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Tempolimit (Update) 21. Juni 2019

Immer langsam!

Ein breites Bündnis verschiedener Organisationen, darunter die umtriebige Deutsche Umwelthilfe, aber auch der ökologische Verkehrsclub VCD, Greenpeace und die Verkehrsopferhilfe Deutschland, wollen noch 2019 ein allgemeines Tempolimit erreichen.

Tempo 30 in allen geschlossenen Ortschaften wre ein harter Schlag fr die Poser-Szene. Fr alle, die auf Ampel-Rennen und Auspuff-Geballer verzichten knnen, drfte es nicht so schlimm sein.
Tempo 30 in allen geschlossenen Ortschaften wre ein harter Schlag fr die Poser-Szene. Fr alle, die auf Ampel-Rennen und Auspuff-Geballer verzichten knnen, drfte es nicht so schlimm sein.

Eine mehr oder minder bunte Truppe hat im Dezember 2018 ein Bündnis geschlossen mit dem Ziel, das Klima schnell und effizient zu entlasten und dafür die ökologische Verkehrswende voranzutreiben. Dem Bündnis gehören die Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen, der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland (VOD), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der ökologische Verkehrsclub VCD, Greenpeace, Changing Cities, Hannovair, die Initiative für sichere Straßen, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verbund Service und Fahrrad (VSF) an.

Mit Tempo zum Autogipfel

Gerade zur rechten Zeit, nämlich noch vor dem Autogipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Vorstandschefs der deutschen Autokonzerne am vergangenen Montag, verlangte das bunte Verbände-Bündnis, noch in diesem Jahr ein generelles Tempolimit einzuführen. Auf Autobahnen soll ein Tempolimit von 120 km/h gelten und außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h. Innerorts soll künftig eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h allgemeines Höchsttempo werden.

In dem für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gewohnt appellativen Ton forderte das Bündnis, dass die Bundeskanzlerin das Tempolimit als sofort wirksame Klimaschutzmaßnahme und zudem einen beschleunigten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ankündigen müsse. Zudem gelte es, das Versprechen der „Vision Zero“ aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und Menschenleben durch die Tempolimits zu schützen.

Die Bundesregierung und der Bundestag müssten aus Sicht des Bündnisses jetzt handeln. Weitere Studien und Arbeitsgruppen seien weder notwendig noch zielführend, ebenso wie weitere Milliardenzuschüsse in nicht zukunftsweisende Technologien.

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Lauter gute Argumente

Das Bündnis konnte und kann allerdings auch einige gute Argumente ins Feld führen: Nach Einschätzung der DUH könnten mit einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen sowie 80 km/h auf Landstraßen bis zu fünf Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden. Die Maßnahme könne kurzfristig, günstig und sozial verträglich die Klimaschutzlücke bis 2020 verringern. „30 Jahre Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines Tempolimits sind genug. Wir brauchen ein Ende des Schaufahrens gegen den Klimaschutz. Auf welche weiteren alarmierenden Zeichen für das Fortschreiten der vom Menschen gemachten Klimaerwärmung möchte diese Bundesregierung noch warten? Die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen noch in diesem Jahr ist der Lackmustest für die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Klimafragen“, appellierte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, im verinnerlichten Duktus der Empörung. „Ein Tempolimit noch in diesem Jahr ist auch zwingende Voraussetzung für die Entwicklung moderner, digitaler Fahrzeuge. Die Kehrseite des fehlenden Tempolimits auf deutschen Autobahnen ist eine auf analoge PS-Boliden setzende Automobilindustrie, die wie Nokia und Telefunken neue digitale Technologien verpennt.“

Der gesellschaftliche Rückhalt für die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen ist nach Aussage des Bündnisses so groß wie nie. Eine Petition der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands habe es mit über 66.000 Unterschriften in den Petitionsausschuss geschafft, der sich ebenfalls am vergangenen Montag (24. Juni) damit befasste. Eine Meinungsumfrage von Forsa aus dem Juni 2019 belege eine noch nie dagewesene Zustimmung für ein Tempolimit mit einer eindeutigen Mehrheit von 57 zu 42 Prozent.

Deutschland sei zudem das einzige Industrieland, das die Geschwindigkeit auf Autobahnen nicht begrenzt. Das Bündnis wertet dies als weiteren Beleg für den klimaschädlichen Kurs der Regierung.

Mensch, Klima!

Aus Sicht des Bündnisses ist eine Geschwindigkeitsbegrenzung Schnittstelle zwischen Klimaschutz und Verkehrssicherheit sowie ein zwingender Bestandteil der dringend benötigten Verkehrswende. Für die zukünftige elektrische und teilautonome Mobilität sei ein Tempolimit unverzichtbar. „Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen ist überfällig. Analysen zeigen, dass eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h über 100 Menschenleben pro Jahr retten und mehr als 5.000 Verletzte verhindern würde“, argumentiert Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher VCD. „Auch die Autos der Zukunft brauchen eine Höchstgeschwindigkeit. Die Batterien von Elektroautos entleeren sich bei hohen Geschwindigkeiten extrem schnell. Die Sensorik für autonomes Fahren ist bei hohen Geschwindigkeitsunterschieden auf Autobahnen überfordert. Die Blockadehaltung der Bundesregierung zum Tempolimit behindert die Entwicklungsabteilungen der Autohersteller und der IT-Unternehmen.”

Durch ihre Blockadehaltung beim Tempolimit breche die Regierung auch das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel der „Vision Zero“. Von dem eigens gesteckten Ziel, bis 2020 die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten im Vergleich zu 2010 um 40 Prozent zu reduzieren, sei die Bundesregierung weit entfernt. Zur Zielerreichung hätte die Anzahl der Verkehrstoten nach sieben Aktionsjahren um 28 Prozent auf 2.627 zurückgegangen sein müssen. Tatsächlich starben im Jahr 2017 auf Deutschlands Straßen 3.180 Menschen, was einem Rückgang von nur 13 Prozent entspricht. Dazu Wulf Hoffmann, Vorsitzender der Verkehrsunfall-Opferhilfe VOD: „Die Anzahl der getöteten Verkehrsopfer ist im Jahr 2018 auf 3.270 und somit um 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr erneut gestiegen. Es ist erschreckend, dass trotz fehlender Argumente gegen ein Tempolimit auf Autobahnen jährlich über 100 vermeidbare Verkehrsopfer hingenommen werden. In fast allen Sonntagsreden wird immer wieder dargelegt, dass jeder Tote einer zu viel wäre.”

Das Bündnis macht sich auch für eine Geschwindigkeitsreduktion in der Stadt von 30 km/h stark. Diese verringere die Unfallzahlen, reduziere Lärm, könne die Luftqualität verbessern und für mehr Lebensqualität sorgen. Ragnhild Sørensen, Pressesprecherin Changing Cities, ergänzt: „Auch in den Städten und Dörfern ist nicht angepasste Geschwindigkeit eine der Hauptursachen für Unfälle. Die autogerechte Stadt hat sich inzwischen zu Tode gesiegt und die Zivilgesellschaft fordert eine sofortige Neuausrichtung der Mobilität, wo der Mensch und nicht der motorisierte Individualverkehr im Zentrum steht.“

Weniger Tempo? Regierung bremst.

Weigere sich die Bundesregierung weiterhin, verringerte Höchstgeschwindigkeiten einzuführen, ignoriere sie schnell umsetzbare und kostenlose Schritte hin zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Mobilität. Ein Treffen der Kanzlerin mit Vertretern der Autoindustrie zur Zukunft dieser und zum Erhalt mehrerer hunderttausend Arbeitsplätze wäre nicht notwendig, hätte die Regierung rechtzeitig zukunftsorientiert und zugleich umwelt- und klimafreundlich gehandelt. Dazu Benjamin Stephan, Greenpeace-Verkehrsexperte: „Mit seinem Widerstand gegen eine Höchstgeschwindigkeit verschenkt Verkehrsminister Scheuer einen ersten einfachen Schritt hin zu mehr Klimaschutz und Sicherheit. Stattdessen gaukelt Scheuer mit Kraftstoffen aus Pflanzen und Strom vermeintliche Lösungen vor, die weder bezahlbar noch wirksam sind.“

Scheuer macht es sich (zu) leicht

Realistisch betrachtet war nicht anzunehmen, dass die Bundesregierung ausgerechnet ein Tempolimit beim Autogipfel thematisieren würde. Stattdessen endete der Gipfel nicht ganz unerwartet ohne wirklich greifbare Ergebnisse. Eine unverbindliche Vereinbarung zur Entwicklung eines "Masterplans" zum Ausbau des Ladesäulennetzes steht unter dem Strich als schwammiges Resultat, damit bis 2030 an die 7 bis 10,5 Millionen elektrifizierte Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein könnten. Wie schnell – das stand nicht zur Debatte.

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