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Digitale Nfz-Werkstatt 10. Mai 2022

Bits und Bytes statt Block und Bleistift

Zeit ist Geld – das gilt selbstverständlich auch für Nutzfahrzeug-Werkstätten. Deshalb sind schlanke Arbeitsabläufe gefragt. Die Digitalisierung macht es möglich, wiederkehrende Prozesse schneller, effektiver und sicherer zu gestalten.

Mit dem Smartphone kann der Mechaniker die dringend notwendige Zusatzarbeit schnell dokumentieren und das Schadensbild an seinen Werkstattmeister schicken.
Mit dem Smartphone kann der Mechaniker die dringend notwendige Zusatzarbeit schnell dokumentieren und das Schadensbild an seinen Werkstattmeister schicken.

Im Nutzfahrzeug-Servicegeschäft bläst der Wind zunehmend schärfer. Werkstätten, die auch in Zukunft noch bestehen und gute Erträge erwirtschaften wollen, müssen ihre Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse permanent überdenken und optimieren. Die Digitalisierung ist dabei eine wichtige Stellschraube. Allerdings denkt man digitalen Prozessen in der Nutzfahrzeug-Werkstatt vermutlich in erster Linie an die Abläufe bei der Fahrzeugannahme und Auftragsanlage. Doch das ist nur ein winziger Bruchteil dessen, was mit Digitalisierung möglich ist.

Denn auch die Terminvergabe, das Werkstatt-, Auftrags- und Mechanikermanagement, das Erfassen von Mechaniker-Arbeitszeiten, die Ermittlung der Kapazitätsauslastung, die Online-Terminbuchung, die transparente Verfolgung des Reparaturstatus, die Vernetzung der Werkstattgeräte untereinander und mit der Werkstattmanagement-Software (WMS) gehören ebenso dazu wie die automatisierte Archivierung oder das automatische Rechnungs- und Forderungsmanagement.

Digitalisierung als Mittel zur Zukunftssicherung

All dies ist heute schon möglich und findet mit steigender Tendenz (und Akzeptanz!) immer häufiger Einzug in moderne Nutzfahrzeugbetriebe – unabhängig davon, ob es sich um eine kleine, große, gewerbliche speditionseigene, markengebundene, freie oder eine Regie-Werkstatt handelt. Die Digitalisierung ist ein über alle Betriebstypen hinweg notwendiger Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Allerdings ist die Digitalisierung eines Werkstatt-Betriebs eine sehr individuelle Angelegenheit, bei der der Betriebsinhaber entscheiden muss, wie weit er gehen und welche Tools er einsetzen möchte. Denn strenggenommen lassen sich praktisch alle Prozesse einer Kfz-Werkstatt „irgendwie“ digitalisieren. Ziel sollte es sein, vor allem immer wiederkehrende Prozesse zu verschlanken und zu optimieren, so dass weniger Zeit- und Personalaufwand notwendig ist. Die gewonnene Zeit kann der Werkstattbetreiber dann gewinnbringend in neue Projekte und zur Zukunftssicherung investieren.

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Allerdings sollte der Unternehmer die Digitalisierung keinesfalls nur von „oben nach unten“ diktieren, sondern die Mitarbeiter von Anfang an mit ins Boot nehmen. Denn die Einführung neuer Prozesse erfordert zuerst einmal tiefe Eingriffe in die gewohnte Organisationsstruktur. Für einen problemlosen Einstieg in die Digitalisierung sollte sich der Werkstattunternehmer unbedingt professionelle Hilfe ins Haus holen und sich umfassend beraten lassen, empfehlen Digitalisierungsexperten. Denn mit der bloßen Beschaffung einiger Tablets und Smartphones ist es bei weitem nicht getan.

Mobile Auftragserfassung

Anders als in Pkw-Betrieben, wo sich Werkstatttermine meist langfristig vorausplanen und „am Tag X“ in der Dialogannahme zusammen mit dem Kunden als „Serviceerlebnis“ zelebrieren lassen, ist in Nutzfahrzeug-Werkstätten eher ein pragmatischer Ansatz gefragt. Doch gerade hier sind digitale Prozesse vorteilhaft: etwa bei der Auftragserfassung ohne Block und Bleistift. Zumal das manuelle Anlegen einer Kundenstammdatei oder eines Werkstattauftrags zeitaufwändig und anfällig für Schreibfehler ist. Fehlerhafte Daten im WMS führen aber bekanntlich später zu Problemen und Verzögerungen, etwa, weil Teile falsch bestellt oder Auftragspositionen falsch abgerechnet werden.

Mittlerweile genügt es bei der digitalen Auftragseröffnung, wenn der Werkstattmeister bei Stammkunden das Kennzeichen oder den bei einem früheren Werkstattaufenthalt in den Türfalz geklebten QR-Code mit dem Smartphone oder Tablet scannt, um im Betriebsbüro einen Arbeitsauftrag anzulegen. Gibt es zu dem Fahrzeug noch keine Stammdaten oder handelt es sich um einen Neukunden, ist mit einer minimalen Texteingabe (per Tastatur, Pen oder Sprachaufzeichnung) dennoch das Anlegen eines Auftrags möglich.

Ergänzend dazu fotografiert der Annehmer die Zulassungsbescheinigung (Fahrzeugschein) – und schon sind die wichtigsten Fahrzeugdaten erfasst. Das ist hilfreich, wenn der Werkstattmeister oder der Notdienstleistende direkt am Fahrzeug die Ersatzteilverfügbarkeit abfragen oder eine Preisauskunft geben möchte. Die endgültige Auftragserstellung lässt sich dann bequem im Betriebsbüro erledigen, während sich der Mechaniker bereits an die Arbeit machen kann.

Per Smartphone lassen sich QR-Code-Aufkleber im Wartungsheft oder auf dem Türfalz scannen und so auftragsrelevante Fahrzeug- und Kundendaten live am Fahrzeug aufnehmen.
Per Smartphone lassen sich QR-Code-Aufkleber im Wartungsheft oder auf dem Türfalz scannen und so auftragsrelevante Fahrzeug- und Kundendaten live am Fahrzeug aufnehmen.

Digitale Auftragsabwicklung

Auftrag anlegen, einteilen, anstempeln, abarbeiten, Ersatzteile angeben, Zusatzarbeiten aufschreiben, abstempeln, abrechnen, ablegen – so sieht ein idealer, konventioneller Auftragsablauf aus. Doch die Realität ist anders: teilweise fehlen Daten, die für den jeweiligen Arbeitsschritt oder die Teilebestellung nötig sind und dann zeitaufwändig recherchiert, auf einem Zusatzzettel notiert und dem Auftrag beigelegt werden müssen. Alles potenzielle Fehlerquellen. Teilweise sind Mehrfacheingaben nötig, etwa am AU-Gerät, Achsmesscomputer oder Bremsprüfstand. Auftragserweiterungen und „erschwerende Zusatzarbeiten“ müssen bei diesem System noch per Hand und Zusatzzettel dokumentiert werden.

Digital läuft dies nicht nur schneller, einfacher, genauer und fehlerfreier, sondern auch komplett papierlos ab: Nachdem der Kundenauftrag via Smartphone digital angelegt ist, kann der Servicemitarbeiter die bis zu diesem Zeitpunkt schon bekannten Arbeitspositionen und ergänzenden Hinweise eintragen und den Mechatroniker auswählen, der den Auftrag abarbeiten soll. Dann schaltet er den Auftrag im System „scharf“. Gleichzeitig bekommt der Mechaniker eine entsprechende Meldung auf sein Endgerät.  Er sieht sofort, was zu tun ist: Gibt es Besonderheiten? Bis wann soll der Auftrag erledigt sein? Muss er für spezielle Aufgaben (z. B. AU oder SP) an einen Kollegen hinzuziehen?

Der Mechaniker kann die Zeiterfassung direkt an seinem Endgerät starten, einzelne Arbeitspositionen separat stempeln und notwendige Zusatzarbeiten minutengenau erfassen, die beispielsweise aufgrund ‚erschwerender Bedingungen‘ (Korrosion, Vorschäden etc.) dazu geführt haben, dass sich die kalkulierte Vorgabezeit nicht einhalten ließ. Zeitaufwändige Laufereien bei der Abrechnung wegen fehlender Daten sind damit ebenso passé wie monetäre Verluste aufgrund „vergessener“ Angaben.

Auch bei notwendigen Auftragserweiterungen leistet die Digitalisierung gute Dienste: der Mechaniker fotografiert das betreffende Bauteil und schickt das Bild zusammen mit einer kurzen Text- oder Sprachnachricht an den Werkstattmeister. Dieser kann dann bereits im Vorfeld eine Kosteneinschätzung erstellen und den Fahrzeugbesitzer oder Fuhrparkmanager anhand des Schadensbildes schnellstmöglich auf die Notwendigkeit und die voraussichtlichen Kosten der Zusatzarbeit informieren – und per E-Mail eine rechtssichere Reparaturfreigabe einholen. Damit wird die Standzeit des Nutzfahrzeugs trotz zusätzlicher Arbeiten auf ein notwendiges Minimum begrenzt – was geplagte Fahrzeugdisponenten sicherlich sehr freuen dürfte.

Der Werstattmeister kann schnell und einfach einen Kostenvoranschlag erstellen und mit dem „Beweisfoto“ beim Kunden per E-Mail eine rechtssichere Reparaturfreigabe einholen.
Der Werstattmeister kann schnell und einfach einen Kostenvoranschlag erstellen und mit dem „Beweisfoto“ beim Kunden per E-Mail eine rechtssichere Reparaturfreigabe einholen.

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