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Motor und Antrieb 27. Februar 2023

Kleine Kraftpakete – Motoren mit zwei und drei Zylindern

Der Weg des Dreizylindermotors führte von der Sparmotorisierung für Kleinstwagen zum technologisch komplexen Antrieb mit Premiumanspruch. Weiterführende Hybridkonzepte und künftige Emissionsrichtlinien werden zu vertretbaren Kosten ohne Dreizylinder nicht umsetzbar sein.

Dreizylindermotoren wie der 1.5 eTSI Motor mit  110kW / 150 PS habe sich zum neuen „Standard“ entwickelt und verdrängen den Vierzylinder.
Dreizylindermotoren wie der 1.5 eTSI Motor mit  110kW / 150 PS habe sich zum neuen „Standard“ entwickelt und verdrängen den Vierzylinder.

Kinder der 1960er- und 1970er Jahre erinnern sich sicherlich noch an die Autoquartettspiele aus Jugendzeiten: ausgewählte technische Daten der Fahrzeuge wurden gegeneinandergestellt, Gewinner des Durchgangs war der Spieler, dessen Karte das schnellste oder stärkste Auto zeigte. Wer einen Sportwagen mit Acht- oder sogar Zwölfzylindermotor vorweisen konnte, hielt den Trumpf in den Händen. Kleinwagen mit einem kleinvolumigen Zweizylinder wie der NSU Prinz oder einem Dreizylindermotor waren im Spiel so gut wie chancenlos, denn sogar der VW Käfer, der Brot-und-Butter-Wagen der damaligen Zeit, hatte vier Zylinder aufzuweisen. In den 1980er-Jahren waren Motoren unterhalb der magischen Vierer-Grenze im Pkw-Bereich auch bei Kleinwagen annähernd ausgestorben, nur vereinzelt verirrten sich noch Modelle wie die legendäre Citroen 2CV „Ente“ mit Zwei- oder der Suzuki Swift mit Dreizylindermotor ins Verkehrsgeschehen.

Jugendlich – der NSU Prinz 4 auf einem damaligen Pressefoto
Jugendlich – der NSU Prinz 4 auf einem damaligen Pressefoto

Die zweite Welle

Erst mit steigendem Umweltbewusstsein erlebten Motoren mit weniger als vier Zylindern wieder neuen Auftrieb. Denn lässt man die emotionale Komponente außen vor und nähert sich der Zylinderfrage rein technisch, erkennt man schnell die Vorteile sogenannter Downsizing-Konzepte: Die geringere Zylinderanzahl bietet Potenziale für kleinere, leichtere und vor allem sparsamere Motoren. 1996 stellte Greenpeace den Prototyp Twingo SmILE vor, der den Benzinverbrauch des Grundfahrzeugs auf die Hälfte reduzierten sollte. Der 0,36-l-Zweizylinder-Boxermotor mit Druckwellenlader mit einem hohen Ladedruckverhältnis von 3 entwickelte bei 26 bar Mitteldruck 75 Nm Drehmoment und eine Höchstleistung von 40 kW. Seinerzeit stieß die Konzeptstudie nur auf geringes Interesse, aber schon wenig später zeigten auch etablierte Hersteller wie VW, Opel und Mercedes-Benz für den Smart neue Motorgenerationen mit weniger als vier Zylindern. Als für die meisten Anwendungen ideal kristallisierte sich dabei eine Anordnung mit drei Zylindern und einem Hubraum zwischen 1,0 und 1,5 l heraus. Eine Ausnahme bildete Smart, wo der Ottomotor zwar mit nur 0,6 l Hubraum auskommen musste, im Gegensatz zu vielen anderen Aggregaten dieser Zeit aber schon turboaufgeladen war. Andere Hersteller wie VW oder Opel setzten beim Ottomotor zunächst noch auf einfache Konzepte ohne Aufladung. Anders sah es beim Diesel aus, Direkteinspritzung und Turbo waren hier schon früh Standard, wie beispielsweise beim 1,4-l-TDI-Motor, den Volkswagen ab 1999 in Lupo und Polo einsetzte, und beim kleineren 1,2-l-Aggregat für den 3-l-Lupo.

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Mit steigenden Ansprüchen wechselten viele Hersteller auch beim Ottomotor auf die zukunftsweisende Turbo-Direkteinspritzung, um Fahrzeugklassen jenseits der Kleinwagen erschließen zu können. So zog mit dem EcoBoost im Ford Focus der Dreizylinder 2012 in die Kompaktklasse ein, und BMW als Premiumhersteller nutzte ab Herbst 2014 Dreizylindermotoren im 2er Active Tourer. Einen ungewöhnlichen Weg ging Fiat 2010 mit dem Twin-Air-Motor, einem Zweizylinder-Reihenmotor als Parallel-Twin mit variabler Ventilsteuerung. Den 0,875-l-Ottomotor gab es in drei Leistungsstufen von 48 kW ohne bis zu 77 kW mit Turboaufladung. Nach rund zehn Jahren verschwand das Konzept nahezu unbemerkt aus dem Angebot, die Lücke wurde durch konventionelle Dreizylindermotoren gefüllt.

Vorteile bei Hybridisierung und Emissionen

Bei der Weiterentwicklung des Dreizylinderkonzepts liegt der Schwerpunkt heute vor allem auf der gesamtsystemischen Betrachtung des Antriebs. Das gilt speziell bei Hybridsystemen, bei denen Verbrennungsmotor und Elektromaschine zusammen für den Antrieb des Fahrzeugs zuständig sind. Schon bei der Konzeption müssen sich die Entwickler überlegen, welche Betriebsbereiche der Verbrennungsmotor abdecken soll, wo und wie ihm die Elektrifizierung, etwa durch Lastpunktverschiebung, helfen kann. Dreizylindermotoren bieten dabei im Vergleich zu Vierzylindern größere Freiräume, die verbrennungsmotorische und elektrische Leistung des Antriebs so zu skalieren, dass hohe Leistung, gute Fahrbarkeit und geringer Verbrauch kombiniert werden können.

Motorseitig kommen Technikbausteine wie das sogenannte Miller-Brennverfahren zum Einsatz. Es senkt speziell im Teillastbereich, also bei kundennaher Fahrweise, den Verbrauch. Die Grundlage dafür bildet das frühe Schließen der Einlassventile, das die Drosselverluste verringert und eine hohe Verdichtung erlaubt. VW beispielsweise nutzt diese Technik beim 1,0-l-TSI-Motor, kombiniert mit einer kontinuierlich verstellbaren Einlassnockenwelle und einem aufwendigen Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG). Damit wird verhindert, dass das durch den Miller-Zyklus verringerte Frischgasvolumen die Leistung und das Drehmoment beschneidet. Während die Nockenverstellung die Füllung beim Gasgeben erhöht, ermöglicht der VTG-Lader hohe Ladedrücke bis 2,8 bar. Dadurch kann der Motor sein maximales Drehmoment schon bei sehr niedrigen Drehzahlen spontan aufbauen. Ein Nachteil des Miller-Zyklus sind hohe Abgastemperaturen, die beim 1,0-l-TSI-Motor bis zu 950 Grad Celsius betragen können und bei der Turboladerentwicklung besonders im Blick gehalten werden müssen.

Auch für die Emissionsreduzierung bieten Downsizingkonzepte mit drei Zylindern Vorteile. Das gilt besonders bei der Erfüllung künftiger Richtlinien wie der Euro-7-Abgasnorm. Probleme ergeben sich dort beispielsweise beim Kaltstart. Die Abgasnachbehandlungskomponenten wie der Dreiwegekatalysator beim Ottomotor oder das SCR-System beim Dieselmotor müssen sich dann bekanntlich erst auf Betriebstemperatur aufheizen, damit sie mit optimalem Wirkungsgrad arbeiten können. Da das Katalysatorvolumen bei einem Downsizingmotor kleiner dimensioniert ist, verringert sich die thermische Masse des Systems, der Kat erreicht also schneller nach Antritt der Fahrt seine Anspringtemperatur und beginnt mit der Abgasreinigung.

Vor einem Jahrzehnt war Ford der Wegbereiter der Dreizylinder-Technologie. Der kompakte 1,0-Liter-EcoBoost-Motor wurde in der Kategorie „Bester Motor bis 1 Liter Hubraum“ mehrfach als „Engine of the Year“ ausgezeichnet.
Der Dreizylinder – Fluch oder Segen?
Downsizing hieß vor zehn Jahren das Gebot der Stunde. Immer weiter verschärfte Emissions- und CO2-Vorschriften ließen seinerzeit mit dem Dreizylinder eine neue Motorengeneration entstehen. Die anfängliche Skepsis war groß – doch war sie auch berechtigt?

Aufgrund der vielzähligen technischen Pluspunkte werden Dreizylindermotoren auch künftig fester Bestandteil des Antriebsprogramms annähernd aller Großserien-Fahrzeughersteller bleiben. Dass Emotionen dabei nicht zu kurz kommen müssen, hat BMW schon im Jahr 2013 mit dem Modell I8 gezeigt. Sein Plug-in-Hybrid-System bestand aus einem aufgeladenen 1,5-l-Dreizylindermotor, der bis zu 170 kW lieferte, kombiniert mit einer 105-kW-Elektromaschine. Allerdings zeigte BMW auch, wo die Grenzen des Dreizylinderkonzepts liegen: Wurde der BMW 318i bis 2019 mit einem Dreizylindermotor ausgeliefert, ging man für die folgende Generation wieder auf vier Zylinder. Andere Hersteller haben den Hubraum ihrer Dreizylinderaggegate im Laufe der Zeit wieder leicht erhöht und so auf geänderte Anforderungen an Fahrbarkeit, Kosten und Umweltverhalten reagiert. „Rightsizing statt Statt Downsizing“ ist das übliche Schlagwort in der Branche für diesen Ansatz. Auch durch Anpassungen wie diese hat sich der Dreizylindermotor in den vergangenen Jahrzehnten vom Einfachmotor zum kleinen Kraftpaket mit Allrounder-Qualitäten gewandelt, das den Vergleich zu großvolumigeren Motoren nicht mehr scheuen muss – heute hätte man mit einem Dreizylinder im Autoquartett vielleicht nicht immer den Stich in der Hand, aber auch nicht unbedingt das Nachsehen.

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