Eine Plakatkampagne? SEO-Marketing? Oder gar regionale Radio- und Fernsehwerbung? Das kann leicht ins Geld gehen, womöglich sogar in die Hose – nicht jedes Unternehmen ist dazu in der Lage. Stattdessen bieten sich Kampagnen in den sozialen Netzwerken an, auch für Kfz-Werkstätten – selbst schmale Marketing-Budgets sind kein Hindernis. Wichtig sind Authentizität und Nähe zum Publikum.
Der Nfz-Teilespezialist Diesel Technic beispielsweise leistet sich seit 2017 mit den "Parts Specialists" ein laufendes Webformat, das Technik-Hotline, Trickkiste und Infotainment mit einer Prise Product Placement verbindet. Die Protagonisten Lars und Kevin sind Nfz-Techniker und stellen in bislang 15 Werkstattclips komplizierte Reparaturen und Wartungen in Szene. Pro Video wird einem Unternehmenssprecher zufolge etwa ein Drehtag in der Werkstatt verbracht. Hinzukommen noch Vorbereitung und Videoschnitt. Das Ergebnis finden Interessierte auf dem Youtube-Kanal von Diesel Technic.
Seit Kurzem gibt es dort auch die "PS-Tips" zu sehen. Die beiden Experten beantworten Fragen und zeigen Besonderheiten der DT Spare Parts- und Siegel Automotive-Artikel, hieß es. "Social Media ermöglicht es, in einen direkten, schnellen Austausch zu treten. Die verschiedenen Plattformen bieten eine ideale Basis für eine persönliche Kommunikation – beispielsweise können die 'Parts Specialists' ihren 'Werkstatt-Kollegen' auf lockere Art und Weise mit Rat und Tat beiseite stehen. Sie haben ein Ohr für ihre Follower", erklärten die Niedersachsen auf Anfrage.
Vollblutschrauber
Europart setzte im Jubiläumsjahr 2019 zusätzlich zu technischer Finesse auch auf Spannung und Emotionen. Aus Anlass des 70. Geburtstags unterstützte der Nfz-Teilehändler eine Schrauber-Challenge: Trucker Daniel Schewe und Werkstattbetreiber Nico Fischer standen vor der Herausforderung, in kurzer Zeit aus einem heruntergekommenen Kofferauflieger einen schicken Event-Trailer zu machen. Dieser sollte auf dem ADAC Truck-Grand-Prix präsentiert werden. Die einzelnen Videos veröffentlichten die Hagener online unter www.vollblut.net sowie auf Social-Media-Kanälen. "Für uns steht immer der Kunde im Mittelpunkt. Und der Kunde wird stetig digitaler", erläuterte Olaf Giesen, CEO bei Europart.
In der Folgezeit zerlegten der aus der DMAX-Dokuserie „Asphalt-Cowboys“ bekannte Vollbluttrucker und sein Pendant, der Vollblutschrauber und ehemalige Kopf eines Rennmechaniker-Teams in der Truck-Race-Europameisterschaft, Nico Fischer, den alten Trailer. Sie besserten Achsen und Bremsen aus, reparierten Luftleitungen und Elektrik und wandelten den Aufbau Schritt für Schritt in eine fahrbare Show-Bühne. Den Umbau mit all seinen Höhen und Tiefen bis zum tatsächlichen Happy End auf dem Nürburgring können Interessierte immer noch auf dem Youtube-Kanal von Europart verfolgen. Zum 70. Jubiläum rückte der Truck-, Trailer und Bus-Ersatzteile-Spezialist übrigens nicht nur das Vollblut-Team ins Rampenlicht, sondern präsentierte auch wichtige Kunden in kurzen Clips. Diese Beiträge finden sich ebenfalls online und generierten mehrere tausend Klicks pro Folge.
Mazda ist "Always On"
Eine Nummer größer zog Mazda ein eigenes Webformat auf: Die Mazda Garage war laut eigener Einschätzung die größte Content-Marketing-Kampagne des Importeurs im Internet und lief in insgesamt drei Staffeln von 2017 bis 2019 auf verschiedenen Social Media-Plattformen. Startpunkt war auch bei den Leverkusenern ein Jubiläum: Zum 50. Geburtstag des Kreiskolbenmotors suchte und restaurierte das Team um Moderatorenduo Det Müller und Cyndie Allemann einen Mazda Cosmo Sport. Der extravagante Motor benötigt weder Hubkolben noch Zylinder, sondern arbeitet stattdessen mit rotierenden Scheiben. Das Serienfinale der 14 Folgen umfassenden ersten Staffel brachte die Crew zur "Auto-Bild“-Rallye Hamburg-Berlin-Classik. Das Format generierte in der ersten Staffel über fünf Millionen Videoaufrufe und mehr als 22.000 neue Abonnenten, hieß es in einer Mitteilung.
Mit der zweiten Staffel ("The European Challenge") im darauffolgenden Jahr erreichte Mazda Deutschland eigenen Angaben zufolge 8,7 Millionen Views und rund 14.500 neue Abonnenten. Auch in Mazda Garage 3 hatten Zuschauer die Möglichkeit, die beiden Moderatoren sowie den Mechaniker Thomas Mayhack bei Restauration und Umbau eines Oldies zu begleiten: Ein Mazda MX-5 der ersten Generation schaffte im Staffelfinale mit 2.900 durchfahrenen Kurven den Weltrekord für die meisten mit dem Auto in zwölf Stunden gefahrenen Haarnadelkurven. Soweit, so sinnvoll: Doch nicht nur der Rekordversuch erwies sich als erfolgreich, auch die Content-Strategie von Mazda ging offensichtlich auf. "Der große Erfolg der Mazda Garage-Serie hat uns gezeigt, wie gut relevanter und unterhaltsamer Content auf Youtube funktioniert. Alle unsere Erwartungen wurden mehr als erfüllt", Dino Damiano, Direktor Marketing bei Mazda Motors Deutschland. Der Importeur bewegt sich marketingtechnisch weg von einer befristeten Kampagne hin zu einem "Always-On" Ansatz auf Social Media.
Die Branche rocken
Nicht jeder ist eine "Rampensau" wie Det Müller oder die Vollblutschrauber. Eine Rockstar-Attitude lässt sich aber zu einem gewissen Grad erlernen. Diese Ansicht vertritt zumindest Robert Merz. Der Berliner rief 2019 die "Rockstar Masterclass für Kfz-Betriebe", ins Leben. Als Agenturinhaber und Ideengeber berät er vor allem mittelständische Kunden. In jüngster Zeit unterstützt er Kfz-Betriebe "die für ihren Job brennen" auf ihrem Weg zur regionalen Marktführerschaft. "Wir sind so etwas wie ein Club, der sich auf Augenhöhe begegnet, einem bewährten roten Faden folgt, sich gegenseitig hilft. Und dabei die gesamte Branche rockt", so Robert Merz. E machen im Marketing alle das gleiche. "Also machen wir etwas komplett anderes, um uns abzuheben. Wir brauchen keine horrenden Budgets, Marketingpläne und laue Werbebotschaften, sondern gutes, bodenständiges Handwerk und echtes Engagement", meint Robert Merz.
Auch beim Weg zur Mitgliedschaft müssen die Werkstätten umdenken: So sollen sich Interessierte bewerben und erhalten mit etwas Rockstar-Potenzial Zugang zum "exklusiven Kreis, der Rockstar-Community". Das bringt regionale Exklusivität im Umkreis von rund 50 Kilometern, eine Schritt-für-Schritt-Anleitung per Online-Plattform und regelmäßigen Austausch mit Mentor Merz und anderen Gesinnungsgenossen. Mittel zum Erfolg sind auch bei Robert Merz die sozialen Medien, damit sollen sich Autofahrer der Umgebung mit dem Betrieb vernetzen. Digitale Mundpropaganda hoch zehn! Als Investment für die Community ist von einem mittleren vierstelligen Betrag die Rede.
"What the Fix?"
Auch TecAlliance setzt mit einer neuen Wissensserie namens "What the Fix?!" auf die digitale Karte. Laut Mitteilung soll künftig jeden Monat via LinkedIn, Facebook sowie Newsletter eine Reparaturanfrage aus der Werkstattpraxis, die Technikprofis der eigenen Expert-Hotline gelöst haben, vorgestellt werden. Die Zielgruppe sind Servicebetriebe, technische Informationen können aber auch Hobbyschrauber gebrauchen. Die eigene Kompetenz darstellen und über die sozialen Medien bekannter werden, lässt sich auch mit knappem Budget und wenig Zeit bewerkstelligen – man muss sich ja nicht gleich Influencer nennen. Auch Diesel Technic rät zum Selbstversuch: "Aus unserer Sicht ist es auch für Kfz-Servicebetriebe von Vorteil, wenn sie auf Social Media aktiv sind." Werksstätten treten so direkt mit ihren Kunden in Kontakt, beantworten Fragen, erhalten wichtiges Feedback und schaffen Vertrauen. "Werkstatt-Interessierte erhalten so besondere Einblicke und ein Austausch kann stattfinden", erklärten die Kirchdorfer.
Einen erfolgreichen Blog haben beispielsweise Christian Cloppenburg und Marco ten Hagen aufgebaut. Die beiden Kfz-Meister aus Oberbayern erklären sich und ihre Arbeit auf Social Media-Kanälen und haben eine Community um sich versammelt. Außerdem gibt es von den US-Car-Experten mittlerweile eine Schrauber-App und einen eigenen Merchandising-Shop auf der Homepage. Übrigens gibt es auch für Betriebsinhaber, die wenig Sendungsbewusstsein haben, vielleicht eine Lösung: Castrol würdigt mit der Aktion "Unsere Werkstatt-Helden" leistungsfähige Werkstätten. Die Namen fanden sich laut Mitteilung vor kurzem auf einem Teilnehmerauto der M-Sport Ford World Rally.