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Motor und Antrieb 23. März 2021

E-Fuels – die Rettung für den Verbrenner?

Der Verbrennungsmotor hat derzeit einen schweren Stand – viele Länder wollen ihn künftig verbieten, weshalb die Hersteller ihre Flotten elektrifizieren. Doch es gäbe Rettung in Form klimaneutraler Treibstoffe: der e-Fuels. 

E-Fuels könnten den Verbrenner retten – es fehlt jedoch der politische Wille
E-Fuels könnten den Verbrenner retten – es fehlt jedoch der politische Wille

Synthetische Kraftstoffe, die nicht aus Erdöl erzeugt werden, sind eigentlich nichts neues – immer wieder wurden und werden neue Verfahren entdeckt und erforscht - gescheitert sie sind bisher vor allem an der Wirtschaftlichkeit: Rohöl aus fossilen Quellen ist in der Vergangenheit so günstig gewesen, das Syntheseprodukte meist doppelt, dreifach oder vierfach teurer gewesen wären – und damit am Markt keine Chance hatten.

Durch die Co2-Abgabe, die seit Beginn des Jahres Kraftstoff spürbar verteuert hat, sowie die Anstrengungen der EU, bis 2050 „klimaneutraler Kontinent“ zu werden, erfahren synthetische Kraftstoffe gerade enormen Aufwind: Durch sie wäre es quasi über Nacht möglich, den Fahrzeugbestand (Deutschland: 48.25 Millionen Fahrzeuge, EU: 253 Millionen Fahrzeuge) klimaneutral zu machen – und damit das Überleben des Verbrennungsmotors zu sichern. Entsprechend wurde in den vergangenen Jahren viel geforscht und entwickelt: So unterschiedlich wie die Hersteller und Zulieferer, so divers sind auch die Lösungsansätze, die entwickelt wurden. Nicht alle davon sind rein synthetisch, wie so oft fordert das wahre Leben seine Kompromisse.

Dieselalternativen

Bosch: Synthetischer Diesel aus Abfall und Fetten – CARE Diesel

Sichtbar sauberer: CARE Diesel
Sichtbar sauberer: CARE Diesel
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Kaum ein anderes Unternehmen ist dem Dieselmotor so verbunden wie Bosch – entsprechend wundert es wenig, dass man dort nach nachhaltigen Lösungen für den Diesel gesucht hat. Nach frühen Versuche mit Rapsöl in den 2000er Jahren („Pflanzenölkraftstoff“, umgangssprachlich oft „Pöl“ genannt) setzte Bosch schon vor über drei Jahren auf „CARE Diesel“ – einen synthetischen Kraftstoff, der aus Abfall und Fetten gewonnen wird. Gegenüber konventionellem Diesel spart der regenerative Kraftstoff rund 65% der Emissionen ein, gemessen von der Herstellung bis zum Rad. Der Kraftstoff ist kompatibel mit vorhandenen Fahrzeugen, Änderungen am Motor dafür laut Bosch nicht notwendig – daher fahren die Dienstwagen der Vorstände nun mit CARE-Diesel, sofern sie an einem der Standorte betankt werden – eine offizielle Zulassung hat der Treibstoff bislang nicht erhalten, weshalb er nur direkt bezogen werden kann, es ihn jedoch nicht an der Tankstelle gibt.

Shell: R33 Blue Diesel

Ähnlich wie der Ansatz von Bosch, einen Dieselkraftstoff mit synthetischem Anteil einsetzen, verfolgen auch die Niederländer von Shell. Ihr „R33 Blue Diesel“ ist ein herkömmlicher Dieselkraftstoff, dem zu dem 7-prozentigen Bioanteil weitere 26-Prozent an parafinem, synthetischem Diesel beigemischt werden, ebenfalls aus (Abfall-)Fetten. Entsprechend ist die Einsparung mit 20% Emissionsreduktion nicht ganz so groß wie bei der komplett synthetischen Variante, dafür ist der Kraftstoff entsprechend günstiger und wäre schnell in großer Masse verfügbar. Erhältlich ist der Kraftstoff – da er laut Verordnung als gewöhnlicher Diesel gilt – an den Werkstankstellen von VW, Bosch, sowie einem überschaubaren Netz an freien Tankstellen im Land.

OME: Oxymethylenether

Vergleich der Rußemissionen im Abgas: Links herkömmlicher Diesel, rechts OME – der Unterschied ist mehr als deutlich.
Vergleich der Rußemissionen im Abgas: Links herkömmlicher Diesel, rechts OME – der Unterschied ist mehr als deutlich.

Die technische Universität München zeigt mit einer Pilotanlage, dass auch die Erzeugung eines alternativen Dieselkraftstoffes direkt aus Co2 möglich ist – so ergäbe sich ein geschlossener Kreislauf: Das CO2 wird im Kraftstoff gebunden, im Motor verbrannt, und kann anschließend wird als Rohstoff für den Gewinnungsprozess genutzt werden. Durch die Zugabe von Sauerstoff verbrennt der Kraftstoff nahezu rußfrei und fast ohne die Freisetzung von Stickoxiden. Allerdings müssten für den Einsatz des Kraftstoffes Dichtungsmaterialien und die Motorsteuerung des Diesels angepasst werden: Um einen Liter Diesel zu ersetzen, müssen 1,75 Liter OME aufgewendet werden – auf den höheren Volumenstrom müsste die Kraftstoffanlage ausgelegt sind. Wie auch beim R33 Diesel von Shell, wäre aber auch eine Beimischung als „Blend“ zum herkömmlichen Diesel kein Problem und sofort machbar, wenn sie 5-10 Volumenprozent nicht überschreitet – allerdings ist OME bisher nicht in industriellem Maßstab verfügbar, bisher wird OME nur im Versuchsreaktor in Straubingen produziert. Die TU Darmstadt hat einen Volvo XC60 bereits für den Testbetrieb umgerüstet und erfolgreich beprobt – an der Technik scheitert es also nicht.

Benzinalternativen:

Audi: E-Benzin aus Biomasse

Bislang werden E-Fuels nur in kleinem Maßstab produziert – die größte Charge der Pilotanlage von Audi umfasste immerhin 60 Liter
Bislang werden E-Fuels nur in kleinem Maßstab produziert – die größte Charge der Pilotanlage von Audi umfasste immerhin 60 Liter

Gemeinsam mit dem Anbieter Global Bioenergies baute Audi eine Pilotanlage zur Gewinnung von e-Gas und e-Benzin. Bei dem Kraftstoff handelt es sich im Wesentlichen um Isooktan, welches in einem zweistufigen Verfahren aus Biomasse gewonnen wird. Das CO2-Einsparpotenzial liegt laut Audi bei 80% gegenüber herkömmlichem Benzin, wenn die Biomasse aus nachhaltigen Quellen gewonnen wird. Auch hier ist der Knackpunkt noch die Anlagengröße: Die bisher größte Charge, die am Stück gewonnen wurde, betrug 60 Liter, also gut eine Tankfüllung. Für eine Forschungsanlage ein Durchbruch, für die Versorgung der Bundesrepublik (nicht einmal) ein Tropfen auf den heißen Stein. Entsprechend ist auch Audis e-Benzin (noch) nicht verfügbar.

Porsche: E-Fuels aus Windenergie

Zwar will der Sportwagenhersteller sein Portfolio künftig auf E-Fahrzeuge ausrichten, der 911er sei aber ein Verbrennermodell und würde auch nicht elektrifiziert. Gleichzeitig existieren noch 70% aller jemals gebauten Fahrzeuge der Zuffenhausener – ein synthetischer Kraftstoff der den Weiterbetrieb dieser Ikonen ermöglichen würden, ist für Porsche ein hohes Ziel. Im Gegensatz zu käuflichen Kraftstoffen mit Bioanteilen wie E10, solle ein E-Fuel von Porsche auch für den Motorsport geeignet sind, also ausschließlich auf Hochleistung getrimmt werden, und keine Nachteile in Kauf nehmen. Dafür plant man derzeit eine Pilotanlage in Chile, um mit grünem Strom aus Windenergie künftig Treibstoffe synthetisch gewinnen zu können – durch die Spaltung von was Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff lässt sich letzter mit CO2 verbinden, um so synthetischen Brennstoff zu erzeugen. Das notwenige CO2 könnte dabei aus der Luft extrahiert werden, oder beispielsweise in Industrieprozessen wie der Zementherstellung gebunden werden. Schon 2024 will der Hersteller seine Sportwagen erstmalig mit dem eigenen Kraftstoff auftanken – der neue 911er wird bereits auf den synthetischen Kraftstoff ausgelegt – auch wenn es diesen noch nicht an der Tankstelle zu kaufen gibt.

Behörden verweigern Zulassung

Die Alternativen für Benzin und Diesel stehen bereit – theoretisch zumindest. Denn derzeit verweigern die Behörden selbst Kraftstoffen wie CARE Diesel, der ohne Umstellung in Bestandsfahrzeugen verwendet werden kann, die notwendige Zulassung – und ohne Zulassung kein Vertrieb am Tankstellennetz. Zwar sah auch die EU bei ihrer Reform der nun EU-weit genormten Symbole für Treibstoffsorten an Tankstellen explizit solche Treibstoffe aus Synthese oder mit 100-prozent Bio-Anteilen vor, die deutsche Politik entschied sich jedoch gegen eine Zulassung: Das Umweltbundesamt (UBA) begründete seine Ablehnung damit, dass „mit Elektrofahrzeugen bereits Alternativen für Diesel-Pkw zur Verfügung stünden“ – die Politik setzt alles auf die Karte der Elektromobilität – für Hersteller von Verbrennungsmotoren und klimabewussten Anwendern wenig verständlich, könnte hier eine schnelle Einsparung erreicht werden – sogar viel mehr, als ein Tempolimit jemals erreichen würden. Über einen steigenden Anteil der synthetischen Alternativen wäre die industrielle Herstellung kein Problem, und könnte entsprechend kontinuierlich hochgefahren werden.  Gleichzeitig werden Wasserstofftankstellen - ein besonders aufwendiges Verfahren als alternativer Kraftstoff - im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie jedoch gefördert. Dabei gibt es derzeit weder Nutzer noch ein im Ansatz existierendes Tankstellennetz – in Anbetracht von 14.000 Tankstellen und etwa 45 Millionen Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor in Deutschland, die sofort Einsparungen erwirken können, wirkt dies wie blanker Hohn.

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