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Die Bremsen im Nutzfahrzeug sind schwer und hoch belastet – doch der Markt verändert sich.
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Die Bremsen im Nutzfahrzeug sind schwer und hoch belastet – doch der Markt verändert sich.

Bremstechnik

Die Nutzfahrzeugbremse im Wandel

Bis zur Jahrtausendwende war die Sache eindeutig: Pkws bremsen hydraulisch, Lkws bremsen pneumatisch. Seit dem Aufkommen der Sprinterklasse, die mit Pkw-ähnlicher Antriebs-und Bremstechnik im Transportgewerbe bis 7,5 Tonnen unterwegs sind, verschwimmen die Grenzen zunehmend.

Dass sich die hydraulischen Bremsen für Fahrzeuge unterhalb von 7,5 Tonnen durchgesetzt haben, ist für die Pkw-Werkstatt eine positive Entwicklung: So können Betriebe auch Gewerbe- und Flottenkunden bedienen, die sonst klassisch ihre Fahrzeuge in eine Nutzfahrzeugwerkstatt gebracht haben, und so neue Geschäftspotenziale erschließen.  Für die Nfz-Werkstatt bedeutet das zweite System neue Herausforderungen und Probleme, die sich von denen pneumatischer Bremsen unterscheiden. Wir haben mit Michael Dunkel, Director Global Category & Product Management bei TMD Friction über die Herausforderungen und kommenden Änderungen im Bereich der Nutzfahrzeugbremsen gesprochen.

Wie unterscheiden sich die Materialien der Bremsen bei leichten Nkw der Sprinterklasse (LCV, Light Commercial Vehicle), wie sie oft im Transport und bei Paketdiensten eingesetzt werden, von denen normaler Pkw?

Michael Dunkel: Der Einsatz der leichten Nutzfahrzeuge nimmt kontinuierlich weiter zu, in 2021 wurden in der EU trotz Mikrochip-Versorgungsproblemen ca. 8 Prozent mehr Fahrzeuge zugelassen. Durch die intensive Nutzung und der Verwendung von hydraulischen Pkw-Bremssystemen stellen diese leichten Transporter auch für die Pkw-Werkstätten ein hohes Geschäftspotential dar.

Textar bietet auch in diesem Fahrzeugsegment eine volle Marktabdeckung für Bremsbeläge, Bremsscheiben und unsere weiteren Produktgruppen an. Da Sicherheit gerade in diesem Segment ein großes Thema ist, sollten die Werkstätten auf Qualitätsteile mit Erstausrüstungs-Know-how setzen. Der Markt fordert eine höhere Lebensdauer der Beläge, aus Kostengründen und um die Serviceintervalle ohne dazwischenliegende Bremsenreparatur zu schaffen. Wir haben daher verschleißfestere Reibmaterialmischungen im Einsatz.

Da wir als Entwicklungspartner für OEM, Bremsen- und Achshersteller auf eine Vielzahl selbst entwickelter Materialien zurückgreifen können, haben wir Materialmischungen zur Verfügung, die wesentlich verbesserte Standzeiten aufweisen, ohne Abstriche bei der Sicherheit oder der Geräuschentwicklung. Auch das Pedalgefühl bleibt konstant, ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Sicherheit.

Gerade im Verteilerverkehr sehen wir eine zunehmende Elektrifizierung. Wie wirken sich solche geänderten Anforderungen auf die Bremsanlage aus? Wird es wie beim Elektroauto (VW ID3/4) ein Comeback der Trommelbremse geben?

Die meisten E-Nkw, egal ob mit hydraulischer- oder Luftbremse, nutzen bisher die gleichen Bremsen wie die Verbrenner. Das wird sich wohl erst mit den nächsten Fahrzeuggenerationen ändern, wahrscheinlich in Richtung Gewichtsreduzierung. Die Trommelbremse ist bis heute bei Nutzfahrzeugen im Einsatz, zum Beispiel wenn es um den Einsatz als Baustellenfahrzeug geht. Ob es hier zukünftig wieder eine verstärkte Nutzung von Trommelbremsen geben wird, wird sich zeigen.

Zweiteilige Bremsscheiben sind im Pkw-Bereich seit Jahren im Kommen. Sehen wir diese bald auch beim schweren Nutzfahrzeug?

Zweiteilige Bremsscheiben sind für den Nfz-Bereich nicht neu und bereits seit einigen Jahren bei einigen Herstellern im Einsatz. Die größte Herausforderung für Bremsscheiben im Nutzfahrzeugbereich ist sicherlich die entstehende Hitze und diese effektiv abzuführen. Es existieren verschiedene Designs von zweiteiligen Bremsscheiben, die die thermische Isolation zwischen Radnabe und Bremsscheibe optimieren und somit den Hitzeübertrag reduzieren. Dadurch erfolgt eine gleichmäßigere Temperaturverteilung und ein übermäßiges Verziehen der Bremsscheibe wird verhindert. Dies hilft sogenannte Hotspots zu vermeiden, die wiederum zu unterschiedlich hohen Spannungen in der Bremsscheibe und Rissen führen. Ziel ist es, Risse, speziell durchgehende Risse, zu vermeiden!

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Michael Dunkel, Director Global Category & Product Management bei TMD Friction
Foto: TMD Friction
Michael Dunkel, Director Global Category & Product Management bei TMD Friction

Sie bieten verschiedeneTrägerplatten für schwere Nutzfahrzeuge an, die ein geringeres Gewicht aufweisen und eine bessere Verbindung zum Reibmaterial bieten sollen. Welche Vorteile bieten diese den Herstellern und Nutzern?

Wir haben entscheidend die Serienreife der Gussträgerplatte gemeinsam mit unseren Partnern aus der Bremsen-, Achsen- und Fahrzeugindustrie vorangebracht. Außerdem haben wir dies kombiniert mit verschiedenen Designs, die eine optimale Verbindung zum Reibmaterial bieten, d.h. auch bei hohen thermischen Belastungen und bei aggressiven externen Einflüssen wird eine sichere Verbindung gewährleistet. Aber auch den herkömmlichen Stahlträger konnten wir gewichtsoptimieren. Durch optimale Gestaltung des Belagträgers kann die gleiche Festigkeit des Bauteils erzielt werden wie beim herkömmlichen Belagträger, bei gleichzeitig reduziertem Gewicht. Die verschiedenen Arten von Bremssätteln bzw. Bremssystemen machen eine komplette Umstellung oder Vereinheitlichung der Belagträger nicht möglich. Es handelt sich um einen klaren Qualitätsvorteil, auf anwendungsspezifisch entwickelte Bremsbeläge der Marke Textar zurückzugreifen. Wir entwickeln und testen in Deutschland. Wir haben hier fünf Prüfstände zur Verfügung, eine eigene Testflotte sowie Testkapazitäten in England.

Auch bei den Fahrzeugherstellern ist der Trend erkennbar, aus Kostengründen günstigere Zweitmarken auf den Markt zu bringen. Wie gehen Sie als OE-/Tier 1- Lieferant damit um?

Natürlich müssen wir uns dieser Marktentwicklung stellen, daher bieten wir neben unserer Premiummarke Textar im Nkw-Bereich unsere Marke Don an. Auch hier mit dem Ansatz eine hohe Marktabdeckung für verschiedene Bremsen-, Achsen- und Fahrzeughersteller zu bieten, gepaart mit einem attraktivem Preis-/Leistungsverhältnis. Die Qualität dieser Marke ist in den Märkten anerkannt und letztlich greifen wir hier auf unser langjähriges Know-How zurück, was auch bei standardisierten Reibmaterialien sicheres Bremsen ermöglicht. Letztlich wollen wir als Friction Specialist die verschiedene Marksegmente und Anforderungen unserer Kunden erfüllen. Der Markt hat bei uns die Möglichkeit zu entscheiden: OE-Qualität mit der Marke Textar oder Premium Aftermarket-Qualität mit der Marke Don.

Bleiben wir gerade noch im Markt: Bei Nutzfahrzeugen spielt die Teileverfügbarkeit eine große Rolle – was uns die letzten zwei Jahre regelmäßig begleitet hat. Sind Sie von der aktuellen Lieferkettenproblematik betroffen?

Was wir spüren, ist ein schwierigerer Zugang zu den Rohstoffen, gerade aktuell, aber grundsätzlich sind wir dort sehr gut aufgestellt und können auf ein gutes Netzwerk an Lieferanten zurückgreifen. Unsere Nkw-Produktion ist zu 100 Prozent „Made in Germany“ und in Leverkusen-Hitdorf haben wir in den letzten Jahren ein neues, sehr leistungsfähiges Zentrallager aufgebaut: Zwei ganz wichtige Faktoren, die uns gerade in den letzten zwei Jahren eine gute Verfügbarkeit sichergestellt haben.

Herr Dunkel, vielen Dank für das Interview!

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