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Foto: amz / Baeumer

Mehrteilige Abstreifringe

Klemmer im Ringspalt

Kleinvolumige Motoren werden häufig im Kurzstreckenbetrieb eingesetzt. Laufen die Triebwerke unruhig, sind Schäden an den Ventilen nicht selten – die eigentliche Ursache sitzt jedoch tiefer im Block und beschert den Kunden meist einen weiteren Werkstattaufenthalt, wenn sie nicht behoben wird.

Die Erkenntnis, dass Verbrennungsmotoren Öl brauchen, ist ungefähr so neu wie der Hubkolbenmotor selbst. Während höhere Ölverbräuche bei Vielfahrern schnell auffallen, düst Oma Erna gerne ein halbes Jahr durch die Gegend um 2000 Kilometer abzuspulen und merkt daher kaum, dass der Wagen neben Sprit auch reichlich Schmierstoff mitverfeuert. Gerade die Kleinwagenfraktion ist in dieser Hinsicht besonders gefährdet: Die Motoren werden meist nur innerorts und auf Kurzstrecken bewegt, erreichen ihre Betriebstemperatur meist kaum oder gar nicht – fehlender Schmierstoff wird mit Kondenswasser und Treibstoff wieder „aufgefüllt“ und der Fahrer nimmt den stetigen Verbrauch des Lebenselixiers kaum wahr – bis der Motor unruhig läuft. Soweit, so normal.

Ursache: Ventilführungen?

Wenn nach der üblichen Fehlersuche die Ursache für das Problem immer noch nicht gefunden ist, und der Zylinderkopf demontiert wird, fallen verkokte und verbrannte Ventile auf – eine mehr als plausible Erklärung für fehlende Kompression und unruhigen Motorlauf. Als Ursache für den Ölverbrauch werden die Ventilführungen genannt und der Kopf daher in Absprache mit dem Kunden aufwendig überholt. Nach dem Erneuern der Ventilführungen geht der Kopf zum Planen und wird mit einer neuen Zylinderklopfdichtung wieder fachgerecht montiert – die meisten Mechaniker putzen auch noch „mal eben“ die Kolben des verkokten Motors – und erweisen dem Kunden damit einen Bärendienst.

Denn nach einer solchen Zylinderkopf-Instandsetzung wird in so einem Fall häufig der Ölverbrauch nicht geringer, sondern er verdoppelt sich mitunter. Dies fällt sogar dem Kurzstreckenfahrer auf, denn nun meldet sich regelmäßig die Ölstandswarnung. Die Fehlerursache saß gar nicht im Kopf. Die Werkstatt wird also wieder beim Instandsetzer vorstellig, der die Ventilführungen erneuerte und den Kopf plante.

Foto: Motoren Eckernkamp

Marcus Blienert, Betriebsleiter bei Eckernkamp in Leopoldshöhe: "Das eigentliche Problem dieser Motoren ist der mehrteilige Ölabstreifring – der entweder verschlissen ist, oder sich bereits durch die Ölkohle verklemmt hat. Wenn wir den Kopf dann wegen der ebenfalls verbrauchten Ventilführungen instandsetzen, schließt dieser wieder gasdicht, und der Überdruck findet seinen Weg am Kolben vorbei und fördert dann noch mehr Öl in den Brennraum. Wir fragen daher bei jeder Anfrage zu einem Motor mit mehrteiligen Abstreifringen nach, was die eigentliche Ursache ist, oder weisen auf das Problem hin."

Denn die Ölkohle setzt sich an den Ventilen, besonders stark entsprechend beim Auslassventil, fest, und verhindert so das dichte Abschließen. Zunächst verschlechtern sich daher Motorlauf und Startverhalten, was so manchem Fahrer aber kaum auffällt. Jedoch strömt nun auch das heiße Abgas an dem Ventil vorbei, welche seine Hitze ohnehin schon nicht mehr vollständig an den Zylinderkopf abgeben kann. Hat sich genug Ölkohle am Auslassventil gesammelt, schließt dieses gar nicht mehr richtig. Das heiße Abgas strömt nun direkt nach der Zündung an dem Ventil vorbei – dieses überhitzt und kann sogar lokal wegschmelzen. Der Motor hat folglich keine Kompression mehr und selbst der ahnungsloseste Fahrer bringt das Fahrzeug in die Werkstatt.

Die Werkstatt findet im Brennraum und an den Ventilen reichlich Ölkohle, und schließt daher auf den Ventilschaden. Sogar die Reinigung der Kolben und das Entfernen der darauf befindlichen Kohleschicht kann den Abstreifring verklemmen, selbst wenn er es bis dato noch nicht war.

Marcus Blienert: „Viele Werkstätten vermuten dann zunächst einen Schaden im Bereich der Ventilführungen – aber so viel Öl kann da gar nicht durchgehen. Bis 0,25 Liter auf 1.000 km sind durch verschlissene Führungen noch denkbar, mehr aber nicht, und da sind wir bei dem eigentlichen Problem.“Die mehrteiligen Blech-Abstreifringe bestehen aus zwei Blechscheiben, sowie einer Ringfeder, die zum einen den Abstand der beiden Scheiben sicherstellt, zum anderen aber auch die Federwirkung übernimmt. Mit der Zeit nutzen sich die Blechscheiben und die Feder gegeneinander ab. So sinkt der Anpressdruck an die Zylinderwand, die Abscheidewirkung sinkt und die Ölkohle kann sich weiter ablagern - im Endstadium verklemmen sich die Ringe gar komplett in der Nut und kommen ihrer Funktion gar nicht mehr nach.

Schadensbild: Saubere Kolben

Foto: amz / Baeumer

Wenn der Motor anschließend ein zweites Mal zerlegt oder endoskopiert wird, zeigt sich ein anderes Bild: Statt Ölkohle und Ruß sind die Kolben auffallend sauber, am Kolbenrand mehr als in der Mitte.

Der Grund dafür ist einfach: Da die Abstreifringe auf Grund der höheren Kompression oder ihrem Verschleiss dem nicht viel entgegenzusetzen haben, gelangt viel Öl in den Brennraum – und die Additive im Schmierstoff sorgen für ungewohnte Reinigungseffekte auf den Kolben. Wenn Kolben also auffällig sauber sind, sind mit großer Wahrscheinlichkeit mindestens die Abstreifringe verschlissen und fördern reichlich Schmierstoff in den Brennraum.

Neue Kolben statt Ringe

Abhilfe für das Problem schaffen nur neue Kolben samt Ringen, da die Nuten ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden können. Der Motorblock wandert zudem noch auf die Honmaschine – die Ölkohle ist abrasiv genug, um bleibenden Eindruck in Form von glanzpolierten Stellen in den Zylindern zu hinterlassen. Dies führt an den betroffenen Stellen zu schlechter Haftung des Ölfilms und daraus resultierender Mischreibung zwischen Kolben und Zylinder, was in einer deutlich verminderten Lebensdauer des Aggregats resultiert – hoher Ölverbrauch inklusive. Zwar sind die Kolben selbst meist noch innerhalb der Toleranzen und könnten theoretisch mit neuen Ringen wiederverwendet werden – wirtschaftlich ist dies in den meisten Fällen jedoch nicht, räumt Blienert ein. „Die Reinigung der verkokten Kolben, insbesondere der Nut für den Abstreifring und der Ölablaufbohrungen ist aufwendig und dauert relativ lange. Anschließend müssen die neuen Ringe noch montiert werden – da ist es in den meisten Fällen für den Kunden günstiger, die Kolben komplett zu erneuern, auch wenn diese noch gar nicht defekt waren“.

In den Fachbetrieben der Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe (GMI) wird je nach Notwendigkeit auch der Block neu gehont, sollte das Verschleißbild dies nach eingehender Prüfung notwendig machen. Ausgestattet mit neuen Kolben und Ringen mit jungfräulicher Spannkraft, können die Motoren bald wieder ihre Leistung erbringen – ohne erhöhten Ölverbrauch nach der Reparatur.
Im konkreten Fall waren wir bei der Firma Motoren Eckernkamp in Leopoldshöhe, Nordrhein-Westfalen, zu Besuch. Sie erreichen das Unternehmen unter 05202/98336 oder per Mail an: info@motoren-eckernkamp.de.

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Mit freundlicher Unterstützung der Gütegemeinschaft der Motoreninstandsetzungsbetriebe e.V. (GMI). In der Beitragsserie kommen die Motorenexperten der GMI zu Wort. Die GMI-Fachleute berichten von typischen Schadensfällen, zeigen Reparaturlösungen und geben Tipps für die nachhaltige Instandsetzung. Die GMI-Mitgliedsunternehmen stehen für eine qualitätsorientierte Motorenaufbereitung. Sie erfüllen freiwillig einen Katalog von strikten Qualitätskriterien und verpflichten sich dazu, sie regelmäßig zu überwachen und zu dokumentieren. Für ihre Produkte und Dienstleistungen dürfen sie das RAL Gütezeichen Motoreninstandsetzung (Standard RAL GZ-797) nutzen. www.gmi-ev.de

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