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Foto: Trainmobil

Luftfahrwerk

Sänfte in der Werkstatt

Wenn über Luftfahrwerke gesprochen wird, denken viele an das Oberklasse-Segment. Die Realität sieht heute aber anders aus. Die Luftfederung ist von der Oberklasse bis in die untere Mittelklasse eingezogen und wird auch in freien Werkstätten immer präsenter.

Viele Werkstätten nehmen immer noch großen Abstand von diesem Thema und lassen somit ein immer größer werdendes Marktsegment an sich vorbeiziehen. In den folgenden Kapiteln soll ein Basisverständnis über die Funktion und die Herangehensweise bei Luftfedersystemen vermittelt werden, um in Zukunft keinen Kunden mehr wegschicken zu müssen.

Aufgaben der Federung

Die Aufgabe der Federung besteht darin, Fahrbahnunterschiede und damit verbundene Schläge auszugleichen. Die Feder nimmt dabei die Energie, die durch einen Schlag entsteht, auf, speichert diese und gibt sie in Form von Bewegungsenergie wieder ab.

Federrate

Mit Federrate wird die "Härte" der Federung bezeichnet. Sie gibt an, wie viel Kraft aufgebracht werden muss, um die Feder 1 cm zusammenzudrücken.

Lineare Federn haben bei gleichem Gewicht eine konstante Federrate über ihren gesamten Federweg. Das heißt: Wenn das Gewicht zunimmt, ändert sich auch die Federrate und somit die Schwingungsfrequenz des Aufbaus (wird bei Zuladung komfortabler, da Aufbaueigenfrequenz abnimmt). Der Nachteil bei diesen Federn ist, dass die Gefahr von Federdurchschlägen mit steigendem Gewicht größer wird. Bei progressiven Federn hingegen nimmt die Federrate bei steigendem Einfederweg zu. Dadurch kann bei Zuladung die Aufbaueigenfrequenz beibehalten werden und das Fahrzeug wird bei starken Bremsvorgängen und Kurvendurchfahrten stabiler. Es entsteht eine geringere Gefahr des Durchschlagens, aber es gibt Komforteinbußen bei zunehmendem Federweg.Allgemein gilt: Je kleiner die Federrate im Verhältnis zur Fahrzeugmasse, desto höher der Fahrkomfort, aber auch so geringer die Stabilität. Es ist also gewünscht, dass bei steigendem Fahrzeuggewicht (z. B. durch Zuladung) das Verhältnis zur Federrate konstant bleibt, um jederzeit einen guten Fahrkomfort zu erzielen.

Unterschiede von Luftfederung gegenüber Stahlfedern

Die meistverbaute Art der Federung sind Stahl-/ Schraubfedern, da sie im Gegensatz zu Luftfedersystemen wesentlich kostengünstiger in der Herstellung sind. Der große Vorteil von Luftfedern gegenüber Schraubfedern liegt darin, dass eine Niveauregulierung durch Erhöhen oder Absenken des Luftdrucks im Luftbalg relativ leicht umgesetzt werden kann. Mit steigendem Druck ergibt sich eine Anpassung der Federrate an die unterschiedlichen Beladungszustände des Fahrzeugs und die Aufbaueigenfrequenz bleibt gleich, daraus resultiert ein beladungsunabhängiger Fahrkomfort.

Mit Luftfederung lassen sich einige Möglichkeiten realisieren:

  • Automatische/elektronische Niveauregulierung (durch Ventile an den Bälgen kann das Fahrzeugniveau je nach Beladungszustand angepasst werden ⇒ Keine Veränderung des Federwegs ⇒ geringe Spur- und Sturzveränderung bei Beladung ⇒ weniger Reifenverschleiß)
  • Manuelle Niveauregulierung (Anpassung der Höhe zum Beladen oder Aus-/Einsteigen über vorgegebene Niveaustufen)
  • Absenkung des Aufbaus bei hoher Geschwindigkeit und damit Verbesserung des CW-Wertes (Strömungswiderstand) und der Stabilität.

Dadurch ergeben sich folgende Vorteile:

  • Die Einfederung im Ruhezustand des Fahrzeugs bleibt unabhängig von der Beladung immer gleich. Dadurch kann der Raum, welcher für den Federweg genutzt wird, geringer und somit optimierter ausgelegt werden
  • Durch gleichbleibenden Federweg kann das Fahrzeug weicher und somit komfortabler abgefedert werden
  • Gleichbleibende Bodenfreiheit
  • Keine aufhängungsabhängige Spur- und Sturzänderung durch Beladung
  • Durch die daraus geringere Beugung der Aufhängungskomponenten (wie Lenkerlager und Kugelköpfe) entsteht eine geringere Belastung und somit weniger Verschleiß
  • Wegfallen einer Scheinwerfer Höheneinstellung
  • Außerdem haben Sie im Vergleich zu Stahlfederung eine bessere Entkopplung von Fahrbahngeräuschen und ein feineres Ansprechverhalten.

Häufige Ursachen für ein ausgefallenes Luftfahrwerk

  • Luftbälge undicht
  • Verschlauchung undicht
  • Kompressor defekt

Besonders häufig sind im Straßenbild defekte Luftbälge anzutreffen. Wenn das Fahrzeug eine gewisse Zeit lang steht, sinkt es komplett die unteren Anschläge ab, da die Bälge die Luft nicht mehr richtig halten können. Bei Mittelklassefahrzeugen mit Niveauregulierung endet dies im „Hänge-Hintern“, Oberklassefahrzeuge mit Luftfahrwerk an beiden Achsen sinken gar so tief ab, dass der Kompressor das Fahrzeug erst wieder anheben muss, um die Vorderräder einschlagen zu können. Der Austausch der Luftbälge ist grundsätzlich keine besonders schwere Aufgabe – man muss nur einige Punkte beachten.

Niemals das Fahrzeug mit druckloser Luftfeder von der Hebebühne absenken!

Auch wenn Arbeiten am Fahrwerk noch „richtige, mechanische Arbeit“ sind, sollte man an dieser Stelle auf keinen Fall den Fehler machen und nach Einbau der neuen Luftbälge das Fahrzeug wieder auf seine vier Räder zu stellen, ohne die Luftfederung vorher neu initialisiert zu haben.

Anderenfalls droht man die neuen Luftbälge direkt wieder zu beschädigen – die Federbälge drohen dann innerhalb kürzester Zeit wieder auszufallen und das Fahrzeug landet als Gewährleistungsfall wieder bei Ihnen auf dem Hof.

Die richtige Vorgehensweise

Nach dem Einbau schließen Sie ihr Diagnosegerät an, lesen den Fehlerspeicher aus und starten die vom Hersteller vorgeschriebene Routine zur Neuinitialisierung der Luftfederung. Hier werden, noch während das Fahrzeug auf der Bühne ist, zunächst alle Luftbälge komplett entleert um eine gleichmäßige Füllung zu gewährleisten, und anschließend mit dem Solldruck beaufschlagt. So steht das Fahrzeug nach dem Ablassen direkt auf befüllten Luftfederbeinen und die teuren Teile werden nicht beschädigt.

Korrekter Anschluss der neuen Druckleitung

Die Druckleitung ist ebenfalls ein fehlerträchtiges Bauteil. Sie darf beim Einbau auf keinen Fall zu tief in das Restdruckventil eingeschoben, noch beim Anziehen der Schrauben verdreht oder gar geknickt werden. Zum Anziehen und Kontern des Schneidrings wird dringend die Verwendung eines Spezialwerkzeugs empfohlen, das Gegenhalten mit einer Zange sollte auf Grund des Fehlerpotenzials nur zur Not angewendet werden.

Hängendes Relais

Eine ebenso verbreitete Ursache für den Ausfall des Luftfahrwerks ist das Relais, welches den Kompressor ansteuert. Mit der Zeit verharzen die Kontakte, die Folge ist, dass das Relais „kleben“ bleibt, der Kompressor nicht mehr abgeschaltet wird. Ist dies der Fall, droht der GAU: Der Kompressor läuft fest, ein Schaden der bei einem OE-Teil gern mit 900-1200€ zu Buche schlägt. Daher sollte man vorsorglich alle 5 Jahre das Relais des Kompressors austauschen, um den eigenen Kunden die Kosten eines defekten Kompressors zu ersparen.

Defekter Kompressor

Ist der Kompressor bereits defekt, hilft nur noch der teure Austausch. Allerdings sollte vor dem Einbau des neuen Kompressor unbedingt die eigentliche Ausfallursache gefunden werden. Hängt das Relais oder ist ein Niveausensor defekt, würde sonst auch der neue Kompressor dauerhaft vergeblich versuchen, das Fahrzeug wieder auf Sollhöhe anzuheben. Da er diese Position nicht erreichen kann, läuft auch der neue Kompressor schnell heiß und wird zeitnah erneut ausfallen - die Systeme sind nicht für den Dauerlauf konzipiert. Daher gilt es immer, die eigentliche Fehlerursache vorher zu finden. Den Kompressor kann man mit durch einen ähnlichen Motor, etwa einen alten Scheibenwischermotor, oder eine Glühlampe simulieren, ohne direkt das Neuteil anzuschließen.

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Das Luftfedermodul bedarf etwas mehr Aufmerksamkeit als ein konventioneller Stoßdämpfer.

Bilstein

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