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Interview 14. August 2023

GVA-Geschäftsführer Dirk Scharmer: „Wir sind die Guten“

Mit der Berufung von Dirk Scharmer als Geschäftsführer ist der Generationenwechsel im Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA) abgeschlossen. Im amz-Interview spricht Scharmer über Herausforderungen und Ziele.  

Dirk Scharmer ist seit dem Frühsommer neuer Geschäftsführer des Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA). 
Dirk Scharmer ist seit dem Frühsommer neuer Geschäftsführer des Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA). 

Herr Scharmer, Sie waren bisher noch nicht im Kfz-Teilehandel tätig. Was reizt Sie an dieser Branche?

Dirk Scharmer: Der Kfz-Teilehandel ist eine sehr interessante Branche, an der mich viel reizt. Da ist zunächst die enorme Bedeutung des freien Teilehandels innerhalb der Automobilwirtschaft. Diese ist für Deutschland elementar. Hochspezialisierte Arbeitsplätze finanzieren auf den verschiedenen Distributionsstufen den Standort Deutschland und tragen dadurch zum Gemeinwohl bei. Zudem ist das Thema Auto stark mit Emotionen behaftet und spielt von für Millionen von Autofahrern eine große Rolle. Und, gestatten Sie mir die Metapher, es motiviert mich, ein kleines Rad zu sein, das mit dafür sorgt, dass sich ein sehr großes Rad dreht.

Der Kfz-Teilehandel nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Unsere Handelsmitglieder sorgen dafür, dass die richtigen Teile der renommierten Kfz-Teileindustrie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Dass die Menschen ihre Fahrzeuge somit schnell, zuverlässig und kostengünstig reparieren lassen können. Der freie Markt ist der Garant für bezahlbare Mobilität. Das ist für mich absolut sinnstiftend und verleitet mich zu der Aussage: „Wir sind die Guten.“

Neben der Bedeutung der Branche faszinieren mich aktuelle Themen wie der Zugang zu Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierten Daten oder die Wahrung fairer Wettbewerbsbedingungen, also komplexe Prozesse politischer Gestaltung. Diese Kombination aus gesellschaftlicher Relevanz der Branche und Komplexität der politischen Themen war für mich ausschlaggebend.

Nach der Neuwahl des Präsidenten im vergangenen Jahr ist mit der Neubesetzung der Geschäftsführung der Generationenwechsel im GVA abgeschlossen. Sind grundlegende Änderungen zu erwarten?

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Dirk Scharmer: Der GVA hat dem Duo Kloster/Röhl sehr viel zu verdanken. Hartmut Röhl war gut 20 Jahre als Präsident tätig und damit das Gesicht des GVA. Marita Kloster hat als Geschäftsführerin den Verband fachlich und menschlich herausragend geführt. So habe ich den GVA in einem sehr guten Zustand „übernommen“. Und ja, selbstverständlich wird es Änderungen geben, wenn nach über 20 Jahren neue Akteure auf den Plan treten. Jede Zeit hat ihre besonderen Herausforderungen und jedes Führungsteam setzt einen individuellen Fokus, um diese Herausforderungen zu meistern und den Verband zeitgemäß und modern aufzustellen.

Wichtig ist, dass der GVA weiterhin seine Aufgabe erfüllt und seine Ziele erreicht. Dazu zählen die Sicherung des Wettbewerbs, der Zukunftsfähigkeit der Branche und somit der wirtschaftlichen Geschäftsgrundlage unserer Mitglieder. Auch das motiviert und beflügelt, in Analogie zur vorherigen Frage. Merkbar ändern wollen wir das Auftreten nach Außen, um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu steigern. Wir wollen die Mitglieder umfänglicher abholen und von den Vorteilen der Partizipation im Bereich des anonymisierten Betriebsvergleichs überzeugen, damit der Verband noch treffgenauer in seiner Zuarbeit wird. Kurz: Der Präsident und ich werden Akzente setzen, in Abstimmung mit dem GVA-Präsidium, den Mitarbeitern in der Geschäftsstelle und immer in Rückkopplung mit unseren Mitgliedern, denn Verbandsarbeit ist Teamarbeit!

Skizzieren Sie bitte die wichtigsten Aufgaben als neuer GVA-Geschäftsführer. Welche Schwerpunkte wollen Sie im ersten Jahr Ihrer Tätigkeit setzen?

Dirk Scharmer: Die wichtigste Aufgabe ist, den Mitgliedern Nutzen und Mehrwert zu liefern. Nur, wenn der Verband aus Sicht der Mitglieder wertvoll und sinnvoll ist, hat er seine Daseinsberechtigung. Als GVA-Geschäftsführer leite ich das operative Tagesgeschäft. Bei mir laufen die Fäden aus den verschiedenen Fachabteilungen zusammen und ich trage am Ende die Verantwortung. Dabei kann ich mich auf die Expertise meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen, die den GVA und das Umfeld sehr gut kennen. Das erleichtert mir natürlich ungemein den Einstieg, damit die Aufgaben im Dienste der Mitglieder zuverlässig durchlaufen.

Die Änderungen sollen sich auch in einer stärkeren Wahrnehmung und einem neuen, frischen Auftritt des GVA zeigen. Ein Thema, welches ich direkt angegangen bin, ist die Digitalisierung. Beim GVA wird noch zu viel Papier verwendet, einige Prozesse sind so nicht maximal transparent, verfügbar und effizient. Beispielsweise werden wir die Jahresmitgliederversammlung und den Kongress vom 7. bis 8. November 2023 in Hannover komplett digitalisieren. Also von der Kampagne über das Teilnehmermanagement bis hin zu den Unterlagen und der digitalen Interaktion auf dem Kongress – der nun „GVA Automotive Conference Hannover“ heißt. Daneben digitalisieren wir uns selbst in der Geschäftsstelle, gerade wird auf Office 365, Teams und Sharepointserver umgestellt. Damit lassen sich interne Prozesse optimieren. Auch schon in Bearbeitung sind Formate und Tools zum Thema Fachkräftegewinnung bzw. -sicherung für die Branche. Dabei sind verschiedene Fachabteilungen involviert, wie zum Beispiel das GVA-College, über das wir fertige Hilfestellungen an unsere Mitglieder ausrollen können.

Wie grenzt sich Ihre Arbeit von der des GVA-Präsidenten ab? Wie können wir uns die Zusammenarbeit vorstellen?

Der Präsident ist das „Gesicht“ des Verbands. Thomas Vollmar vertritt den GVA gegenüber den Medien, der Politik und anderen Akteuren. Er ist unser oberster Repräsentant und trifft zusammen mit dem GVA-Präsidium die strategischen Entscheidungen. Diese müssen zur Entscheidungsfindung mitaufbereitet und später auf Arbeitsebene umgesetzt werden. Dieses mache ich aus zweiter Reihe. Das bedeutet, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit mir im Hintergrund dafür Sorge tragen, dass der Verband seine Aufgaben erfüllt. Dazu gibt es eine enge Abstimmung und Rückkopplung mit dem Präsidenten.

Wir haben auch gleiche Vorstellungen davon, wo und wie der Verband seinen Fokus setzen soll. Ich koordiniere und führe die einzelnen Fachabteilungen und treffe die operativen Entscheidungen in der Geschäftsstelle. Zu meinen Aufgaben gehört es darüber hinaus, den GVA auf Arbeitsebene zu vertreten. Im Gegensatz zu unserem Präsidenten gebe ich in der Regel wenige Interviews, sondern arbeite in diversen Arbeitsgruppen mit und bringe die Expertise des GVA ein. Salopp formuliert würde ich einfach sagen: Ich sehe zu, dass der Laden läuft und halte dem Präsidenten den Rücken frei.

Der GVA ist ein recht kleiner Verband mit begrenzten personellen Kapazitäten. Was braucht es, um auf Bundes- und EU-Ebene gehört zu werden und die Positionen des freien Teilehandels zu vertreten?  

Der GVA mag zwar im Gegensatz zu anderen Verbänden personell kleiner aufgestellt sein, aber es mangelt uns nicht an Schlagkraft. Abgesehen davon haben wir uns jüngst mit der Einstellung von Dominik Lutter als technischen Direktor/Referent für europäische Angelegenheiten enorm verstärkt. Nicht die Quantität ist entscheidend, sondern die Qualität ist es. Wir sind auf allen Positionen sehr gut besetzt, um unseren Aufgaben erfolgreich nachgehen zu können. Zahlreiche Klagen und Prozesse bis vor den Europäischen Gerichtshof, mit Auswirkungen auf den gesamten europäischen Teilemarkt, haben zu einer sehr bewussten Wahrnehmung des GVA bei den rechtlichen und politischen Akteuren geführt. Um die Positionen des freien Teilehandels auf Bundes- und EU-Ebene erfolgreich zu platzieren, bedarf es Glaubwürdigkeit und Expertise. Beides kann der GVA vorweisen.

Sowohl in Berlin als auch in Brüssel sind wir stark vertreten und bei Konsultationen wird unsere Position angefragt. Zuletzt wurde aktiv, seitens eines Ministeriums, um unsere Einschätzung gebeten. Das ist ein Zeichen von Vertrauen und zugestandener Seriosität, mit dem beziehungsweise der wir verantwortungsvoll umgehen – in Verbändeanhörungen, Hintergrundgesprächen und bei Stellungnahmen. Unsere Lobbyarbeit wird zudem von einer demnächst ausgeweiteten Öffentlichkeitsarbeit flankiert.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den freien Kfz-Teilehandel in den nächsten Jahren?

Eine akute Herausforderung ist die zeitnahe Verabschiedung einer sektorspezifischen Regelung beim Zugang zu Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierten Daten. Es fehlt zurzeit ein geeigneter rechtlicher Rahmen. Die Daten liegen auf den Servern der Fahrzeughersteller und nur diese entscheiden, wer wann auf welche Daten zugreifen kann. Dieses schränkt die Möglichkeit neuer Dienstleistungen, Innovationen, Geschäftsmodelle und letztlich den Wettbewerb ein – und schadet somit auch den Autofahrern. Damit die Wahlfreiheit der Kunden auch in Zukunft gesichert ist, braucht es aus Sicht des GVA dringend eine sektorspezifische Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierten Daten. Dieser sollte, unter Einhaltung von Sicherheitsvorschriften, einen diskriminierungsfreien Zugang in Echtzeit zu Fahrzeugdaten, -funktionen und -ressourcen beinhalten. Der GVA setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Akteure des freien Automotive Aftermarkets nicht ins Abseits geraten.

Eine weitere Herausforderung, die auch unsere Branche nicht verschont, ist der sich verschärfende Fachkräftemangel, der sich mittlerweile schon zu einem Arbeitskräftemangel ausgeweitet hat. Deshalb denke ich, die Fachkräftesicherung – also das Halten der bereits gewonnenen Mitarbeiter – wird weiter an Bedeutung gewinnen. Wir sind im engen Austausch mit unseren Mitgliedern, die auf Unternehmensebene für gute Arbeitsplätze sorgen. Als Branchenverband bieten wir mit dem Programm unseres GVA-Colleges ausgezeichnete Werkzeuge zur Fachkräftesicherung an. Bezüglich der Herausforderungen bietet das Verhalten der Marktteilnehmer einen schier unerschöpflichen Quell an Vorgängen, bei denen der GVA als Schutzschild und Hüter der Interessen seiner Mitglieder auftritt, um deren vielfältige Geschäftsmodelle gegen Diskriminierung und Benachteiligung zu verteidigen. Und das werden wir auch weiterhin tun, denn wir sind die Guten!

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