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Das ZF 8-Gang Automatik-Getriebe wurde millionenfach gebaut und kommt in den verschiedensten Fabrikaten und Modellen zum Einsatz
Foto: BMW AG
Das ZF 8-Gang Automatik-Getriebe wurde millionenfach gebaut und kommt in den verschiedensten Fabrikaten und Modellen zum Einsatz

Getriebe

ZF 8HP – ein moderner Getriebeklassiker 

Fast jeder, der sich mit Fahrzeugtechnik beschäftigt, hatte schon Berührungspunkte mit dem Achtgang-Automatgetriebe 8HP von ZF. Seit 2009 wird es von Automobilherstellern weltweit eingesetzt. Durch ständige Weiterentwicklungen wurde das Getriebe mehrfach aktuellen Antriebs-Trends angepasst.

Das Jahr 2009 war kein besonders gutes für die Automobilindustrie. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise waren allgegenwärtig, sowohl Hersteller als auch Zulieferer kämpften mit Absatzeinbrüchen und die Stimmung der Branche war auf einem Tiefpunkt. Ein Lichtblick im Dunkel der allgemeinen automobilen Tristess bot ZF mit einer revolutionären Getriebeentwicklung. Das neue Wandler-Automatgetriebe 8HP verfügte über zwei Gänge mehr als das erfolgreiche 6HP, war speziell auf Heckantrieb- und Allradkonzepte ausgelegt und bot ein Drehmomentspektrum von 300 bis 1.000 Newtonmetern.

Damit war klar, dass ZF insbesondere auf Oberklasse-Fahrzeuge, Geländewagen und SUV zielte. Aus heutiger Sicht zeugt diese Entscheidung von unternehmerischer Weitsicht, denn nach der Wirtschaftskrise kam bekanntlich der Aufschwung und damit weltweit steigende Stückzahlen im Luxussegment. Für ZF selbst wurde das 8HP zu einem Dauerbrenner, der nunmehr schon in der vierten Modellgeneration auf dem Markt ist.

Hohe Effizienz als Entwicklungsziel

Bei der Entwicklung des 8HP-Automatgetriebes stand Aussagen von ZF zufolge nicht die Anzahl der Gänge, sondern die Minimierung des Kraftstoffverbrauchs im Vordergrund. Die Urversion des 8HP von 2009 senkte den Gesamtverbrauch um mindestens 6 Prozent im Vergleich zum Sechsgang-Vorgänger aus gleichem Hause. Ursächlich dafür waren einerseits eine Gesamtspreizung von 7,0, wodurch sich der Betriebspunkt der Motoren besser anpassen ließ, andererseits die innovative, reibungsoptimierte Konstruktion des Getriebes.

ZF hatte für das 8HP ein völlig neues Radsatzkonzept entwickelt. Bei vier Radsätzen besitzt das 8HP nur fünf Schaltelemente. Im Verbund mit drei Lamellenkupplungen und zwei Bremsen erreichte es damit einen höheren Wirkungsgrad als vergleichbare Getriebe. Da pro Gang lediglich zwei Schaltelemente geöffnet sind, wurden Schleppverluste deutlich minimiert. Unterstützt wurde diese Wirkung durch die neue achsparallele Flügelzellenpumpe. Aufgrund der integierten Konstruktion des Getriebes blieben die Dimensionen beim 8HP gegenüber dem 6HP unverändert und das Gewicht konnte sogar um 3 Prozent auf 89 kg inklusive Öl reduziert werden.

Der wichtigste Erfolgsfaktor des seinerzeit neuen 8HP waren jedoch die vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten durch ein flexibles Baukastensystem. Ohne Veränderung des Bauraums konnte das Getriebe beispielsweise mit einer integrierten Anfahrkupplung, einem Kurbelwellen-Startergenerator und sogar einem integrierten Mild- oder Vollhybridmodul ausgerüstet werden. Die Höchstleistung der E-Maschine, die komplett in das Getriebe integriert war, lag bei 80 Kilowatt, die Dauerleistung bei 45 Kilowatt. Das integrierte Anfahrelement konnte 550 Newtonmeter Anfahrmoment liefern. Erste Automobilhersteller, die auf die Hybridisierung mit dem 8HP setzten, waren 2011 Audi und BMW.

Im Jahr 2013 folgte die zweite Generation des 8HP-Getriebes. Durch Detailoptimierungen wurde der Verbrauch nochmals um 3 Prozent reduziert. Beispielsweise verringerte die Reduktion der Schleppmomente und die Senkung der Motordrehzahl die Verlustleistungen weiter, die Getriebespreizung wurde auf 7,8 erhöht und der Systemöldruck in weiten Betriebsbereichen gesenkt. Zusätzliches Sparpotenzial bot eine weiter optimierte Start-Stopp-Funktion. Von 2015 an war das 8HP auch in einer Plug-in-Hybridversion erhältlich.

Elektrifizierung gewinnt an Bedeutung

In der nächsten Version des 8HP, die 2018 in Serie ging, nahm ZF noch einmal zahlreiche Verbesserungen und Änderungen vor. Nach Analyse aller Komponenten wurde die Mechatronik neu ausgelegt, die Torsionsdämpfung weiterentwickelt und die maximale Getriebespreizung abermals auf 8,7 erhöht. Das Ergebnis war deutlich mehr Schaltdynamik und Fahrkomfort und ein um weitere 2,5 Prozent reduzierter Verbrauch.

Die Hybridmöglichkeiten aus dem Baukasten heraus gewannen bei den Kundenapplikationen immer mehr Gewicht. ZF bot ein klar strukturiertes Hybridprogramm beim 8HP mit Mild-, Voll- und Plug-in-Varianten. Beim Mildhybrid wurde der Elektromotor zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe platziert. Mit mit zu 15 Kilowatt Leistung und über 200 Newtonmetern Drehmoment ermöglichte er Start-Stopp-Funktion, Boosten und Rekuperieren. Der Vollhybrid bot eine Leistung von bis zu 40 Kilowatt und ein maximales Drehmoment von 230 Newtonmetern. E-Maschine, Kupplung, Torsionsdämpfer und Hydraulik waren platzsparend und effizient an der Stelle des Drehmomentwandlers in das Grundgetriebe eingepasst, eine Trennkupplung koppelte den Verbrennungsmotor im rein elektrischen Betrieb vom Antriebsstrang ab, sodass Schleppverluste vermieden wurden.

Herzstück der Plug-in-Version war eine E-Maschine, die über eine Leistung von 90 Kilowatt in der Spitze verfügte und ein Drehmoment bis zu 250 Newtonmeter entfaltete. Das hochintegrierte Komplettsystem aus Getriebe, Hybridmodul und Leistungselektronik war speziell auf längere rein elektrische Reichweiten und Geschwindigkeiten bis 120 km/h zugeschnitten. Trotz der größer dimesionierten E-Komponenten war das 8HP-Getriebe für Plug-in-Hybride nur 3 Zentimeter länger als der konventionelle Achtgangautomat.

Steigender Integrationsgrad

Noch einen Schritt weiter bei der Elektrifzierung geht die im Jahr 2022 eingeführte aktuelle vierte Generation des 8HP: Sie ist von Anfang an konsequent auf Mild- und Plug-in-Hybridisierung ausgelegt. Die Leistungselektronik ist nicht mehr als separate Einheit ausgeführt, sondern vollständig in das Getriebegehäuse integriert. Der Hochvolt-E-Motor der Plug-in-Hybridversion verfügt über eine maximale Leistung von 160 Kilowatt bzw. eine Dauerleistung von 80 Kilowatt. Das maximale Drehmoment beträgt 450 Newtonmeter.

Möglich ist das ohne signifikante Erhöhung der aktiven Länge, weil ZF eine neue Generation selbst entwickelter Elektromotoren nutzt. Anstelle von aufgewickeltem Kupferdraht kommen miteinander verschweißte Kupferstäbe zum Einsatz. Mit dieser als „Hair-pin-Verfahren“ bekannten Technologie lässt sich der für die Leistungsdichte entscheidende Kupferfüllgrad deutlich steigern. Das Mildhybridsystem des 8HP ist auf 48 Volt ausgelegt. Um die Applikation zu erleichtern, kann der Der E-Antrieb entweder auf der Kurbelwelle am Motorausgang oder und auf der Getriebeeingangswelle positioniert werden.

Alle Varianten der vierten 8HP-Generation haben gemein, dass die komplette Leistungselektronik nun erstmals in das Getriebegehäuse integriert ist. Das erleichtert die Montage beim Automobilhersteller und erhöht die elektrische Sicherheit im Fahrzeug. Damit die Leistungselektronik komplett in das Getriebe integriert werden kann, ohne dessen Außenabmessungen zu vergrößern, muss das Kühlkonzept radikal verändert werden.

Um der hohen Abwärme der Halbleiter zu beherrschen, schließt ZF die Leistungselektronik an den Kältemittelkreislauf der Fahrzeug-Klimaanlage an. Zudem wird die hydraulische Steuerung des Getriebes deutlich verkleinert: Benötigte die Hydrauliksteuerung bei der dritten Generation des Achtgang-Automatgetriebes noch ein Volumen von 3,1 Liter, so schrumpfte es nun auf 1,8 Liter. Möglich wird das vor allem durch den Einsatz von sogenannten Direktschaltventilen. Diese elektromagnetischen Aktuatoren benötigen anders als die bislang verwendeten elektrischen Drucksteller keine zusätzlichen Kolben und Buchsen mehr.

Moderner Getriebeklassiker

Annähernd 15 Jahre Bauzeit machen das 8HP von ZF zu einem Getriebeklassiker, vier Modellgenerationen haben es modern gehalten. Seine Geschichte ist auch ein Spiegelbild der aktuellen Automobilentwicklung: War das 8HP zum Serienstart 2009 auf den Einsatz mit Drehmomentwandler für konventionelle Verbrennungsmotoren ausgelegt und die Hybridvarianten wurden daraus abgeleitet, ist der Hybrid nun der Normalfall.

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