produktion läuft rund ein halbes Jahr vor dem Verkauf beim Endkunden. Was dann wirklich nachgefragt wird, mag dann allerdings durchaus von den Planungen abweichen. Wir versuchen daher immer stärker auch mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz, die vorliegenden Daten auszuwerten, um den Anforderungen besser gerecht zu werden. Welche Fahrzeuge sind wann wo zugelassen worden? Welche Nachfrage ist in der kommenden Saison zu erwarten? Wir versuchen hier, den Handel so gut wie möglich zu unterstützen. Die Herausforderungen im Zusammenspiel Hersteller – Handel – Werkstatt – Kunde sind nicht ganz ohne, aber es gibt neue Technologien, die dabei helfen, gute Lösungen zu finden. Der Werkstattbereich wird also deutlich digitaler.

Der Michelin Pilot Sport EV wurde speziell für sportliche Elektroautos entwickelt.
Der Michelin Pilot Sport EV wurde speziell für sportliche Elektroautos entwickelt.


Wie wichtig ist das Aftermarket-Geschäft im Vergleich zur Erstausstattung?

Theres Gosztonyi: Im Pkw-Geschäft ist der Aftermarket sehr wichtig. Dort machen wir die Mehrheit des Umsatzes. Die Erstausrüstung ist für uns genauso wichtig, weil wir in enger Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern neue technische Lösungen für Reifen entwickeln – und dadurch eine gute Marktdurchdringung sowie ein Bewusstsein für die Marke Michelin schaffen. Es ist immer gut, wenn Kunden sehen, dass ein Hersteller einen bestimmten Reifen für seine Neufahrzeuge einsetzt. Aber klar ist: Handel und Werkstattnetz sind für uns sehr wichtig, weil dort die Mehrheit unseres Umsatzes generiert wird und der Kontakt zum Endkunden erfolgt. Man kann diese Bereiche allerdings immer weniger losgelöst voneinander betrachten, weil man insbesondere von den Premiumherstellern zunehmend spezifische Vorgaben bekommt. Wir haben also nicht mehr den einen Reifen für alle Marken. Die Reifen sind immer häufiger extra abgestimmt auf ein bestimmtes Fahrzeug, um das Fahrerlebnis zu optimieren. Die Homologation im Erstausrüstungsgeschäft ist ein Ausdruck von besonderer Qualität und erleichtert insbesondere im Premiumsegment den Zugang zum Ersatzgeschäft.

Die Werkstätten spielen eine wichtige Rolle im Reifengeschäft. Wo sehen sie hier die größte Aufgabe?

Theres Gosztonyi: Die große Herausforderung liegt sicherlich darin, dass Knowhow über die verschiedenen Reifenvarianten zu vermitteln. Wie erfolgt die Beratung des Kunden in der Werkstatt? Kann die Werkstatt den Kunden so gut beraten, wie es erforderlich ist? Welche Anforderungen und Wünsche hat der Kunde? Welcher Reifen ist der richtige dafür? Als Hersteller müssen wir schauen, dass wir gute Wege dafür finden, diese Fragen zu beantworten. Zur Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Handel und Werkstatt bieten wir dafür regelmäßig Online-Seminare an. Die Digitalisierung vereinfacht einiges in dieser Beziehung. Jeder, der Interesse hat, kann sich einloggen und teilnehmen.

Philipp Ostbomk: Der Beratungsbedarf ist letztlich immer eine Chance für den Händler und die Werkstatt. Man kann sich als Fachbetrieb sehr gut gegenüber dem Kunden profilieren. Gute Verkäufer schauen sich die individuelle Situation des Kunden genau an und hören ihm genau zu, was benötigt wird. Die Bedeutung dieser Vertrauensbeziehung wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. 

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