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Foto: ggb auto
Bald sind auf den Autobahnen nur noch Klimaschtzer unterwegs.

News & Kommentar

Grüner wird’s nicht?

Anlässlich der Halbjahres-Pressekonferenz des Verbandes der Automobilindustrie am 2. Juli 2019 in Berlin proklamiert VDA-Präsident Bernhard Mattes ehrgeizige Ziele für die deutschen Hersteller und versäumt nicht, diese als Innovationsträger hinzustellen.

Nachdem Mattes in seiner Rede die sonst ausführlich gewürdigte Marktentwicklung auf den internationalen Pkw-Absatzmärkten relativ schnell abhakt – Tenor: Entwicklung allgemein eher rückläufig, aber alles halb so wild, uns geht es gut, in China sogar richtig gut – wendet er sich flugs den großen „Innovations- und Zukunftsthemen“ zu, denn die gesamte Automobilindustrie befinde sich in einem enormen Transformationsprozess.

Was sich der VDA ganz oben auf die Fahnen schreibt, lässt wahrscheinlich manchem Öko-Aktivisten den Keks in den Chai-Tee fallen: Klimaschutz. Das klingt ungemein positiv und verleiht den eher spät unternommenen Anstrengungen der Hersteller, die Fahrzeugpalette in Richtung Elektromobilität und alternative Antriebe weiterzuentwickeln, einen frischluftigen Anstrich.

Als weitere Innovationsthemen nennt Mattes Digitalisierung, Vernetzung und automatisiertes Fahren, was zwar im PR-Blätterwald schon ziemlich abgefrühstückt ist, aber eben immer noch nicht Wirklichkeit auf unseren Straßen.

Beim dritten Zukunftsthema, das Mattes auf den Tisch packt, kommen die anderen Gedecke vielleicht ein wenig ins Rutschen, denn das ist für ihn die Globalisierung, die Verteidigung des freien Handels gegen zunehmenden Protektionismus.

Auto fahren und Klima schützen

Aber erstmal Klimaschutz: Die deutsche Automobilindustrie sei entschlossen, zum Erreichen der Klimaschutzziele beizutragen. Dafür, so Mattes, „arbeiten Hersteller und Zulieferer an vielen neuen Produkten und Dienstleistungen, um für alle Mobilitäts- und Transportwünsche überzeugende Lösungen anbieten zu können“. Dafür nimmt Mattes aber auch ganz korrekt die Politik in die Pflicht: „Alternative Antriebe entfalten nur dann ihre volle CO2-Wirkung, wenn sie auf Basis regenerativer Energien verwendet werden. Mobilitätswende und Energiewende sind zwei Seiten einer Medaille.“

Die Rede macht deutlich, dass bei den Herstellern inzwischen die Einsicht angekommen ist, dass man nur dann noch vorne mitspielen kann, wenn man die Zeichen der Zeit erkennt, anstatt sie zu ignorieren und sich irgendwie durchzumogeln. Immerhin wolle man ja auch die Arbeitsplätze sichern „am Standort Deutschland“. Dafür müsse man „die Herausforderungen entschlossen anpacken“. Besser spät als nie sozusagen. Dafür investierten Hersteller und Zulieferer massiv in alternative Antriebe, vor allem in Elektromobilität.

„Die neuen Modelle stoßen immer weniger CO2 aus“, meint Mattes – wobei das sicher relativ ist: Ein teilelektrifizierter Audi Q8 anno 2019 pustet mit seinen 435 PS nicht weniger raus als ein Golf II anno 1989. Warum Autos überhaupt mehr als – sagen wir mal – 200 PS benötigen, wird einem beim VDA wohl niemand schlüssig erklären können. Dicke Hose ist eben nur bedingt klimafreundlich.

Aber bei Autos, die zumindest rechnerisch wenig(er) bis gar kein CO2 mehr ausstoßen, soll es nicht bleiben, verspricht Mattes: „Darüber hinaus streben wir im gesamten Wertschöpfungsprozess CO2-Neutralität an – von der Entwicklung über Produktion und Vertrieb bis zur Nutzung und Verwertung des Fahrzeugs.“ Aber er vergisst auch nicht zu erwähnen, dass die Politik ihr Scherflein beitragen muss: „Dazu brauchen wir die passenden politischen Rahmenbedingungen, Mobilität der Zukunft ist keine Einbahnstraße.“

Elektromobilität notwendig für CO2-Ziele

Dem VDA und den Herstellern ist klar, dass die Flottengrenzwerte, die von der EU bis 2030 vorgegeben wurden, nur mit Elektroautos zu erreichen sind. „Schnelle Marktdurchdringung“ nennt sich das im Kaufmannssprech. Im Jahr 2030 müssten in Deutschland 7 bis 10,5 Mio. E-Autos im Bestand auf der Straße sein. „Das ist nur bei hoher Kundenakzeptanz und optimalen Rahmenbedingungen möglich – und alles andere als ein Selbstläufer“, hat Mattes erkannt. Aber der VDA gibt sich hier gern als Speerspitze des Umweltschutzes: „Dafür geht die deutsche Automobilindustrie enorm in Vorleistung: In Forschung und Entwicklung alternativer Antriebe investieren Hersteller und Zulieferer in den kommenden drei Jahren 40 Milliarden Euro“, rechnet der VDA-Präses vor. Das münde in eine eindrucksvolle Modelloffensive: Das Modellangebot solle bis 2023 auf über 150 E-Modelle verfünffacht werden. Überhaupt komme weltweit jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität und Hybridantrieb aus Deutschland. Mattes konstatiert: „Die deutsche Automobilindustrie agiert aus einer starken Position heraus und legt sich bei der Elektromobilität richtig ins Zeug. Das gilt für Hersteller und Zulieferer!“

Aber allein können die VDA-Unternehmen das nicht stemmen, weiß Mattes: „Zentraler Punkt: Die Ladeinfrastruktur im öffentlichen und privaten Raum muss rasch, nachhaltig und flächendeckend ausgebaut werden. Heute haben wir 17.400 öffentliche Ladepunkte. Notwendig sind bis zum Jahr 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte, zusätzlich 100.000 Schnellladepunkte sowie mehrere Mio. private Ladepunkte. Nur so schaffen wir hohe Kundenakzeptanz. Elektromobilität muss für die Bürger sichtbar sein!“

Mattes hat auch einen Plan: „Entscheidend ist koordiniertes Vorgehen auf allen Ebenen. Hemmnisse müssen schnell abgebaut werden. Dazu gehören das Miet- und Wohneigentumsrecht sowie der Abbau von Hürden, auch im Energiewirtschaftsrecht. Gemeinsam mit Politik und Gewerkschaften haben wir vereinbart, all diese Punkte in einem Masterplan zusammenzufassen. Dies wird zeitnah erarbeitet und umgesetzt.“ So formuliert, dürfte das sogar Juso-Chef Kevin Kühnert unterschreiben. Und natürlich freut man sich beim VDA auch über die Verlängerung des Umweltbonus‘, wenn es hilft, Autos zu verkaufen.

Während beim Pkw derzeit Hybrid- und E-Technik den Vorzug genießen, setzt der VDA laut Mattes für den Schwerlastverkehr auf E-Fuels und Wasserstoff. Erstere gelten bislang nicht gerade als wirtschaftlich und eigentlich als viel zu teuer, aber das wird ja vielleicht noch. Und wenn das alles nicht hilft, kann man ja noch über Rechenmodelle diskutieren: „Der wichtigste Baustein (zur Einhaltung der Grenzwerte, Anm. d. Verf.) ist die freiwillige Anrechnung regenerativer Kraftstoffe auf die CO2-Flottenziele“, hat Mattes schon mal überschlagen. „Dafür werben wir schon jetzt.“

Zugleich warnt der VDA vor einer weiteren Verschärfung der CO2-Vorgaben: „Die beziehen sich auf die gesamte EU. Von 28 EU-Ländern werden in den nächsten Jahren vier oder fünf die Hauptlast der Zielerreichung für die ganze EU tragen müssen, denn in vielen anderen EU-Staaten verfügen die Menschen nicht über die Mittel, damit sich die Elektromobilität rasch im Markt etablieren kann. Deswegen: Eine zusätzliche Verschärfung der CO2-Ziele, die vor allem in Deutschland diskutiert wird, ist für uns hoch problematisch. Die Unternehmen brauchen Verlässlichkeit. (…) Wir dürfen die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Schlüsselbranche nicht aufs Spiel setzen.“

Besseres Klima durch Freihandel?

Dazu gehört natürlich auch, die eigenen Produkte weltweit handeln zu dürfen und überall zum günstigsten Preis einkaufen oder produzieren lassen zu können. Entsprechend ist dem VDA das Hochziehen wirtschaftlicher Grenzen, wie derzeit von den USA massiv betrieben, ein Dorn im Auge. „Die aktive Gestaltung der Globalisierung ist für die deutsche Automobilindustrie ein entscheidender Faktor. Drei von vier Pkw, die in Deutschland vom Band laufen, gehen in den Export, die meisten nach Großbritannien und in die USA. Wir sind auch stark mit eigener Produktion in wichtigen Märkten vertreten. So beschäftigten unsere Unternehmen mehr als 120.000 Mitarbeiter in ihren US-Werken, davon mehr als 80.000 bei deutschen Zulieferern“, argumentiert Mattes. „Wir brauchen moderne Freihandelsabkommen. Das Abkommen der EU mit Mercosur ist ein hoffnungsvolles Signal. Damit wird für alle deutlich, dass Abbau von Handelshemmnissen und freier Handel für wesentliche Regionen der Welt von sehr hoher Bedeutung sind. Im Mercosur leben über 260 Mio. Menschen, 2018 wurden dort 3,2 Mio. Light Vehicles verkauft. Allein in Brasilien sind unsere Hersteller und Zulieferer mit über 120 Produktionsstandorten vertreten, hinzu kommen gut 20 Standorte in Argentinien. Auch das Freihandelsabkommen der EU mit Vietnam ist positiv zu werten.“ Die Folgen des Mercosur-Abkommens für den Klimaschutz bewerten Umweltverbände allerdings als höchst negativ: Sie befürchten vor allem in Südamerika einen rasanten Flächenfraß zugunsten des erwarteten Wirtschafts-Booms. Tschüss Regenwald.

P.S.: Der Autor hat sich übrigens entschieden, nur noch E-Zigarette zu rauchen, um aktiv das Klima und seine Lunge zu schützen.

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