„Speziell an Kfz sind Schraubverbindungen zahlreichen äußeren Einflüssen ausgesetzt, die zu einem ungewollten Öffnen führen können“, sagt Peter Götzinger, Werkstoffprüfer für Turbinen und Kraftmaschinen aus Freising. Speziell die Schwingungen und Vibrationen der Verbrennungsmotoren in Kombination mit Temperaturschwankungen würden zu einem Setzen der Bauteile und damit zu einer Minimierung der Vorspannkraft der Schrauben führen. Daher müsse gerade bei reparierten Fahrzeugen besonders mit einem ungewollten Öffnen der Schrauben gerechnet werden. Besonders dann, wenn originale Befestigungselemente (wieder-) verwendet werden.
Soll eine Schraubverbindung gegen ungewolltes Öffnen gesichert werden, muss man zuerst die Belastungen kennen, denen sie ausgesetzt ist. „Dynamische Belastungen, wie am Fahrwerk oder im Motor, wirken meist senkrecht zur Schraubenachse“, erklärt Götzinger. Hier muss der Konstrukteur zunächst die richtige Auslegung der Schraubverbindung festlegen. Ganz wichtig ist hierbei, dass die zu verbindenden Bauteile nicht nachgeben können. Erreicht wird dies durch große Querschnitte und Material, das nicht „fließt“ und nicht elastisch ist. Die hierzu passenden Schraubverbindungen sollen jedoch nachgiebig sein. Ein Beispiel sind Dehnschrauben bei Pleuelfußverschraubungen. Werden hochfeste Schrauben und Muttern verbaut, ist sicherzustellen, dass sie gemäß ihrer Festigkeitsgrenze angezogen werden. Dabei darf es nicht zu einer Bauteilverformung kommen. Götzinger spricht hier von der so genannten „Grenzflächenpressung“.
Form, Kraft, Stoff
„Wo all dies nicht möglich ist oder niedrigfeste Schraubverbindungen notwendig sind, muss man auf verschiedene Schraubensicherungsmaßnahmen zurückgreifen“, so Götzinger. Der Fachmann unterscheidet hier zunächst drei Arten von Schraubensicherungen, die sich nach formschlüssig (u.a. Rippscheiben oder Sicherungsbleche mit Umschlagblechstreifen), kraftschlüssig (u.a. Federscheiben und –ringe, selbstsichernde Muttern mit Klemmteil) oder stoffschlüssig (Schraubenlack, Gewindeklebstoff) unterscheiden lassen.
„Primär sollen Schraubensicherungen die Vorspannkraft der Verbindung aufrechterhalten“, sagt Götzinger. Hierzu werden gerne Schnorr- Wellen- und Zahnscheiben aber auch Tellerfedern und spezielle Klebstoffe verwendet. Da jedoch nicht alle Schraubensicherungen diese Aufgabe erfüllen, unterscheiden Profis wie Götzinger sie nochmals in Losdrehsicherungen und Verliersicherungen. Im Gegensatz zur Losdrehsicherungen können Verliersicherungen die Vorspannkraft der Schraubverbindung auf Dauer nicht gewährleisten. Sie verhindern damit lediglich, dass Bauteile auseinanderfallen können. Die bekanntesten Verliersicherungen sind Sicherungsringe und selbstsichernde beziehungsweise selbsthemmende Muttern, wie zum Beispiel Kronenmuttern mit Splint-, Draht- bzw. Kunststoffsperrring-Einsatz oder Verriegelungsmuttern. Sie kommen sowohl bei hoch- als auch bei niedrigfesten Schraubverbindungen zum Einsatz.
Vorsicht bei „weichen“ Metallen
Noch vor einigen Jahren galten Fächerscheiben (DIN 6798), Federringe (DIN 127, DIN 128 und DIN 6905), Federscheiben (DIN 137 und DIN 6904), Kronenmuttern (DIN 937) mit Splint, Sicherungsbleche (DIN 93, DIN 432 und DIN 463), -muttern (DIN 7967), -näpfe (DIN 526) und Zahnscheiben (DIN 6797) als Losdrehsicherungen. Da sie aber die Vorspannung einer Schraubverbindung nicht auf Dauer halten können, weil sie aufgrund ihrer zu geringen Klemm- beziehungsweise Federkraft schon bei einem geringen Prozentsatz der Nennvorspannkraft der Schraube auf Block gehen und dann wie eine gewöhnliche Unterlegscheibe wirken, wurden sämtliche DIN-Normen dieser Schraubensicherungen zurückgezogen. Gegen ihre Verwendung als Verliersicherung spricht jedoch nichts.
Hauptursache für lockere Schraubverbindungen ist das Setzen der verwendeten Materialien. Die vorhandene (Micro-) Rauhigkeit der Kontakt-Oberflächen geht hierbei verloren und die Schraubverbindung wird mit der Zeit locker. Götzinger: „Typisch ist dies bei Kupfer- oder Aludichtungen von Ölablassschrauben oder Bauteilen, die aus ,weichen’ Metallen wie Aluminium oder Kupfer gefertigt sind.“ Aus diesem Grund sind hier immer neue Schrauben und Scheiben zu verwenden, die nach den ersten Betriebsstunden nachgezogen werden müssen. Gleiches gilt für Schrauben in Bauteile aus nachgiebigen Metallen.
Montage und Nachziehen darf dabei nur mit geeigneten genormten Werkzeugen erfolgen. Vor allem der Drehmomentschlüssel muss dabei aktuell kalibriert sein. „Hier ist das Anzugsmoment sehr wichtig. Es sollte stets bekannt sein“, warnt Götzinger. Wird es bewusst oder unbewusst überschritten, führt dies zu einer Schwächung (Überdehnung) der Schraubverbindung oder Verformung des Bauteils. Die Verwendung von Verlängerungen oder Kreuzgelenken ist daher ein absolutes Tabu, da sie zu einer Verfälschung des Anzugsmomentes führen können. Aus diesem Grund sind auch nur Schrauben und Sicherungselemente zu verwenden, die baugleich und vom Material her identisch mit den originalen Teilen sind. Nur mit ihnen können die Anzugsmomente korrekt umgesetzt werden.
Zusatz-Sicherung
Bei hochfesten Schraubenverbindungen, wie an der Lenkung, gibt es nur beschränkte Möglichkeiten einer zusätzlichen Sicherung. Meist sind dies Kronenmuttern mit Splinten oder Steckbolzen, die gegen die Schraubverbindung gesichert sein müssen. Aber auch spezielle hochfeste Gewindekleber haben sich hier bewährt.
Bei Stahlschrauben in Aluminiumbauteilen, die sich immer wieder lockern, empfiehlt Götzinger, selbstsichernde Gewindeeinsätze oder spezielle Gewinde. Jedoch muss man dann auf die Verwendung von Edelstahlschrauben in diesen Einsätzen verzichten, da sie sich in diese Gewinden fressen können. Auch hier haben sich leichte und mittelfeste Gewindekleber als zuverlässig herausgestellt.
Zum Schluss gibt Peter Götzinger noch einen wichtigen Rat, der eigentlich selbstverständlich sein sollte. „Bei jeder Schraubenmontage und -Sicherung ist auf penibelste Sauberkeit zu achten. Vor allem Staub oder Metallspäne auf dem Gewinde können das Anzugsmoment einer Schraubverbindung stark verfälschen. Wer verdreckte Schrauben und Muttern verbaut, der handelt fahrlässig, ein ungewolltes Öffnen der Verbindung ist dann nur eine Frage der Zeit.“