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Foto: Daimler AG
Groes Auto in kleiner Serie: Mercedes-Benz GLC F-Cell.

Motor und Antrieb

Sauber auf langen Strecken

Wasserstoff ist tot? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Brennstoffzellenfahrzeuge wachsen sich zur BEV-Konkurrenz aus.

Sechs Jahre nach dem Marktstart des Tesla Model S aber zeigt sich, dass die euphorischen Prognosen zu den Fortschritten bei der Batterie nicht eingetreten sind: Erwartung, Entwicklungsgeschwindigkeit und Preisverfall würden ähnlich wie bei Mikrochips verlaufen, wurde enttäuscht. Wegen weiterhin hoher Preise und der eingeschränkten Praxistauglichkeit ist diese Form der Elektromobilität lediglich bedingt konkurrenzfähig zu Otto- und Dieselmotoren. Die Automobilindustrie hat das bereits länger wahrgenommen und beginnt darum mit dem Verkauf brennstoffzellen-​elektrischer Fahrzeuge als Alternative: Mercedes liefert den GLC F-Cell aus. Hyundai hat mit dem Nexo bereits die zweite Generation im Programm und startet außerdem einen Großversuch mit 1000 schweren Sattelschleppern in der Schweiz. Toyota verkauft seit 2014 die Limousine Mirai und bereitet zur Olympiade 2020 in Tokio eine Offensive in Sachen Brennstoffzellen vor.

Toyota Mirai: Zwei Tanks mit je 2,5 Kilogramm Wasserstoff bei 700 Bar.Foto: Toyota

Prinzipiell sind Brennstoffzellenfahrzeuge Elektroautos, die ihren Strom selbst produzieren. Dazu tanken sie reinen Wasserstoff bei hohem Druck, der in einer Brennstoffzelle mit Luftsauerstoff in Strom umgewandelt wird. Der Tankvorgang dauert bei aktuellen Fahrzeugen rund drei Minuten. Die hohe Energiedichte von Wasserstoff kommt der Reichweite zugute: Sie liegt zum Beispiel beim Hyundai Nexo mit 6,33 Kilogramm fassendem Gasbehälter im Realbetrieb bei rund 500 Kilometern mit Richtgeschwindigkeit (Werksangabe: maximal 756 Kilometer). Der Wasserstoff entweicht nicht – das war in den 90er-Jahren anders, als Wasserstoff flüssig in tiefkalten Kryotanks gespeichert wurde: Durch den sogenannten Boil-off entleerten sich die Behälter langsam von selbst. Heutige Druckgastanks (Typ IV), wie sie auch für Erdgas genutzt werden können, sind nach Aussage von Audi fünfmal dichter als die für Benzin. Während also Druckgaswasserstofffahrzeuge monatelang stehen können, verlieren batterieelektrische Autos laufend Energie: Beim Vampire Drain geht täglich bis zu einem Prozent der Kapazität drauf, unter anderem für die Grundklimatisierung.

Tesla-Gründer Elon Musk scheint also das Potenzial der Brennstoffzelle erkannt zu haben und polemisiert heftig gegen die konkurrierende Technik: „Fuel cells are fool cells“, sagt er und schürt Ängste und Zweifel. So wird zum Beispiel die angebliche Explosionsgefahr von vielen Menschen ernst genommen. Auch hier liegt ein Missverständnis vor: Schlägt ein Tank tatsächlich leck, so verflüchtigt sich der Wasserstoff sehr schnell oder brennt, Zündenergie vorausgesetzt, in einer Stichflamme ab. Eine wirkliche Detonation ist dagegen genauso unwahrscheinlich wie die von konventionellen Autos mit Verbrennungsmotor. Ein zündfähiges Gemisch kann sich ähnlich wie bei Benzin nur in äußerst raren Szenarien bilden. Grundsätzlich gilt für alle Antriebsarten: Wer mit großen Energiemengen hantiert , muss Vorsichtsmaßnahmen treffen.

Schauen wir auf den Hyundai Nexo, die aktuelle Messlatte bei den brennstoffzellenelektrischen Autos. Er hat ähnliche Ausmaße wie ein Volkswagen Tiguan Allspace mit langem Radstand oder wie die batterieelektrischen SUV Audi e-tron und Mercedes EQC. Allerdings wiegen die beiden deutschen Stromer über 600 Kilogramm mehr als der Koreaner. Das höhere Gewicht liegt am immensen Materialeinsatz für große Batterien.

Beim e-tron etwa bringt der Mix aus unterschiedlichen Metallen von Stahl und Aluminium für das Gehäuse über Kupfer für die Kabel bis zu Lithium, Nickel und Kobalt rund 700 Kilogramm auf die Waage. Trotzdem kann die Reichweite der Premiumwettbewerber nicht annähernd mit der des Hyundais mithalten – hinzu kommen die im Vergleich zum Wasserstofftankvorgang sehr langen Ladezeiten. Bei weiten Strecken und hohen Fahrzeuggewichten ist die Brennstoffzelle also deutlich im Vorteil. Übrigens: Der Platinbedarf für den Stack liegt ungefähr auf dem Niveau eines SCR-Katalysators für Diesel-Pkw. Dieses Kontraargument zieht also nicht.

Hyundai Nexo: 6,33 Kilogramm Tankinhalt, 120 kW Leistung und eine NEFZ-Reichweite von 756 Kilometern.Foto: Hyundai

Aus der Perspektive der Energiewende ergibt es allerdings keinen Sinn, den batterie- gegen den brennstoffzellenelektrischen Antrieb auszuspielen. Vielmehr gilt es zu prüfen, welche Lösung für welchen Zweck geeignet ist. Ein gutes Beispiel dafür ist der Volkswagen e-Crafter: Er hat im Wesentlichen den Antriebsstrang aus dem e-Golf mit knapp 36 kWh Batteriekapazität.

Genug für rund 100 Kilometer im Verteilerverkehr, aber viel zu wenig für alle anderen Einsatzbereiche. Eine langstreckentaugliche Batterie wäre nicht nur sehr teuer, sie würde auch die Nutzlast des e-Crafters minimieren. Volkswagen Nutzfahrzeuge hat aus diesem Grund auf der IAA 2018 den brennstoffzellenelektrischen e-Crafter Hymotion gezeigt. Einen Prototyp, der nach Aussage der Marke mindestens zu einer Kleinserie führen soll.

Unterdessen wird in Deutschland fast jede Woche eine Wasserstofftankstelle eröffnet. Das kostet pro Standort etwa eine Million Euro. Für eine gute Abdeckung mit 2000 Säulen wären demnach rund zwei Milliarden Euro erforderlich. Was nach exorbitanter Investition klingt, relativiert sich beim Blick auf den aktuellen Durchsatz bei mineralischen Kraftstoffen.
So fließen pro Jahr 60 bis 70 Milliarden Euro durch die Zapfpistolen und mehr als die Hälfte dieser Summe landet als Steuer in der Staatskasse. Der Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur mit Wasserstofftankstellen (und auch Schnellladesäulen) ist also lediglich eine Frage des politischen Willens.

Ein Nachteil der sauberen Energie bleibt jedoch: Für das Zerlegen von Wasser in Wasserstoff und für das Komprimieren auf die aktuell rund 700 Bar wird viel Energie benötigt, sodass die Energiebilanz verhältnismäßig schlecht aussieht. Je nach Verfahren rechnen Experten hier mit einem etwa doppelt so hohen Energieeinsatz im direkten Vergleich von Brennstoffzelle und Batteriefahrzeug. Nach heutiger Einschätzung eignen sich batterieelektrische Fahrzeuge deswegen besonders dort, wo kurze Strecken in kleinen Autos zurückgelegt werden. Es ist kein Zufall, dass Smart den Fortwo ab 2020 ausschließlich mit Elektromotor anbietet. Die Grenze der vernünftigen Anwendung ist vermutlich dort überschritten, wo ein City-SUV im Polo-Segment wie der batteriebetriebene Hyundai Kona EV über 1,8 Tonnen wiegt, mithin fast genauso viel wie der um mehrere Klassen größere Nexo mit Brennstoffzelle. Hinzu kommt die Tatsache der angespannten Versorgungssituation mit Rohstoffen für die Batteriezellen: Die Vorstellung, 100 Millionen pro Jahr neu gebauter Autos plus Nutzfahrzeuge müssten oder dürften nur mit Batterien fahren, würde mit der derzeitigen Zellchemie zu einer nicht zu gewinnenden Ressourcenschlacht ausarten.

Bei der Elektromobilität werden importierte fossile Rohstoffe (Benzin, Diesel, Erdgas) durch selbst hergestellte Fahrenergie (Strom, Wasserstoff) ersetzt. Wenn zeitgleich die Energieerzeugung aus Windkraft- und Fotovoltaikanlagen zunimmt, führt das zu einer größeren volkswirtschaftlichen Autarkie. Und mit dem brennstoffzellenelektrischen Antrieb als Alternative bleibt das Versprechen des Autos an sich erhalten: die unbegrenzte Mobilität. (Christoph M. Schwarzer)

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