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…als auch die 24er Schlüsselweite.
Foto: amz / Baeumer
Ein Ölfilterschlüssel aus dem dem 3D-Drucker – Potenzial für das Werkzeugsortiment oder teure Spielerei?

Zukunftstechnologien

Werkzeug und Teile aus dem 3D-Drucker – ein Praxisversuch

Der 3D-Druck wird gerne als Revolution für Wirtschaft und Handel verkauft – Ersatzteile und Werkzeug lassen sich vor Ort nach Kundenbedarf einfach ausdrucken.  Doch wie gut funktioniert das in der Praxis? Das  haben wir uns an drei Beispielen näher angeschaut.

Nicht nur industrielle Hersteller, sondern auch handwerkliche Unternehmen setzen mittlerweile auf den 3D-Druck, um komplizierte Teile nachfertigen zu können, die es nicht mehr gibt oder deren Beschaffung zu lange dauert oder zu teuer wäre. Das so genannte additive Fertigungsverfahren basiert prinzipiell darauf, einzelne dünne Schichten im Zehntelmillimeterbereich so oft übereinander aufzutragen, bis die gewünschte Höhe erreicht ist. Doch dabei ist 3D-Druck nicht gleich 3D-Druck.

Metall oder Kunststoff ?

Fahrzeughersteller wie Mercedes-Benz oder Zulieferer wie ZF arbeiten meisten mit dem metallischen 3D-Druck. Hier wird ein Metallpulver Schicht für Schicht mittels eines Lasers punktgenau geschmolzen (gesintert). Das Ergebnis ist ein metallisches Objekt, welches in seinen Eigenschaften einem gegossenen Metallteil recht nahe kommt. Die Kosten für derartige Drucker liegen wenigstens im fünfstelligen Bereich, große Modelle  namhafter Hersteller knacken spielend die 100.000-Euro-Marke.

Bekannt sind aber eher die kleinen Modelle für Privatanwender oder den semiprofessionellen Einsatz, die Kunststoffe wie PLA oder ABS verarbeiten können. Diese Drucker sind erheblich günstigerer, die Preise beginnen bei 200 Euro und enden bei etwa 2.500 Euro für gehobene Modelle mit mehreren Druckköpfen. Zwar bauen auch diese Drucker ihre Werkstücke aus diversen Schichten auf, schmelzen dafür aber nur einen Kunststoff ein und laminieren diesen auf die vorhandene Lage. Dadurch sind derartige Druckobjekte nie so stabil wie das gleiche Teil aus Kunststoffspritzguss, da die Verbindung der Schichten eher einer Verklebung statt einem Guss ähnelt. Nichtsdestotrotz existieren tausende Druckvorlagen im Netz, weshalb wir den 3D-Druck für den IAM einem Praxisversuch unterziehen.

Größter Nachtteil des beliebten PLA-Materials ist seine Schwäche gegenüber UV-Strahlung und Hitze: Bei 180 Grad schmilzt das Material, schon in direkter und voller Sonneneinstrahlung wird es weich. UV-Strahlung lässt den Kunststoff zusätzlich altern. Damit ist es denkbar ungeeignet für den Einsatz im Kfz. Andere Materialen wie PETG, ABS oder PC bieten bessere Eigenschaften, sind aber schwieriger im Druck und setzen während des Druckvorgangs mitunter giftige Dämpfe frei.

Ölfilterschlüssel, Spreizniet und Klappenentriegler aus dem Drucker

Das erste Testobjekt in unserem Versuch ist ein Ölfilterschlüssel: 14 Kant, 68mm. Ein käufliches Modell liegt je nach Material (Stahlbelch, Aluminium) zwischen 10 und 15 Euro. Nachdem ein passendes 3D-Objekt gefunden war (www.thinkiverse.com), wurde es mittels dem Zusatzprogramm „Slicer“ in Maschinencode für den spezifischen, eigenen 3D Druck umgewandelt. In der gleichen Vorgehensweise haben wir einen typischen Spreizniet sowie einen Klappenentriegler für einen Mercedes-Pkw ausdruckt.

Nach dem Umwandeln des 3D-Objekts kann der Druck beginnen. Satte 5 Stunden und 11 Minuten betrug die Druckdauer in unserem Fall auf einem Drucker der Hobby-Mittelklasse (RF 2000) – da kann man auch auf den Service des Teilehändlers warten. Der Materialverbrauch liegt bei etwa 150 Gramm PLA (Kilopreis etwa 25 Euro). Inklusive der benötigten Stützstruktur zum Drucken des Hohlraums hatten wir einen Stromverbrauch von 2,5 kWh (Arbeitspreis 35 Cent).

So addieren sich die Kosten für den Selbstdruck wie folgt:

  • Verbrauchsmaterial PLA: 3,75 €
  • Stromverbrauch Druck: ca. 0,87 €
  • Gesamtkosten = 4,62 €

Hinzu kommen in einer vollständigen Rechnung noch anteilig die Kosten für den Computer und etwa 0,5 Arbeitsstunden für Download, Anpassung und Konvertierung der Daten für den Drucker sowie natürlich die Investitionskosten für den Drucker selbst. Man stellt schnell fest: Das Verfahren ist alles andere als billig.

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Das gleiche Objekt, ein Spreizniet, wurde in zwei Ausrichtungen gedruckt (vertikal/horizontal) – die Unterschiede sind gewaltig.
Foto: amz / Baeumer
Das gleiche Objekt, ein Spreizniet, wurde in zwei Ausrichtungen gedruckt (vertikal/horizontal) – die Unterschiede sind gewaltig.

Passt und funktioniert – mit Einschränkungen

Wir wollen aber das Verfahren nicht schlechter machen als es ist: Nach dem Entfernen der Stützstruktur sind die Teile fertig – der Ölfilterschlüssel passt auf Anhieb, ein entsprechender Filter ließ sich problemlos wechseln.

Der Spreizniet hingegen ist nicht ganz so sauber geworden wie das Original, was an der filigranen Form liegt. Der Innere und äußere Teil sind miteinander verschmolzen und lassen sich nur mit starkem Druck bewegen. Der Klappenentriegler ist grundsätzlich gelungen und lediglich an der Spitze etwas verzogen. Ob er dauerhaft der Hitze im Motorraum standhält, muss die Praxis zeigen – die Zerreißprobe mit 30 kg Zugkraft hat das Bauteil jedenfalls erfolgreich bestanden.

Fazit

Stand heute ist der eigene 3D-Drucker nichts für die gewöhnliche Werkstatt. Neben einem sauberen Aufstellraum mit wenig Zugluft, der im Büro vielleicht noch gegeben ist, ist auch Knowhow im Bereich CAD und IT gefragt. Zu beachten ist außerdem, dass die die „Amtssprache“ der meisten Plattformen und Programme Englisch ist.

In der Realität klingt die additive Fertigung spannend – und der Blick auf den Drucker ist es auch. Preislich fallen jedoch alle drei Testobjekte aus dem Rahmen – jedes einzelne wäre teurer als ein käufliches Teil, bei weniger spezifischen – salopp gesagt schlechteren – Eigenschaften als dieses. Interessant bleibt das Verfahren daher vor allem für sehr spezielle und nicht mehr erhältliche Teile – und Profis, die die Komponenten digitalisieren und ihre Drucker beherrschen. Die weit verbreiteten Hobby- und semiprofessionellen Geräte eigenen sich für die Anwendung im Aftermarket jedoch (noch) nicht.

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