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Betrieb & Marketing 14. April 2023

Mutige Leistungsträger

Schritt für Schritt zum eigenen Kfz-Betrieb: Was Entschlossene zum Start respektive zur Übernahme eines Unternehmens brauchen und wie sich der Markt für Gründer aktuell darstellt. Teil 2 unserer Gründerserie.

Bei Gründung oder Übernahme eines Kfz-Betriebes ist die kaufmännische Führung mindestens genauso wichtig wie das Know-how unter dem Auto.
Bei Gründung oder Übernahme eines Kfz-Betriebes ist die kaufmännische Führung mindestens genauso wichtig wie das Know-how unter dem Auto.

Betreiber von Autohäusern und Werkstätten sind ein starker Motor der Kfz-Branche. Sie handeln auf eigenes Risiko, investieren in der Regel aus eigener Tasche und stellen ihr Können in den Dienst des Unternehmens. Ihnen liegt es, selbstbestimmt, autonom und frei zu arbeiten. Sie fungieren als Vorbilder für junge Menschen und übernehmen Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Wolfgang Esser nennt es das „Unternehmer-Gen“, das solche Menschen schon vor Start oder Übernahme eines Kfz-Betriebes mitbringen sollten. Als Betriebsberater des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes weiß er aus seiner mehr als 26-jährigen Erfahrung, dass diese Disposition auch oft über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Die Eigenschaften beeinflussen, wie Gründungswillige ihre Geschäftsidee im Vorfeld durchdenken, konzipieren und anschließend realisieren.

Vorbereitung ist die halbe Miete

Für den Betriebswirt gibt es einige wesentliche Aspekte, die jeder vor dem Schritt in die Selbstständigkeit erfüllen bzw. durchspielen sollte. Erstens: Zur Führung eines wirtschaftlich überlebensfähigen Kfz-Betriebes, müssen die handwerksrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Der Gründer selbst oder ein Mitarbeiter müssen Kfz-Meister sein. Zweitens: Ein Kfz-Betrieb mit wirtschaftlicher Perspektive sollte in der Lage sein, rund 80 Prozent der Anwesenheit seiner Mitarbeiter an die Kunden weiterberechnen zu können. Das entspricht etwa 1.200 Jahresstunden je Mitarbeiter. Er ergänzt: „Ein-Mann-Betriebe sind deshalb auf Dauer nicht überlebensfähig oder müssen erweitert werden.“ Drittens: die kaufmännische Führung muss stehen. „Entweder der Unternehmer macht das in Eigenregie oder bindet eine Vertrauensperson ein, die das akkurat übernimmt. In handwerklichen Strukturen bietet sich dafür etwa jemand aus dem engen Familienkreis an“, sagt Esser. Viertens: Es muss eine gewisse Risikobereitschaft vorhanden sein. Wer investieren will, muss auch finanzieren können. Das bedeutet oftmals auch, Sicherheiten aus dem privaten Bereich oder Bürgschaften einzubringen. „Wer zum Beispiel versucht, über Rechtsformen mit Haftungsbeschränkung zu arbeiten und meint, damit wäre Genüge getan, wird bereits beim ersten Bankgespräch scheitern“, so der Berater. Deshalb rät er auch dazu, das Vorhaben im Familienkreis zu besprechen und sich der Rückendeckung zu versichern. Fünftens: Der Gründer braucht Kapital. „Es kann nicht mit einer Vollfinanzierung des Betriebes gerechnet werden. Wenn beispielsweise mal ein Liquiditätsengpass aufkommt, muss es dafür einen Puffer geben. Und der heißt ‚Eigenkapital‘ “, betont Esser.

Beim Mittelbedarf verweist der Experte auf die Empfehlungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die Förderbank nennt als Richtwert 20 bis 25 Prozent, die selbst beizusteuern sind. Esser erläutert dies näher: „Klingt kompliziert, heißt in der Praxis einfach, wenn beispielsweise 100.000 Euro nötig sind, werden lediglich 75.000 Euro ausgezahlt.“

Technische und wirtschaftliche Überlegungen

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Welche Summen tatsächlich gebraucht werden, bestimmt die Höhe der Vorfinanzierung des Geschäftsbetriebes sowie die notwendigen Investitionen. Der Löwenanteil entfällt insbesondere auf Grundstücke, Gebäude und technische Ausrüstung. Letztere richtet sich wiederum nach dem Leistungsspektrum. „Ein Spezialbetrieb für Oldtimer muss beispielsweise nicht in hochspezifizierte Geräte investieren wie eine Kfz-Werkstatt, die Arbeiten an Jungwagen nach Herstellervorgaben durchführen will“, sagt Esser. Er wagt daher keine Pauschalaussagen. Zudem ist es abhängig von der gewählten Finanzierungsform. Dabei ist für ihn nur klar: „Objekte, wie Hebebühnen, mit einer langen Nutzungsdauer sollten aus Eigenmitteln gekauft oder langfristig finanziert, und welche mit einer geringeren Nutzungsdauer wie Klimatester, geleast werden.“

Des Weiteren ist laut Esser bei Betriebsübernahmen die erforderliche Kapitalhöhe leichter abzuschätzen als bei Neugründungen, da ein Kundenstamm vorhanden ist und lediglich ein Kaufpreis ausgehandelt werden muss und gegebenenfalls notwendige Investitionen geplant werden müssen. Der Forecast einer Neugründung sei eine deutlich größere Herausforderung. Neben dem Investment sei hier ein ausreichender Kapitalpuffer für den Geschäftsanlauf einzuplanen, da die Zeitdauer nicht bekannt ist, bis das Unternehmen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb wirtschaftlich tragfähig ist.

Der Berater hält daher die kaufmännische Seite auch für den Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen Unternehmensführung. Ob Kalkulationen, Forderungsmanagement, Zeitpunkt der Übergabe von Unterlagen an den Steuerberater: Die Aufgaben und Schnittstellen zwischen dem internen kaufmännisch Verantwortlichen und externe Zuständigkeiten müssen klar und straff geregelt sein. „Es darf zum Beispiel nicht sein, dass der Jahresabschluss für 2021 erst im März 2023 fertig ist. Das ist auch im Hinblick auf die Kommunikation mit der Bank nicht hinnehmbar, da man mit so etwas im Rating schnell Malus-Punkte sammelt“, begründet Esser.

Wolfgang Esser, Betriebsberater des Kfz-Gewerbeverbandes NRW, ist überzeugt: Gründer brauchen eine gewisse Risikobereitschaft. Wer investieren will, muss finanzieren und dafür auch Sicherheiten einbringen können.
Wolfgang Esser, Betriebsberater des Kfz-Gewerbeverbandes NRW, ist überzeugt: Gründer brauchen eine gewisse Risikobereitschaft. Wer investieren will, muss finanzieren und dafür auch Sicherheiten einbringen können.

Business Plan: Zahlen, bitte!

Eine Gründung läuft in der Regel nicht ohne Kredite einer Bank. Ob und in welcher Höhe ein Institut ein Darlehen gewährt, entscheidet sich vor allem anhand des Business Plans. Und dafür gibt es Mindestanforderungen. „Ich empfehle zunächst eine Vorstellung der Geschäftsidee, welche die verschiedenen Facetten des Vorhabens übersichtlich im Umfang von sechs bis acht Seiten beleuchtet“, sagt Esser. Kernelemente sind etwa, das Geschäftsmodell, die Rechtsform, die persönliche Motivation, das benötigte Anlage- und Umlaufvermögen und die dazu angedachten Kapitalbeschaffungsformen und die geschätzte Höhe der Vorfinanzierung des laufenden Geschäftes, die beabsichtigte Einstellung von Mitarbeitern, Konkurrenzsituation sowie die Erklärung der Ziele. Hinzu kommt noch ein beruflicher Lebenslauf, in dem Ausbildung, Kompetenz und Befähigung geschildet wird. Dabei unterstützen die Experten der Fachverbände und der Handwerkskammern.

Das Herzstück bildet der Zahlenteil, den die Banken standardmäßig fordern. Dieser besteht aus dem Kapitalverwendungsplan, in dem der Bedarf an Kapital beziffert wird, wofür es ausgegeben wird und was der Unternehmer beiträgt. Hinzu kommt ein Rentabilitätsplan, in dem der Antragsteller die Geschäftsentwicklung anhand eines Gewinn-und-Verlust-Plans über die nächsten drei Jahre und damit die Tilgungsfähigkeit darlegt. Als drittes wird ein Liquiditätsplan erstellt, der den Mittelfluss auf monatlicher Basis über 24 Monate abbildet.

Darüber hinaus macht Esser etwa auf Basis der Rentabilitätsrechnung eine wirtschaftliche Risikobewertung. „Darin wird ermittelt, wie viel von den Planumsätzen nach unten abgewichen werden darf, damit es läuft. Der Unternehmer bekommt so mittels Überschlagsrechnungen ein Gefühl, was er täglich an Umsatz erzielen sollte und kann so anhand einer Richtgröße die Entwicklung im Blick behalten“, sagt der Fachmann.

Betriebsanmeldung, Mitarbeitersuche & mehr

Als Standardprozeduren gelten die Anmeldung bei den Handwerkskammern, der Berufsgenossenschaft, der Antrag für eine Betriebsnummer beim Finanzamt sowie der Umsatzsteuer-Identnummer. Werden Mitarbeiter beschäftigt, kommen auch die Sozialversicherungen ins Spiel. „Hierfür haben wir eine Checkliste, anhand derer wir mit dem Betriebsinhaber all diese Punkte durchgehen und individuell abarbeiten“, sagt Esser.

Neuralgischer Bereich ist in Zeiten des Fachkräftemangels vielmehr die Suche und das Finden von Mitarbeitern. Ein Weg ist neben der Übernahme von Personal aus dem bestehenden Betrieb oder aus anderen, die ihr Geschäft aufgeben, die Ausbildung von Nachwuchskräften. „Das Kfz-Handwerk hat einen Vorteil. Es wird von einem Teil der jungen Leute als interessantes Betätigungsfeld wahrgenommen“, beobachtet Esser. „Werden ihnen noch gezielte Anreize wie Fortbildung, Dienstwagennutzung, Handy-Vertrag oder Aufstiegsperspektiven geboten, können Kfz-Betriebe punkten.“ (Annemarie Schneider)

Fachkräftemangel, erfolglose Nachfolgersuche und die Nachfrage nach hochwertiger Arbeit: Auch  in Krisenzeiten spricht vieles für die Unternehmensgründung. Die junge Lackiererei Loges bereichert seit 2016 das K&L-Gewerbe in Baden.
Schauplatz Start-ups: Du musst es wollen
Mit klaren Wachstumszielen, Fleiß und Kreativität ist Igor Loges die Gründung seiner Kfz-Lackiererei gelungen. Das Zünglein an der Waage: die kaufmännische Schützenhilfe – auch für die laufende Expansion. Teil 1 unserer Gründerserie.

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