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Elektromobilität 15. Februar 2024

Reparatur vor Second-Life vor Recycling

Akkus werden mit der Zeit immer schwächer. Mit einem cleveren Batteriemanagement lässt sich die Lebensdauer aber deutlich verlängern. Genau hier setzt das Kieler Start-up Heimdalytics an. Die amz hat Unternehmensgründer Dr. Christoph Weber dazu befragt.

Christoph Weber ist Professor für Mechatronik mit dem Schwerpunkt Entwurf elektrischer Schaltungen an der Fachhochschule Kiel. 
Christoph Weber ist Professor für Mechatronik mit dem Schwerpunkt Entwurf elektrischer Schaltungen an der Fachhochschule Kiel. 

Das Kieler Start-up Heimdalytics will die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien erhöhen, indem es das Laden intelligenter steuert. Schnelles Laden stresst auf Grund der dabei entstehenden hohen Temperaturen die Akkus. Mithilfe von Verfahren auf Basis von Künstlicher Intelligenz, die die unmittelbare Temperaturentwicklung durch hohe Ströme vorhersagen, werden die Ladeströme optimal ausbalanciert. Der Algorithmus soll die Lebensdauer von Batteriesystemen um 10 bis 20 Prozent verlängern. Zudem geht es Heimdalytics darum, die Traktionsbatterie so lange zu reparieren, bis der Gesundheitszustand, der „State of Health“ (SoH), ein Niveau erreicht hat, welches den Einsatz im Elektrofahrzeug nicht mehr rechtfertigt. Erst dann beginnt das zweite Leben (2nd-Life) als stationärer Speicher. Dr. Christoph Weber, Professor an der FH Kiel und Gründer der Heimdalytics GmbH, spricht im Interview über die Entwicklung.

Herr Dr. Weber, was messen Sie bei Ihrem Verfahren zur Batteriediagnose?

Dr. Christoph Weber: Wir haben ein Verfahren entwickelt, welches eigene Merkmale zur Beurteilung des Qualitätszustandes von Batteriemodulen ermittelt. Insbesondere messen wir ein zellindividuelles Impedanzspektrum. Impedanzen kann man als Wechselstromwiderstände interpretieren, die sich in Abhängigkeit von Alter und Nutzungsgrad der Batterien ändern. Durch eine Künstliche Intelligenz (KI) kann der Zusammenhang des tatsächlichen Qualitätszustandes (engl. State of Health, SoH) und den erfassten Merkmalen erlernt werden.

Dazu müssen zunächst ca. 200 bis 300 Module des gleichen Typs, aber mit unterschiedlichen Alterungszuständen analysiert werden. Diese Module werden komplett aufgeladen und gemäß einem Normprofil entladen. Dieser Entladevorgang ermöglicht es, den gespeicherten Energieinhalt des Moduls zu erfassen und diesen als Zielgröße (State of Health) zu definieren. Während des Entladevorganges ermitteln wir bei unterschiedlichen Ladezuständen die Impedanzspektren und weitere Merkmale. Dies bietet die Grundlage, ein KI-basiertes Modell zur Schätzung des SoH zu trainieren.

Damit ist es dann möglich, anhand einer kurzen Messzeit einmalig die relevanten Merkmale zu erfassen und schließlich mit dem KI-Modell den SoH zu schätzen. Was vorher Stunden gedauert hatte, wird durch unsere Lösung in wenigen Minuten vollzogen. Ziel ist es also, den größten Nachteil alternativer Vorgehensweisen zu vermeiden, bei denen der SoH durch eine komplette Entladung der Batterie ermittelt wird.

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Bitte erläutern Sie uns den Unterschied zu anderen Diagnoseverfahren genauer.

In vielen anderen Verfahren wird die Qualitätseinschätzung des Batteriesystems dadurch umgesetzt, dass man das Batteriesystem eines Elektrofahrzeuges zunächst vollständig lädt und dann mit einem Datenrecorder alle Spannungs-, Strom- und Temperaturverläufe aufzeichnet. Auf diesem Wege ist es möglich, innerhalb einer kompletten Entladung die entnommene Energiemenge zu berechnen. Dass das Batteriesystem leer ist, zeigt sich daran, dass mindestens eine Zelle ihre Entladeschlussspannung erreicht hat. Diese Messung ist zwar aussagekräftig, benötigt i. d. R. aber immer einen Fahrer. Die Verfahren nutzen also sozusagen den Halter des Fahrzeuges als Testfahrer, um beispielsweise während eines Tages den SoH zu bemessen.

Nachteilig ist, dass das Verfahren nur auf Messdaten zurückgreifen kann, die vom Steuergerät des Fahrzeugherstellers stammen. Eine unabhängige Messung wird dabei nicht durchgeführt. Des Weiteren wird nur eine Momentaufnahme des SoH abgebildet, die nur im kompletten Batteriepaket erfasst werden kann. Unser Verfahren ist hingegen ein sogenanntes Offline-Verfahren, d. h. wir können die Messung und damit die aktuelle SoH-Schätzung zu jeder Zeit wiederholen. Also auch dann, wenn das Modul für eine Zeit lang eingelagert wurde.

Ist Ihr Diagnoseverfahren nur für Lithium-Ionen-Batterien geeignet oder auch für andere Batterietypen?

Das Verfahren ist für alle Batterietypen geeignet. Wesentliche Voraussetzung ist, dass eine ausreichend große Datenbasis bestehen muss, aus der die KI-Modelle trainiert werden können.

Sie schreiben auf Ihrer Homepage: „Wir finden geeignete gebrauchte Austauschmodule aus Ihrem Inventar mit gleicher Qualität.“ Können Sie das genauer erläutern? Woher bekommen Sie Module in ausreichender Menge?

Viele OEM stehen vor dem Problem, dass nach dem Ablauf der Gewährleistung viele Batteriesysteme in ihrem Restwert unbekannt sind. Ein Halter eines gebrauchten Elektrofahrzeuges läuft aber immer Gefahr, dass das Batteriesystem einen Defekt aufweist. Dieser betrifft dann den Ausfall einer einzelnen Zelle innerhalb eines Modules. Es besteht also ein starkes Interesse, dass eine Reparatur zumindest auf der Modulebene kostengünstig möglich sein sollte. Unsere Messsysteme speichern jede Modulmessung in einer firmeneigenen Datenbank ab. Nach einer erfolgten Messung kann damit festgestellt werden, ob ein Bestandsmodul existiert, das einen vergleichbaren SoH besitzt wie die intakten Zellen des defekten Moduls. Sofern dieser SoH noch gut ist, lohnt sich die Reparatur mit dem identifizierten gebrauchten Austauschmodul.

OEMs erhalten bereits jetzt eine Vielzahl von Modulen zurück, die z. B. noch hohe SoH-Werte besitzen (z. B. Leasing-Rückläufer, verunfallte Fahrzeuge). Was fehlt, ist eine geeignete Bemessungsgrundlage, die vorhandenen Module in Ihren SoH einzuschätzen.

Können mit Ihrer Hilfe auch andere diese Batterien reparieren, z.B. freie Werkstätten oder Autohäuser?

Auch Vertragswerkstätten mit angeschlossenen Batteriereparaturzentren sollen dieses Messgerät nutzen. Die Vorgehensweise wäre die folgende: Ein Halter mit einem defekten Batteriemodul sucht die Werkstatt auf. Das betroffene Modul wird durch unser Diagnosesystem vermessen. Diese Analyse liefert einen SoH-Wert für die intakten Zellen und bestätigt den Defekt an der defekten Zelle. Der SoH-Wert der intakten Zellen bildet dann die Basis ein Bestandmodul zu identifizieren, das passungsfähig ist.

Die Messung wird so einfach wie möglich gehalten. Über einen Webbrowser werden nur Daten präsentiert, die für den Nutzer relevant sind. Unser Diagnosegerät weist einen SoH-Wert für das Modul aus und benennt ein Bestandmodul mit seiner Seriennummer, welches für den Austausch am besten geeignet ist.

Ist eine Reparatur auch von Batterien aus PHEV möglich bzw. wirtschaftlich interessant?

Ja, aber die Belastung auf solche Batteriesysteme sind auf Grund der hohen Leistungen bei geringen Kapazitäten sehr hoch. Deshalb wäre es vermutlich wirtschaftlicher, auf ein neues Batteriesystem zu setzen.

(Günter Schmidt)

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