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Dieselnachrüstung 30. September 2019

Die Freien müssen warten

Die Nachrüstungen von „dreckigen“ Diesel stehen mit der Freigabe des KBA und dem Zuschuss von Daimler und VW kurz vor dem Start. Wir haben mit Stefan Beinkämpen, Technikchef (CTO) bei Baumot, über die Nachrüstungen gesprochen.

Verbotszone
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Herr Beinkämpen, das Interesse an den Dieselnachrüstungen ist ungebrochen groß – wann gehen Sie mit Ihrer Lösung in den Markt?

Stefan Beinkämpen: Wir peilen derzeit an, im Oktober die ersten Systeme auszuliefern – erst dann fließen die ersten Förderungen von Daimler oder Volkswagen zur Nachrüstung. Wir fahren in der ersten Auslieferungsstufe eine zweigleisige Strategie. Zunächst werden OEM-Werkstätten und Werkstattketten beliefert, in der späteren zweiten Auslieferungsstufe dann auch der Großhandel und freie Werkstätten.

Das heißt, freie Werkstätten sind zunächst nicht mit dabei?

Beinkämpen: Dieses Jahr vermutlich nicht mehr – wir beginnen unsere Arbeit und Schulungen mit den festen Vertriebspartnern und rechnen mit einem Hochlauf der Produktion und Nachfrage in 2020. Sobald dann die Volumen entsprechend hoch sind, gehen wir auch an den Großhandel. Dort sind wir mit unserer Marke Twintec kein Unbekannter, wollen aber zunächst einen sicheren Marktstart gewährleisten.

Kommen wir zu Nachrüstlösung selbst: Wie hoch ist der Arbeitsaufwand, das System zu verbauen, braucht es Spezialwerkzeug oder Diagnose für die Inbetriebnahme?

Beinkämpen: Um Ihre erste Frage zu beantworten: Ein einzelner Mechaniker braucht etwa vier bis fünf Stunden, je nachdem wie gut die Arbeit von der Hand geht. Zwischendurch ist einmal eine helfende Hand oder ein Getriebeheber notwendig, die allermeiste Arbeit kann jedoch alleine gemeistert werden – was auch die Grundlage unserer Kalkulation ist.

Spezialwerkzeug oder eine spezielle Diagnoselösung brauchen Sie bei uns nicht. Unsere Lösung ist als autarkes System geplant und konzipiert, sodass Standardwerkzeug und -diagnose ausreichend sind, um das System verbauen und in Betrieb nehmen zu können.

Mit welchen Kosten muss die Werkstatt beziehungsweise der Halter rechnen?

Beinkämpen: Der Hardwarezuschuss ist ja mit 3000 Euro angesetzt, daran haben wir uns schon früh orientiert und versuchen auch, das umzusetzen. Wir werden die Systeme für circa 2400 Euro an die Montagepartner abgeben, darauf kommt dann der eigentliche Montageaufwand – etwa ein halber Tag – und damit sind wir bei rund 2800 bis 2900 Euro zuzüglich der Mehrwertsteuer. Also 3300 Euro inklusive Mehrwertsteuer, wovon der Daimler- oder der VW-Konzern bis zu 3000 Euro für Halter in den Intensivstädten übernimmt. Wir wollen den Werkstätten aber keinen Endpreis vorgeben, sondern bieten ihnen unsere Lösungen zu einem gewissen Preis an. Der Preis für das System plus Montageaufwand in der Werkstatt machen dann den endgültigen Preis der Nachrüstungen aus.

Und wie groß ist ihr Adblue-Tank in Litern oder Kilometerreichweite für den Kunden, wenn das System später einsatzbereit im Auto verbaut ist?

Beinkämpen: Unser Tank fasst etwa 20 Liter und wird in der Reserveradmulde montiert. Theoretisch ginge sogar noch etwas mehr – unser Ansinnen ist hier vor allem eine praxisnahe Lösung, damit der Kunde einen Zehn-Liter-Kanister Adblue kaufen und komplett in sein System einfüllen kann, wenn die erste Aufforderung angezeigt wird. Es soll möglichst komfortabel sein.

Das bedeutet, in der Praxis kommt der Kunde mit einer solchen Füllung beinahe ein ganzes Jahr aus?

Beinkämpen: Es kommt natürlich auf das Fahrprofil an. Wenn man zwei Liter auf 1000 Kilometer als Richtwert ansetzt, dann reicht das System auf jeden Fall eine ganze Weile und bei vielen Fahren vermutlich bis zum nächsten Service – aber genau so wollten wir es haben.

Und wenn der Tank leer ist?

Beinkämpen: Dann haben wir vom Kraftfahrt-Bundesamt die Vorgabe, dem Autofahrer die Weiterfahrt möglichst „unbequem“ zu gestalten. Vorher erhält er natürlich rechtzeitig eine Warnung, etwa bei 2400 Kilometern Restreichweite. Unsere Lösung hier setzt auf den Motornotlauf – der Kunde kann noch weiterfahren, ist aber stark eingeschränkt und so zum baldigen Auffüllen angehalten.

Der ADAC hatte ja bereits Anfang letzten Jahres Vorserienmodelle getestet, dort war es zuweilen noch schwierig mit der Abgasbehandlung bei niedrigen Temperaturen – konnten Sie das Problem bis jetzt lösen?

Beinkämpen: Wie Sie es schon sagten – bei dem ADAC-Test wurden lediglich Vorseriengeräte getestet. Wir haben ja einen elektrischen Zuheizer verbaut, und halten die vom KBA geforderten Werte gesetzeskonform ein – das Anforderungsprofil ist vorgegeben. Unsere Anlagen funktionieren und halten die geforderten Werte ein – das Wichtigste für den Fahrzeugbesitzer.

Thema Fahrzeugbesitzer: Wie glücklich sind Sie mit der derzeitigen Lösung, dass lediglich die ­Zusatzkennung im Fahrzeugschein
eingetragen wird?

Beinkämpen: Das ist natürlich eine politische Frage. Wir waren damals bei der Einführung der grünen Plakette ein Befürworter des Systems – aber derzeit ist eine blaue Plakette ja politisch nicht gewollt, auch wenn es wohl die einfachste Lösung wäre. Für die Fahrer der nachgerüsteten Fahrzeuge bedeutet die Eintragung in den Schein dennoch Rechtssicherheit, was das Thema Fahrverbote angeht, egal ob sie jetzt schon den einzelnen Halter betreffen oder noch als Vorsichtsmaßnahme für drohende Verbote getroffen wurden. Besser ist die Luft mit unserem System allemal.

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