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Foto: amz - Martin Schachtner

Fahrzeughandel

Gebrauchtwagengeschäft: Branche im Auktionsmus

Schnelligkeit bestimmt das GW-Business und Inzahlungnahmen müssen flugs vom Hof. Eine Option sind digitale Versteigerungen – auch für gewerbliche Käufer.

Die Verkündung des diesjährigen Nobelpreises für Wirtschaft erfolgte per Auktionshammer. Das bedeutet nicht, dass die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften den Meistbietenden prämiert hat, vielmehr wurden zwei Auktionsforscher ausgezeichnet. Auch im Gebrauchtwagenhandel sind Auktionen beliebt. Die Vertriebsdynamik und Umschlagsgeschwindigkeit scheinen verlockend: Während der deutsche Automobilhandel bis zu 114 Standtage pro Fahrzeug verzeichnet, werden Fahrzeuge innerhalb weniger Tage versteigert, heißt es beispielsweise beim Anbieter BCA Autoauktionen GmbH.

"Vor-Ort-Auktionen" an fünf Standorten

Das Auktionshaus unterteilt das Angebot in die Segmente Bronze (Fahrzeuge bis 10.000 Euro), Silver (bis 25.000 Euro), Gold (ab 25.000 Euro) und Elektrofahrzeuge. In Deutschland betreibt das Unternehmen insgesamt fünf Standorte für „Vor-Ort-Auktionen“. Zudem bieten die Neusser Online-Auktionen an.

Ein weiterer Auktionsveteran sitzt in Wiesbaden. Auktion & Markt fokussierte sich 2000 auf den Automobilbereich und betreibt acht Auktionszentren. Drei Jahre später startete mit Autobid.de eine Online-Plattform. Ein Wagnis, denn "viele aus der Branche konnten sich nicht vorstellen, dass Händler mehrere Tausend Euro für Fahrzeuge ausgeben, in die sie nicht selbst ‚hineingerochen‘ haben", wie es auf der Homepage heißt. Später wurden das erfolgreiche Experiment zur sogenannten Net-Live-Auktion, einer Mischung aus Live- und Onlineveranstaltung, weiterentwickelt. Dominierten bei den Platzhirschen anfangs Präsenz-Veranstaltung, holten die Online-Ableger über die Jahre hinweg auf. Die Branche steht vor einer Transformation. Genutzt und vorangetrieben wird diese Entwicklung von Start-ups, die konsequent auf Algorithmen, Nutzerfreundlichkeit, Extra-Content und SEO setzen.

Die digitale Karte

Die Marke Manheim erlebt derzeit ein Revival in Deutschland. Die Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Cox Automotive bot vor gut zehn Jahren kurzzeitig physische Auktionen. Das wiederaufgefrischte Angebot ist hingegen hundertprozentig digital: Mittels Smartphone und App lasse sich der Prozess der Fahrzeugerfassung „in weniger als zehn Minuten“ abwickeln – automatischer Datenimport über FIN-Scan und Foto-upload inklusive, hieß es. "Wenn ein Verkäufer in zehn Minuten ein Fahrzeug komplett einstellen kann und gute Aussichten hat, dass es auf der Plattform einen Käufer findet, dann gibt es keinen effizienteren Weg zur Vermarktung", befand Sebastian Fuchs, Geschäftsführer von Manheim Express Deutschland (oben im Bild). Auch freie Betriebe gehören zur Zielgruppe.

Motorhammer ist seit 2018 im Geschäft. Der Service richtet sich an Vertragshändler als Einlieferer, aber auch freie Kfz-Händler (Aufkäufer). "Vertragshändler können Fahrzeuge jederzeit einstellen und im Rahmen von Auktionen versteigern. Freie Kfz-Händler haben exklusiven Zugriff auf Inzahlungnahmen, Leasingrückläufer und Unfallfahrzeuge", ließ Geschäftsführer Felix Hartmann (unten im Bild) wissen. Besonders stolz ist der Chiemgauer auf ein Inzahlungnahme-Tool, bei dem die Auktionen als Rückwärtsauktion mit fallenden Preisen laufen. Vertragshändlern verspricht der Anbieter innerhalb von 30 Minuten die Vermittlung eines verbindlichen Preises und eines Abnehmers aus der Region. Das Fahrzeug sei bereits verkauft, werde aber zu einem späteren Zeitpunkt angeliefert – für Hartmann eine Absicherung anstehender Inzahlungnahmen. Verkäufer nutzen das Angebot kostenlos. Aufkäufer können sich kostenlos registrieren und bezahlen ein Aufgeld nach dem erfolgreichen Gebot.

Bewegung auch bei bestehenden Anbietern

Auch bei herkömmlichen Gebrauchtwagenbörsen tut sich viel. Das Autoportal Yes-Auto tritt als Ableger der chinesischen Plattform Autohome an und beschafft Autohäusern eigener Ansicht nach wichtige Leads. Auf dem neu gestarteten Portal finden sich 600.000 Neu- und Gebrauchtfahrzeuge – Yes-Auto arbeitet über Kooperationen mit insgesamt 1.500 Händlern zusammen. Darüber hinaus sieht sich das Unternehmen als Wissens-Hub und bietet redaktionelle Inhalte. Besonders wichtig ist bei Yes-Auto die Virtual Reality-Kompetenz: Vermarktete Fahrzeuge lassen sich in Panorama- und 360-Grad-Ansicht innen wie außen präsentieren, hieß es. Dieses Darstellungs-Know-how nutzten die Münchner im Sommer und veranstalteten in Kooperation mit großen Handelsgruppen eine „Virtual Car Show“.

Auch große Akteure versuchen sich im Autohandel. So schickte die Santander Consumer Bank kürzlich ebenfalls eine Autobörse ins Rennen – passenderweise unter der Domain autoboerse.de. Verkäufer stellen den Angaben zufolge nicht nur Fahrzeuge zum Verkauf, sondern reichern ihr Angebot mit Serviceleistungen wie Versicherung oder Reparaturpaket an. November 2019 startete mit Juhu-Auto ein Angebot der Bank Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe.

Geldgeber zieht den Stecker

So manchem Anbieter ist die Luft ausgegangen. Abracar beispielsweise hat die Corona-Krise nicht überstanden. Vor drei Jahren gegründet konnte sich das Portal für Privatkunden schnell Unterstützung liquider Geldgeber, unter anderem des Inkubators der Allianz Versicherung, Allianz X, sichern. Im April jedoch zogen die Geldgeber den Stecker, so dass die Gründer ihr Angebot einstellen mussten. Im gleichen Monat zog sich auch Car-Gurus zurück. Dabei hatte das US-Unternehmen die Branche drei Jahre lang mit Ideen vor sich hergetrieben. Ein Beispiel: Die qualitative Bewertung á la „fairer Deal“ oder „sehr gutes Angebot“ hatte man zuerst bei Car-Gurus gesehen.

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