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Keine Scheu vor Bots & Co.

Im Autodienst Bochum kommen nicht nur KI-Tools zum Einsatz. Geschäftsführer Michael Dittmar arbeitet mit IT-Dienstleistern und Instituten auch an Lösungen für die Werkstattbranche.

Ressourcenplanung mittels KI-Anwendung für die Werkstatt: Daran feilt der Geschäftsführer Michael Dittmar mit Experten aus der Wirtschaftsförderung.
Ressourcenplanung mittels KI-Anwendung für die Werkstatt: Daran feilt der Geschäftsführer Michael Dittmar mit Experten aus der Wirtschaftsförderung.

Die IT-Welt gebiert immer mehr Anwendungen, die mittels Künstlicher Intelligenz (KI) den Menschen in privaten und beruflichen Situationen unterstützen sollen. Was diese genau leisten müssen, um als intelligent eingestuft zu werden, ist allerdings nicht klar definiert. Das europäische Parlament schreibt dazu auf seiner Webseite: „Künstliche Intelligenz ist die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren.“ Des Weiteren heißt es unter anderem: „KI-Systeme sind in der Lage, ihr Handeln anzupassen, indem sie die Folgen früherer Aktionen analysieren und autonom arbeiten.“ Mit dieser Begriffsbestimmung kann sich Michael Dittmar, Geschäftsführer im Autodienst Bochum, anfreunden. Was er konkret von der Technologie erwartet: „KI muss mir im täglichen Geschäft vor allem Denkarbeit abnehmen und dies durch wiederholtes Lernen immer besser erledigen.“

Der Kfz-Meister steht solchen Entwicklungen generell positiv gegenüber. Deshalb bedient er sich beherzt aus dem Werkzeugkasten, den das KI-Ökosystem derzeit zur Verfügung stellt. Denn es trägt im Zuge der internen Digitalisierung eine gehörige Portion bei, um den Betrieb mit seinem 14-köpfigen Team ressourcenschonender zu managen und Zeit zu sparen. Warum mehr Effizienz notwendig ist, spiegelt sich in den Themen wider, die das Führungsduo aus ihm und Thomas Stachowiak gegenwärtig beschäftigen. Dazu gehören der Bedarf an Fachkräften, wachsende Bürokratie und Transformationsdruck in der Branche etwa hin zur E-Mobilität. Das steigert das Leistungssoll.

Von ChatGPT bis hin zu KI-gestütztem E-Mail- sowie Bewerber-Management: Der Autodienst Bochum nutzt unterschiedliche Tools.
Von ChatGPT bis hin zu KI-gestütztem E-Mail- sowie Bewerber-Management: Der Autodienst Bochum nutzt unterschiedliche Tools.

Helfer, die messbar entlasten

Mitte des vergangenen Jahres hat die Kfz-Werkstatt daher die Bezahlversion von ChatGPT eingeführt. Seither ist der sprach- und textverarbeitende Chatbot bei verschiedenen administrativen Aufgaben gefragt. Ein Auftrag unlängst: die Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses für die digitale Fahrzeugakte. Das hat Michael Dittmar via Texteingabe, einem sogenannten „Prompt“, angefordert. „Die daraus generierte Vorlage war eine gute Basis, die in wenigen Minuten für unseren Bedarf angepasst werden konnte“, bewertet er das Ergebnis. Nach seiner Schätzung hätte es ohne die Anregung viele Stunden gebraucht, um alle gelisteten Punkte zusammenzutragen, aus denen er sich nun direkt bedienen und eine eigene Gliederung basteln konnte.

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Daneben leistet die Anwendung Tobit Team Schützenhilfe, um der Flut an E-Mails Herr zu werden. Jeden Tag zählt der Entscheider durchschnittlich 50 neue Nachrichten, teilweise mit langen Anschreiben. Deren Kernaussagen lässt sich der Unternehmer zusammenfassen. Gleiches gilt für Studien oder Erhebungen, die ihn interessieren. „Aus einer 200-seitigen Studie wird schnell die Essenz auf eine Seite gebracht“, freut sich Dittmar. Das entlastet. In Summe spart er damit zwischen 30 bis 60 Minuten pro Tag, die wieder für das Kerngeschäft frei sind. Dafür zahlt Autodienst Bochum für ChatGPT und Tobit jeweils rund 30 Euro pro Monat.

Neue Wege der Personalsuche

Den Berg an Aufgaben reduzieren aber nicht nur die beiden Assistenzen. Auch das Bewerber-Management-Tool von Connectoor hilft. Hierüber lässt der Betrieb anhand des gewünschten Profils automatisiert Stellenausschreibungen formulieren, auf der eigenen Webseite einblenden und den Interessenten direkt bewerben. „Es entstehen Annoncen, die ich in der kurzen Zeit nicht zustande gebracht hätte“, so Dittmar. Gleichwohl behält er das Zepter in der Hand und verpasst den Anschreiben die richtige Note. Er veranschaulicht das anhand der jüngsten Suche nach einem neuen Teammitglied in der Kundenannahme. „Mit der Überschrift ‚Serviceassistent‘ hätte sich niemand beworben. Die Ansprache ‚Kaufmännischer Mitarbeiter in freier Werkstatt‘ hat direkt zu fünf Bewerbern geführt. Deshalb kann man nicht alles den digitalen Helfern überantworten.“

Ressourcenplanung mittels KI?

Seine Sichtweise und Neugierde macht den Geschäftsführer zu mehr als einem reinen User, der Prozesse verbessern will. Er fahndet für sich und die Belegschaft regelmäßig nach neuen digitalen Instrumenten und tauscht sich mit Experten in regionalen Verbänden und Instituten aus, um Kooperationen bei der Entwicklung von IT-Lösungen für die Kfz-Werkstattbranche auszuloten. Dazu öffnet sich der Autodienst Bochum auch als Pilotbetrieb.

Unter Dittmar & Stachowiak firmiert der Autodienst Bochum, in dem Geschäftsführer Michael Dittmar konsequent auf IT setzt.
Unter Dittmar & Stachowiak firmiert der Autodienst Bochum, in dem Geschäftsführer Michael Dittmar konsequent auf IT setzt.

Ein Projekt, an dem sich die Werkstatt beteiligt, ist ein KI-gestütztes Ressourcen-Organisations-Tool. Das Ziel: die Planung langfristig bis auf Arbeitsplatz- und Monteursebene zu automatisieren. Das Vorhaben ist aufgrund der vielfältigen Einflüsse wie krankheitsbedingte Ausfälle, Urlaubszeiten, individuelle Kompetenzen und Auftragsarten eine große Herausforderung.

Gegenwärtig legt Dittmar mittels dieser Faktoren die Aufträge fest und ändert sie umgehend, wenn etwa ein Flottenkunde mit hoher Priorisierung hereinkommt. „Die Abläufe bei den Fahrzeugen anderer Kunden dürfen dadurch aber nicht erheblich beeinträchtigt werden“, betont Dittmar. Auf diese Weise kann das Team so durchschnittlich 17 Werkstattdurchgänge absolvieren. Durch die hohe Nachfrage und den eingebauten Puffer bei den Planungen steht der Kalender bei der Auslastung meist auf Rot. „Ich stelle mir vor, dass die KI das deutlich besser kann als ich und in einem Bruchteil der Zeit“, sagt Dittmar.

Mit einem Berater aus der Wirtschaftsförderung feilt der Entscheider hierfür an einer Bedarfsanalyse. Der Externe kann zwar bereits auf Erfahrungen mit KI-basierter Ressourcenplanung aus anderen Branchen zurückgreifen. Die komplexen und dynamischen Anforderungen der Kfz-Werkstätten bedürfen freilich weiterer und anderer Funktionen sowie Daten. Für eine durchgängige Disposition müsste unter anderem der Ressourcen- mit dem Online-Termin-Planer verknüpft werden. Kann alles so umgesetzt werden wie erhofft, bekommt er Unterstützung mittels KI-Anwendung im Personalbereich. Unterm Strich soll sie ein oder zwei Fachkräfte ersetzen, die im Markt nicht zu finden sind.

Einfluss von KI bei Dritten

Bei aller Begeisterung für die digitalen Möglichkeiten gibt Dittmar jedoch zu bedenken: „Das eine ist die Erschließung neuer Geschäftsfelder, um sich fit für die Zukunft zu machen. Das andere ist und bleibt die Leistung des Teams, das im Wettbewerb möglichst am besten bewertet wird und das meiste Vertrauen der Kunden genießt.“ Die Rolle der Mannschaft stärkt paradoxerweise die KI, welche Dritte verwenden – allen voran die Versicherer. Dittmar registriert, dass sie systematisch und teilweise willkürlich Kürzungen vornehmen. Seine Vermutung: Automatisierte Prozesse und KI sind zunehmend am Werk. Deshalb bindet er bei Haftpflicht- sowie Kaskoschäden stets einen Gutachter ein, zumal dessen Kosten in Rechnung gestellt werden können und der persönliche Dialog mit Ansprechpartnern bei den Versicherern nicht abreißt. Der Firmenlenker resümiert: „Mit Menschen kann man reden, mit KI nicht.“

Zentrales Zukunftsthema

Zugleich sieht Dittmar gerade im Bereich der Schadenbewertung noch beträchtliches Potenzial für KI, die alle Beteiligten weiter bringen: „Sie könnte beispielsweise Schäden analysieren und je nach Fall verschiedene Wege der Instandsetzung vorschlagen.“ In der Werkstatt direkt sieht er keinen sinnvollen Einsatzzweck. Vielmehr kann hier die Visualisierung komplexer Vorgänge mittels Augmented Reality(AR)-Technologie von Nutzen sein. Dittmar plant gegenwärtig ein AR-Projekt. Mehr will er nicht verraten. Sein Team soll es als erstes erfahren, sobald es einsatzbereit ist. (Annemarie Schneider)

Der technologieoffene Betrieb betreut sowohl Privat- als auch viele Flottenkunden.
Der technologieoffene Betrieb betreut sowohl Privat- als auch viele Flottenkunden.

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