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Foto: amz / Bäumer

Unter Spannung

Krumm, krümmer, Bolzen ab!

Wenn es im Motorraum zischt und metallisch klappert, geht die Fehlersuche los. Fehlt beim Krümmer ein Stehbolzen, droht viel Arbeit.


Wenn die Diagnose steht, ist sowohl für die Werkstatt als auch den Fahrzeugbesitzer das Glück perfekt – die Werkstatt sorgt sich darum, wie man den Bolzen nun wieder aus dem Kopf herausbekommt, ohne weiteren Schaden anzurichten. Der Fahrzeugbesitzer hofft indes, dass die Reparatur nicht den Gegenwert des Fahrzeugs übersteigt.

Eine Odyssee aus Gusseisen.

Das eigentliche Problem hinter dem abgerissenen Stehbolzen ist etwa so alt wie die Metallverarbeitung selbst. Metall dehnt sich bei Hitze aus und schrumpft beim Abkühlen wieder auf sein Ursprungsmaß zurück. Wird es zudem noch bearbeitet und in eine Form „gezwungen“, wird aus dem eben noch planen Werkstück schnell die sprichwörtliche Banane. Besonders Gusseisen ist bekannt für seine Spannungen, die bedingt durch den Herstellungsprozess im Material liegen. Um diese Spannungen loszuwerden, wurden in der Ära der Dampflokomotiven gusseiserne Werkstücke ein Jahr lang Wind und Wetter ausgesetzt, damit sich die inneren Spannungen setzen konnten. Dass wohl kein Automobilhersteller im 21 Jahrhundert die Zeit hat, einen Abgaskrümmer ein ganzes Jahr lang ablagern, liegt auf der Hand. Wenige Tage nach dem Guss geht es zum planfräsen und anschließend wird montiert. Die so hergestellten Gusskrümmer stehen daher schon ab Werk reichlich unter Spannung. Etliche tausend Phasen der Erhitzung und des Abkühlens machen die Sache nicht besser, sondern vergrößern die Spannungen im Guss so lange, bis der Krümmer nicht mehr plan an der Dichtung des Zylinderkopfes anliegt. Im schlimmsten Fall reißt es gar die hochfesten Stahlbolzen schlichtweg ab – so groß sind die Kräfte, die das rostige Stück Metall aufbauen kann.

Die abgerissene Schraube ist daher nur die Folge, nicht die Ursache des Problems, erklärt Marcus Blienert von Motoren Eckernkamp. „Jedes Mal, wenn wir einen Stehbolzen für eine Werkstatt ausbohren sollen, fragen wir konkret nach, ob sie auch den Krümmer geprüft haben – das passiert nämlich nur in den wenigsten Fällen“. Mit dem angehaltenen Haarlineal wird schnell deutlich, was der Instandsetzungsprofi meint: Während der Krümmer in der Mitte halbwegs im Soll liegt, liegt in den Außenbereichen fast ein Millimeter zwischen Soll und Ist. „In gewissem Maße bekommt man das mit den Schrauben schon wieder plangezogen – aber davon sind die Spannungen ja nicht weg. Dann ist es meist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Stehbolzen abreißt.“

Mechanische Bearbeitung sinnvoller als Neuteil

Nun könnte man meinen, man kauft einfach ein Neuteil beim Hersteller, dort sind die Dichtflächen ebenfalls plan, alle Gewinde funktionieren noch und die Ausfallzeit des Kunden reduziert sich auch, statt den Krümmer zum Planen zu geben. „Hier erweisen die Werkstätten den Kunden einen Bärendienst“, erklärt Blienert. „Denn auch der neue wurde ja genau so hergestellt wie das alte Bauteil – sicherlich ist der auch erstmal eine ganze Zeit lang wieder dicht, keine Frage, aber hochwertiger ist die Aufarbeitung – der Guss wurde ja bereits über mehrere hundert Betriebsstunden spannungsarm geglüht.“ Für den betroffenen Krümmer führt daher der nächste Weg zur Fräsmaschine. Hier aufgespannt und ausgerichtet, nimmt der Drehstahl Zehntel um Zehntel herunter, bis der Krümmer wieder komplett plan ist. Der Krümmer in unserem Beispiel brauchte einige Zustellungen, um dem Verzug um 1,4mm auszugleichen. Wenn der Krümmer anschließend fertig bearbeitet ist, und gegebenenfalls vorhandene Gewinde nachgeschnitten wurden, kann er mit einer neuen Dichtung wieder am Fahrzeug montiert werden. Das so aufgearbeitete Bauteil ist „besser als neu, da abgelagert“. Blienert rät Werkstätten daher, bei der Demontage des Krümmers stets das Haarlineal anzuhalten und zu prüfen, ob der Krümmer verzogen ist.

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Im konkreten Fall waren wir bei der Firma Motoren Eckernkamp in Leopoldshöhe, Nordrhein-Westfalen, zu Besuch. Sie erreichen das Unternehmen unter 05202/98336 oder per Mail an: info@motoren-eckernkamp.de.

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