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Motoreninstandsetzung 24. März 2022

AGR-Kühler sorgt für doppelten Motorschaden

Warum die Fehlerdiagnose bei Motorschäden so wichtig ist, zeigt unser aktueller Fall: Ein Ford Transit erleidet gleich zwei Motorschäden, bis der eigentliche Schaden gefunden und behoben ist.

Ist Wasser im Verbrennungsraum zu finden, muss immer auch der AGR-Kühler abgedrückt werden, um einen Defekt auszuschließen.
Ist Wasser im Verbrennungsraum zu finden, muss immer auch der AGR-Kühler abgedrückt werden, um einen Defekt auszuschließen.

Der Ford Transit ist aus der Welt der leichten Nutzfahrzeuge nicht wegzudenken. In der neuesten Generation arbeitet in dem treuen Transporter ein Zweiliter-Vierzylinder Dieselmotor, der je nach Ausbaustufe zwischen 105 PS und 185 PS und 360 Nm bis 415 Nm Drehmoment in das Getriebe schickt. Um die Euro-6b-Norm zu erfüllen, arbeitet der Motor mit einem SCR-Kat mit DPF und einer gekühlten Abgasrückführung – diese sollte dem Motor zum Verhängnis werden, doch von Beginn an.

Der Transit Custom wartet auf ein neues Spenderherz – das ist aktuell aber kaum zu bekommen.
Der Transit Custom wartet auf ein neues Spenderherz – das ist aktuell aber kaum zu bekommen.

Der Fahrzeughalter setzte das Fahrzeug im Langstrecken-Pendelverkehr ein, mit wechselnden Fahrern. Immer wieder stellten die Fahrer einen leichten Kühlmittelmangel fest, da dieser jedoch meist geringfügig war und große Strecken zwischen dem letzten Auffüllen lagen, maß man dem Sachverhalt wenig Bedeutung bei – so lange, bis es zu spät war. Durch das eindringende Kühlwasser kam es zu einem Wasserschlag, der die Laufgarnitur in Mitleidenschaft zog. Da aufgrund der hohen Laufleistung die Zylinder ohnehin schon einigen Verschleiß aufzeigten und die Ursache des Wassereinbruchs im Bereich des Zylinderkopfs vermutet wurde, wurde der Motorblock geplant und mit neuen Laufbuchsen versehen und ging so wieder auf die Reise.

Das Glück währte jedoch nicht lange, bis wieder Wasser nachgefüllt werden musste und der Motor erneut mit einem Motorschaden liegen blieb. Diesmal mit Wasser im Öl – das war neu – und wenig Kompression auf zwei Zylindern. Da der Halter und die Werkstatt, die die erste Reparatur ausgeführt hatten, nicht weiter wussten, wurde der Transit nun zu Motoreninstandsetzung Streit im Sauerland geschleppt. Das Mitgliedsunternehmen der Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe (GMI) zerlegte den Motor und untersuchte ihn eingängig. Der Fehler wurde schnell gefunden: Der Motorblock war zwischen zwei Zylindern gerissen.

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In der Vergrößerung wird der Riss deutlich. Da der Block bereits aufgebohrt wurde, ist hier das Ende der Reparaturfähigkeit erreicht.
In der Vergrößerung wird der Riss deutlich. Da der Block bereits aufgebohrt wurde, ist hier das Ende der Reparaturfähigkeit erreicht.

Stefan Streit, Geschäftsführer von Motoreninstandsetzung Streit in Lennestadt: „Wir haben hier einen klassischen Fehler, der auftritt, wenn man bei einem Motorschaden nicht das gesamte Umfeld untersucht. Die vorangegangene Reparatur war fachmännisch und technisch einwandfrei, nur leider hatte man es versäumt, den AGR-Kühler auszutauschen – das kommt den Kunden jetzt teuer zu stehen.“

Am geöffneten Block wird der Schaden deutlich. Obwohl bei der vorangegangenen Reparatur bereits trockene Laufbuchsen eingezogen wurden, ist der Motorblock durch die thermische Belastung und die ausbleibende Kühlung durch Dampfblasenbildung genau am Zylindersteg gerissen. „Das ist thermisch die höchst belastete Stelle im Motor“, so Instandsetzungsexperte Stefan Streit. „Wenn es dann zu Problemen im Kühlkreislauf kommt, ist hier ein Schaden beinahe vorprogrammiert.“ Besonders ärgerlich für den Kunden: Ersatzblöcke sind derzeit Mangelware. Das Fahrzeug ist noch neu, bei den Instandsetzungsbetrieben sind noch keine Bestände vorhanden. Gleichzeitig hat auch Hersteller Ford nur wenige Aggregate auf Vorrat, diese jedoch zumeist als vormontierter Long- oder Shortblock, um die eigenen Werkstätten zu beliefern.

Der Übeltäter

Durch die dünnen Röhren des Kühlers strömt das Abgas, der Wassermantel sorgt für die notwendige Kühlung – eigentlich.
Durch die dünnen Röhren des Kühlers strömt das Abgas, der Wassermantel sorgt für die notwendige Kühlung – eigentlich.

Verantwortlich für das Problem im vorliegenden Fall ist der AGR-Kühler. Er dient in modernen Motoren dazu, das Abgas abzukühlen, welches vor allem im Teillastbereich der Verbrennung wieder zugeführt wird, um die Emissionswerte zu senken. Im AGR-Kühler treffen zwei Medien aufeinander: das heiße Abgas sowie das kühle Nass des Kühlmittelkreislaufs. Ein feines Netz aus Röhren oder Lamellen vergrößert die Oberfläche des Wärmetauschers, damit nimmt allerdings auch das Schadenspotenzial zu. Gerade bei der Verwendung von Kraftstoffen mit hohem Schwefel- oder Bioanteil kann es auf der Abgasseite des AGR-Kühlers zur Bildung von aggressiven Verbrennungsprodukten kommen, die die Kühlrippen aus Edelstahl oder Aluminium allmählich zerfressen.

Während der Motor läuft, herrscht auf der Abgasseite ein Überdruck, sodass kein Kühlmittel während des Betriebs in die Abgasseite eindringen kann. Beim Abstellen des Motors kehrt sich das Druckverhältnis jedoch um, und das Kühlmittel dringt in den Abgas- und damit in den Ansaugtrakt des Motors ein. Wenn der AGR-Kühler zudem höher liegt als die Ein- und Auslassventile, kann es zu Kühlmittelansammlungen im Verbrennungsraum eines oder mehrerer Zylinder führen. Wird der Motor gestartet, kommt es zu „Wasserschlägen“ mit schwerwiegenden Schäden an Kolben, Zylinder oder Pleuel.

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Fazit

Stefan Streit, Geschäftsführer von Motoreninstandsetzung Streit in Lennestadt kennt die Folgen ungenauer Diagnosen zur Genüge.
Stefan Streit, Geschäftsführer von Motoreninstandsetzung Streit in Lennestadt kennt die Folgen ungenauer Diagnosen zur Genüge.

„Sobald man im Motor Rückstände von Kühlmittel findet, muss nicht nur der Zylinderkopf, sondern auch der AGR-Kühler abgedrückt werden“, rät Stefan Streit. „Das passende Ersatzteil  hätte den Kunden keine 400 Euro gekostet, aber einen zweiten, kapitalen Motorschaden verhindern können. Wer hier spart, erweist seinem Kunden einen Bärendienst, zumal das Abdrücken schnell gemacht ist und auch als Fremdleistung nur wenig Geld kostet.“

Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe e.V.

In der gemeinsamen Beitragsserie von amz und GMI kommen die Motorexperten der Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe e.V. (GMI) zu Wort. Die GMI-Fachleute berichten von typischen Schadensfällen, zeigen an konkreten Motoren Reparaturlösungen auf und geben Tipps für die nachhaltige Instandsetzung. Die GMI-Mitgliedsunternehmen stehen für eine qualitätsorientierte Motorenaufbereitung. Sie erfüllen freiwillig einen Katalog von strikten Qualitätskriterien und verpflichten sich dazu, sie regelmäßig zu überwachen und zu dokumentieren. Für ihre Produkte und Dienstleistungen dürfen sie das RAL Gütezeichen Motoreninstandsetzung (Standard RAL GZ-797) nutzen. Im konkreten Fall waren wir bei der Firma Motoreninstandsetzung Streit in Lennestadt, Nordrhein-Westfalen, zu Besuch. Sie erreichen das Unternehmen unter 02725/247 oder per Mail: info@streit-motoren.de.

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