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Kraftstofffilter im Test: 4. September 2023

Die Qualität ist von außen nicht erkennbar

Filterwechsel sind in der Werkstatt tägliches Geschäft – entsprechend viel Umsatz steht dahinter. Daher kommt manch ein Unternehmer auf die Idee, mit günstigen Filtern seine Marge aufzubessern. Eine gute Idee? Die amz-Redaktion hat sich Kraftstofffilter genauer angeschaut.

V.l.n.r.: Neuer Filter, gebraucht aber in Ordnung, defekter Billigfilter. Bei unserem Filtervergleich erlebten wir eine echte Überraschung. 
V.l.n.r.: Neuer Filter, gebraucht aber in Ordnung, defekter Billigfilter. Bei unserem Filtervergleich erlebten wir eine echte Überraschung. 

Für den Vergleich haben wir zwei Benzin-Kraftstofffilter „aus dem echten Leben“ unter die Lupe genommen: Von einer freien Werkstatt haben wir zwei Benzinfilter aus Mercedes-Fahrzeugen erhalten, die eindeutig wesentlich länger als das vorgegebene Wechselintervall im Einsatz waren. Gleichwohl liefen beide Kundenfahrzeuge laut Werkstatt sowohl vor- als auch nach dem Filterwechsel problemlos. Beide Filter, ein überalterter OEM-Filter sowie ein günstiges Derivat, sind original verschlossen in der Redaktion eingetroffen. Da sich die Qualität der gebrauchten Teile von außen nicht beurteilen lässt, haben wir die Filter gemeinsam mit dem Filtrationsexperten Mann+Hummel geöffnet und den Zustand bewertet.

Schutzschild für das Einspritzsystem

Der Kraftstofffilter sorgt dafür, dass Partikel aus dem Kraftstoff nicht die teure Einspritztechnik beschädigen. Fremdpartikel gelangen über Staub und verschmutzte Zapfpistolen, aber auch durch Kanister und nicht zuletzt den Kraftstoff selbst ins Fahrzeug. Der Kraftstofffilter ist daher mit einem Filtermedium ausgestattet, das kleinste Partikel im Bereich von wenigen Mikrometern zuverlässig abscheidet. Schmutz also, der mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist. Saharastaub ist um ein Vielfaches größer.

Wesentlich für eine lange Lebensdauer der Kraftstofffilter sind Qualität, Aufbau und die Menge der verwendeten Materialien. Bezüglich des Aufbaus sorgen spezielle Prägungen der Filtermedien für einen gleichmäßigen und stabilen Faltenabstand und damit für eine hohe Filtrationsleistung. Auch das sogenannte „Paketieren“, bei dem sich Papierfalten zu einem Block zusammenlegen und die nutzbare Filterfläche reduzieren, wird so verhindert. Eine große Rolle spielen außerdem Dichtungen und Dichtringe: Sie sollten passgenau sein und den unterschiedlichen Temperaturen und Drücken standhalten.

Wir haben Filter aus dem echten Leben getestet, die schon etliche Jahre auf dem Buckel haben.
Wir haben Filter aus dem echten Leben getestet, die schon etliche Jahre auf dem Buckel haben.
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Bei den von uns geprüften Filtern wird die erforderliche Abscheideleistung mit einem reinen Zellulosemedium erreicht. Für moderne Motoren mit höheren Ansprüchen an die Filterfeinheit kombiniert man das Zellulose-Trägermedium mit einer synthetischen Meltblown-Lage. Hat der ungereinigte Kraftstoff die erste Lage aus feinsten, schmelzgeblasenen Kunststofffasern passiert, durchströmt er eine zweite, sehr dichte Lage aus Zellulose. Die Schmutzaufnahmekapazität ist gegenüber herkömmlichen Zellulosemedien deutlich verbessert.

Dosenöffner Drehbank

Um den Blick ins Innere zu ermöglichen, müssen zunächst die Aluminiumgehäuse der Filter geöffnet werden – dabei dürfen jedoch keine Späne den Filter kontaminieren. Daher wanderten unsere Filter auf die Drehbank, wo der vordere Deckel unter laufendem Fließspan abgestochen wurde.

Mit der Drehbank wird die Filterdose geöffnet.
Mit der Drehbank wird die Filterdose geöffnet.

Der OEM-Filter zeigt sich sichtlich beladen, erkennbar an der dunklen Farbe der Filterzellulose. Der Deckel ist blitzsauber, der O-Ring auch nach langjährigem Einsatz noch weich und elastisch. Laut Jörg Schömmel, Senior Product Manager bei Mann-Filter, der ideale Zustand: „Wir sehen hier einen hochwertigen Filter. Sowohl die durchgängig dunkle Färbung der Zellulose als auch die saubere Reinseite nach dem Filterelement zeigen, dass der Filter seine Aufgabe bislang gut erfüllt hat. Der notwendige Zeitpunkt für den Filterwechsel ist für Fahrer und Werkstatt jedoch nicht erkennbar und wird auch nirgends angezeigt. Wer einen hochwertigen Filter verwendet und wie vom Fahrzeughersteller vorgegeben regelmäßig tauscht, geht keine möglicherweise teuren Kompromisse beim Schutz von Motor und Kraftstoffsystem ein. Ansonsten drohen ein höherer Kraftstoffverbrauch, höherer Verschleiß und eine verminderte Lebensdauer von Motor und Einspritzsystem, bis hin zum Totalausfall.“

Überraschung beim Billigfilter

Nach dem Entfernen des Gehäusedeckels staunten wir beim Billigfilter nicht schlecht: Schon die vordere Endscheibe ist massiv verformt, das Filtermedium kollabiert – Volltreffer! Frank Bartel, Produktmanager Kraftstofffilter bei Mann-Filter zu dem Zufallsfund: „Was wir hier sehen, ist natürlich der absolute Worstcase. Das Filtermedium aus Zellulose ist kollabiert und hat sich von der Endscheibe gelöst, der Kraftstoff wurde unfiltriert zum Motor befördert. Man sieht auch im direkten Vergleich zum OEM Filter, dass der O-Ring verhärtet ist und damit keinerlei Dichtfunktion mehr aufweist. Das Filterinnere sollte nur gereinigten Kraftstoff enthalten, zeigt aber starke Verschmutzungen. An der Beladung des Filtermediums kann man mit bloßem Auge unverschmutzte Stellen sehen. Das lässt mich befürchten, dass dieser Filter bereits frühzeitig versagte. Bei einem einwandfrei funktionierenden Filter sollte die Beladung gleichmäßig verteilt sein, d.h. das komplette Filtermedium wurde für die Filtration genutzt.“

Mit einem solchen Fund hatten weder wir noch die Filtrationsexperten gerechnet. Jörg Schömmel ergänzt: „Ich hatte bei dem günstigen Nachbaufilter mit schlechteren Materialien und einer geringeren Qualität gerechnet, wie wir sie beispielsweise bei dem O-Ring vorgefunden haben. Dass nun genau dieser Filter, den Sie als Muster mitgebracht haben, kollabiert ist, unterstreicht die Gefährdung durch billige Filterelemente noch einmal deutlich.“

Ungenutztes Umsatzpotenzial

Der Markenfilter ist sichtbar beladen, aber hat seine Funktion bis zum Schluss sauber erfüllt – im wahrsten Sinne des Wortes. 
Der Markenfilter ist sichtbar beladen, aber hat seine Funktion bis zum Schluss sauber erfüllt – im wahrsten Sinne des Wortes. 

Die vorliegenden Filter stammten aus zwei Fahrzeugen, die zuvor bei anderen freien Werkstätten zur Wartung waren, bis sie in die amz-Partnerwerkstatt kamen. In beiden Fällen war das Wartungsintervall deutlich überschritten. Frank Bartel weist auf die Wirtschaftlichkeit der Filterwechsel hin: „Wird der Kraftstofffilter nicht nach den Angaben des Fahrzeugherstellers, in diesem Fall alle vier Jahre getauscht, dann verschenkt die Werkstatt wichtiges Wartungspotential. In Vierjahresschritten gerechnet: Pro vier Jahre entgeht der Werkstatt eine Wartung des Kraftstofffilters. Je nachdem, wie viele Fahrzeuge eine Werkstatt wartet, kann auf diese Weise einiges an Umsatzpotential verschenkt werden. Plus das Risiko, dass Filter so aussehen könnten wie der gezeigte minderwertige Filter mit der Gefahr von Verschleiß des Motors. Sauberer Kraftstoff ist für den Motor unabdingbar, denn bereits kleinste Schmutzpartikel können ernsthafte Schäden am Einspritzsystem verursachen und seine Leistungsfähigkeit mindern.“

Weiter ergänzt er: „Die Werkstatt sollte ihre Kunden auf die überalterten Filter und die Gefahren ansprechen und hinweisen, auch wenn diese ursprünglich nur für einen Ölwechsel die Werkstatt besucht haben. Letztlich liegt es auch im Interesse des Kunden, den Kraftstofffilter regelmäßig durch einen Qualitätsfilter auszutauschen. Minderwertige Filter sind kaum günstiger. Die Mehrkosten für ein Markenprodukt lohnen sich für Werkstätten, denn sie sind eine Investition in langjährige Kundentreue sowie für die Kunden, weil sie ein langlebiges Fahrzeug haben.“

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