Mechanisch hoch belastete Metall-Teile dürfen galvanisch nicht behandelt werden, weil sich durch die Oberflächenbehandlung (Polieren) und durch die aufgebrachte galvanische Schicht das Zug- und Bruchverhalten gegenüber dem unbehandelten Teil deutlich verändert. Die meisten Prüforganisationen lehnen daher galvanisch überarbeitete Komponenten im Fahrwerks- oder Bremsenbereich kategorisch ab und verweigern die Zulassung bzw. das Prüfsiegel.
Bei Lackierungen hingegen besteht das Problem, dass viele Lacke bei dynamisch oder statisch hoch beanspruchten Teilen keine dauerhafte Oberflächenversiegelung gewährleisten, da sie nach ihrer Aushärtung sehr spröde werden können. So kommt es immer wieder vor, dass der teuer und mühsam aufgebrachte Lack an Felgen, Fahrwerkskomponenten oder Rahmen durch Seinschlag oder Witterungseinflüsse schon nach kurzer Zeit beschädigt wird. Sind kleine Abplatzer vorhanden, dauert es meist nicht lange, bis das darunter liegende Metall zu korrodieren beginnt. Hier hilft dann nur eine erneute Lackierung.
Falsche Vorurteile?
Spätestens an diesem Punkt überlegen viele, ob es nicht Alternativen gibt, Oberflächen dauerhaft zu versiegeln. Eine oft genannte Lösung ist das Pulverbeschichten. Obwohl diese Methode seit vielen Jahren erfolgreich in der Industrie angewendet wird und sich dort bewährt hat, wird sie von vielen Kfz-Werkstätten abgelehnt. Als Begründungen werden meist das kunststoff- bzw. plastikartige Finish der Oberflächen und die zu geringe Farbauswahl genannt.
Ob dies noch heute stimmt, wollte die amz-Redaktion von Josip Barbir erfahren, dem Geschäftsführer und Eigentümer der Firma Pulverbeschichtungen Barbir in Geretsried, 40 km südlich von München gelegen. „Das Vorurteil, dass Pulverbeschichtungen wie Plastik oder Kunststoffüberzüge aussehen, ist schon lange überholt“, versichert Barbir. Das Finish der Beschichtungen gleiche einer sehr guten Lackierung. Dabei ist es heute möglich, sowohl matte wie glänzende Oberflächen mit Pulverbeschichtungen zu erreichen. Auch bieten nahezu alle Hersteller von Pulverlacken heute die gesamte Palette der RAL-Farbtöne an. Auch Lackeffekte wie Hammerschlag und Metallic bei fein oder grob strukturierten Oberflächen sind möglich. Einzig Sonderfarbtöne bereiten Schwierigkeiten, werden nach Barbirs Worten aber zusehend angeboten.
Ein großer Nachteil ist jedoch, dass, im Gegensatz zum Lackieren, hauptsächlich nur elektrisch leitfähige und temperaturbeständige Werkstoffe (in der Regel Metall) pulverbeschichtet werden können. Jedoch gibt es seit geraumer Zeit ein Verfahren, durch Aufbringung eines leitfähigen Lackes auch nicht leitfähige Materialien pulverbeschichten zu können.
Vorbereitung wie beim Lackieren
Die Vorbereitung zum Pulverbeschichten gleicht zunächst der bei einer Lackierung. Zuerst wird das Werkstück durch Beizen vom alten Lack bzw. der alten Beschichtung befreit. Anschließend wird die Korrosion durch Sandstrahlen oder Phosphatieren entfernt. Beim Phosphatieren wird das Werkstück entweder in ein Metallphosphatbad getaucht oder mit einer Metallphosphatlösung besprüht. Dabei bildet sich auf der Oberfläche eine ca. 7 bis 15 µm dünne Metallphosphatschicht (je nach Verfahren: Eisen-, Mangan-, Nickel- oder Zinkphosphatschicht). Diese Schicht dient dem Pulverlack als fester Haftgrund und verhindert zuverlässig ein Unterrosten der Beschichtung. Wird die Korrosion mit Sandstrahlen entfernt, muss das Werkstück anschließend noch gründlich gereinigt und gegebenenfalls entfettet werden.
Vor der eigentlichen Farbpulverbeschichtung wird zusätzlich als Rostschutz noch ein spezieller Pulverlack-Haftgrund aufgetragen. Damit das Pulver des Haftgrunds und später die Farbpulverbeschichtung am Werkstück haften bleibt, bedient man sich eines simplen, aber wirkungsvollen Tricks. Das Werkstück wird hierzu in einem so genannten Pulverlackierstand vor einer Absaugung aufgehängt und elektrisch geerdet. In der Druckluft-Pulversprühpistole wird das Pulver elektrostatisch geladen. Aufgrund des sich so bildenden elektrischen Feldes von rund 100 kV werden die positiv geladenen Pulverteilchen vom negativ geladenen Werkstück angezogen und bleiben daran haften.
Gleichzeitig wird überschüssiges Farbpulver (Overspray) im Lackierstand abgesaugt. Am Werkstück bleibt so eine gleichmäßige Pulverschicht haften. Anschließend wird das Werkstück vorsichtig in eine Einbrennkammer gehängt. Dort vernetzt sich das Pulver bei Temperaturen zwischen 150 bis 200°C zu einer Kunststoffschicht und bildet nach ca. 15 Minuten seine endgültige glatte Oberfläche aus. Nachdem die beschichteten Teile abgekühlt sind, sind sie ohne weiteren Trocknungsprozess oder Nachbehandlung sofort einbaufähig.
Pulverbeschichtungen sind äußerst resistent gegen mechanische Beschädigungen und isolieren elektrisch sehr gut. Deshalb ist es wichtig, vor dem Beschichten alle im Werkstück vorhanden Gewinde, Passungen und Masseanschlüsse sorgfältig abzukleben, da hinterher die Beschichtung nur unter hohem mechanischen Aufwand entfernt werden kann. Das Abkleben nehmen die Pulverbeschichter meist selbst vor, da hierzu spezielle temperaturbeständige Klebebänder und Verschlusskappen notwendig sind. Kunden sollten daher alle Flächen und Gewinde, die nicht beschichtet werden dürfen, deutlich kennzeichnen und sich mit dem Beschichter genau absprechen.
Verbesserte Eigenschaften
Gegenüber konventionellen Lackierungen verbessert die Pulverbeschichtung merklich die Oberflächeneigenschaften des Werkstoffes, ohne eine dickere Schicht als ein herkömmlicher Lack auszubilden. Die Oberfläche ist chemikalienbeständig, kratz-, schlag-, witterungs- und abriebfest. Der Korrosionsschutz erreicht die Korrosionsklasse C5. Da Pulverbeschichtungen zudem flexibel sind, lassen sich z.B. Fahrwerksfedern damit beschichten. Sogar temperaturbeständige Pulverbeschichtungen für wärmebelastete Teile wie Auspuffanlagen oder Motorkomponenten gibt es. Sie basieren auf Silikonharz und halten Temperaturen bis ca. 550oC aus. Sie gibt es hauptsächlich in den Farbtönen Silber, Grau und Schwarz als Strukturlack oder seidenglänzend. Gewöhnliche Pulverlacke halten Temperaturen bis 315oC aus.
Auch wenn Pulverbeschichtungen viel länger halten als Lackierungen, werden auch sie irgendwann unansehnlich. Zur Entfernung alter Beschichtungen gibt es für die in den Pulverlacken auf Polyurethan-, Epoxid- oder Polyesterharzen basierenden Bindemittel spezielle Lösungen. Sie lösen die Beschichtung in wenigen Stunden so weit auf, dass sie problemlos mit einem Plastikspachtel abgezogen werden kann.
Da der Arbeitsaufwand beim Pulverbeschichten geringer ist als beim Lackieren, stellt sich das Preis-Leistungsverhältnis auch im Bezug auf die Qualität sehr viel besser dar. Einen Nachteil hat die Methode jedoch. Da die Oberflächen aufgrund des Einbrennvorgangs nicht gefüllert oder gespachtelt werden können, müssen sie vor der Beschichtung in einem einwandfreien Zustand befinden. Das bedeutet, dass Metalloberflächen mühsam geglättet oder verzinnt werden müssen, will man eine glatte Oberfläche für die Beschichtung erhalten.
Die Vorteile des Pulverbeschichtens liegen klar auf der Hand. Die Methode bietet sich speziell für Fahrwerks-, Rahmen- und diverse Motorteile, aber auch Kleinteile wie Griffe, Verblendungen oder das Gestänge eines Cabriodaches an. Soll hier eine dauerhafte, mechanisch hochbelastbare Oberflächenversiegelung erreicht werden, wird man um die Pulverbeschichtung nicht herumkommen. Auch ökologisch betrachtet, gehört das Pulverbeschichten zu den umweltfreundlichsten Beschichtungsmethoden, da keine Lösungsmittel bei der Verarbeitung gebraucht werden. Es spricht also nichts mehr dagegen, diese Methode auch im Young- oder Oldtimerbereich einzusetzen.
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