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Wartungs- und Reparaturarbeiten am Bremssystem gehören zu den Standardarbeiten in einer Nutzfahrzeug-Werkstatt. Doch ein fachgerechter Bremsenservice umfasst weitaus mehr als den bloßen Ersatz von Verschleißteilen.
Foto: Europart
Wartungs- und Reparaturarbeiten am Bremssystem gehören zu den Standardarbeiten in einer Nutzfahrzeug-Werkstatt. Doch ein fachgerechter Bremsenservice umfasst weitaus mehr als den bloßen Ersatz von Verschleißteilen.

Bremsenservice am Nfz

Ausgebremst?

Moderne Nutzfahrzeuge bremsen immer besser. Damit das über die Betriebsdauer so bleibt, spielt der fachgerechte Service eine wesentliche Rolle. Kurze Bremswege lassen sich nämlich nur mit einem optimal gewarteten System und hochwertigen Komponenten erzielen.

Wie leistungsfähig moderne Bremssysteme sind, hat 2018 ein Vergleichstest der Dekra gezeigt: die Sicherheitsexperten verglichen die Bremsleistung eines 2017er Mercedes-Benz Actros mit der eines Mercedes-Benz SK (‚Schwere Klasse‘) von 1997. Beide Sattelzüge brachten eine Gesamtmasse von 38,5 Tonnen auf die Waage. Im direkten Nebeneinander beschleunigten die beiden Lkw auf 80 km/h und legten anschließend eine Vollbremsung hin. Das Testergebnis war mehr als beeindruckend: Während der Actros bereist nach 41 Metern stand, rauschte der SK mit einer Restgeschwindigkeit von 43 km/h an diesem vorbei und ankerte erst nach 57 Metern vollständig.

Nutzfahrzeugbremsen haben sich über die Jahre zu komplexen Systemen entwickelt. Schon deshalb sollte die Werkstatt beim Bremsenservice besonders sorgsam vorgehen und neben dem Austausch klassischer Verschleißkomponenten vor allem auch die Peripherie im Auge behalten – und gegebenenfalls die zusätzlich notwendigen Wartungsschritte vornehmen. Zu den kritischen Teilen gehören etwa die Faltenbälge an den Druckstücken sowie die Führungsabdichtungen an den Bremssätteln. Diese dürfen keine Beschädigungen aufweisen, um ein gefährliches Eindringen von Feuchtigkeit und Schmutz zu verhindern. Bei dieser Gelegenheit lässt sich auch prüfen, ob die Führung des Sattels noch in Ordnung ist und sich dieser leicht verschieben lässt – oder ob ein neuer Führungs- und Dichtungssatz erforderlich ist. Ein früh- beziehungsweise rechtzeitiger Ersatz kann teure Folgeschäden und unnötige Standzeiten verhindern helfen.

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Lkw-Bremsen müssen permanent Höchstleistungen bringen. Speziell Bremsscheiben sind hoch beansprucht. Unter harten thermischen Bedingungen können die Scheiben reißen – und im Extremfall sogar brechen.
Foto: amz – Klaus Kuss
Lkw-Bremsen müssen permanent Höchstleistungen bringen. Speziell Bremsscheiben sind hoch beansprucht. Unter harten thermischen Bedingungen können die Scheiben reißen – und im Extremfall sogar brechen.

Auf die Paarung kommt es an

Der kürzeste Bremsweg lässt sich erzielen, wenn die Reibwerte von Bremsscheibe und -belag bestmöglich zueinander passen. Deshalb legen Erstausrüster großen Wert auf perfekt abgestimmte Reibkomponenten. Auch die Lebensdauer profitiert von einer optimalen Paarung – ebenso wie die Verkehrssicherheit. Passen die Reibwerte von Belag und Scheibe nicht optimal zusammen, können bei extremen Bremsmanövern feine Haarrisse in der Scheibe entstehen, die mit jeder weiteren Bremsung tiefer werden. Diese Risse beeinträchtigen die Betriebssicherheit und erhöhen außerdem den Bremsbelagverschleiß, denn die Risse wirken praktisch wie ein Hobel, der den Belag schichtweise abträgt und so dessen Lebensdauer drastisch verkürzt. Deshalb kann es auch im Aftermarket von Vorteil sein, die Produkte nur eines Herstellers zu verbauen.

Neue Beläge sollte man vor der Übergabe des Fahrzeugs einbremsen. Damit wird gewährleistet, dass sich die Harze im Reibmaterial durch Hitze und Druck so konditionieren können, dass die optimale Reibungsintensität erreicht wird. Zudem stellt das so genannte Einbetten sicher, dass die automatische Belagnachstellung korrekt funktioniert. Experten zufolge kann so die Lebensdauer der Beläge um bis zu zehn Prozent erhöhen. Um den Vorgang zu beschleunigen, verfügen hochwertige Produkte über eine reibwerterhöhende Beschichtung, häufig als ‚Grüne Beschichtung‘ bezeichnet.

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Passt die Reibpaarung von Bremsbelag und -scheibe nicht zusammen, können sich unter extremen Bedingungen Haarrisse bilden. Diese verringern die Bremsleistung, außerdem verschleißt der Belag schneller.
Foto: TMD Friction
Passt die Reibpaarung von Bremsbelag und -scheibe nicht zusammen, können sich unter extremen Bedingungen Haarrisse bilden. Diese verringern die Bremsleistung, außerdem verschleißt der Belag schneller.

Optimieren möglich

Im Neuzustand passen Bremsenkomponenten optimal zusammen. Doch diese ‚ideale Paarung‘ verändert sich je nach Beanspruchung während der Betriebszeit: Bremstrommeln bekommen Riefen und Unebenheiten auf der Reibfläche, der Belag verschleißt ungleichmäßig oder verglast. Nicht mehr korrekt anliegende Beläge können an den unrunden Stellen so genannte Hotspots verursachen. Schwergängige Hebeleien sowie ‚lasche‘ Federn bewirken indes einen ungleichen Belagverschleiß und überhitzte Bremsen.

Bremsscheiben dagegen können sich verziehen. In brenzligen Situationen kann dieses ‚Bremsenrubbeln‘ die Bremsperformance empfindlich reduzieren. Wird der Bremssattel aufgrund von Korrosion immer schwergängiger, gibt es auch bei Bremsscheiben leistungsmindernde Hotspots und Auswaschungen, zudem können die Reibflächen keilförmig einlaufen und die Beläge dadurch einseitig und ungleichmäßig verschleißen.

Mit speziellen Bremsendienstmaschinen lassen sich solche Mängel jedoch beseitigen, speziell, wenn bereits gelaufene mit neuen Komponenten kombiniert werden sollen. Neben Sicherheitsvorteilen verbessert das Abdrehen der Bremsscheiben beziehungsweise das Ausdrehen der Trommeln auch den Bremskomfort. Zudem verkürzt sich die Einbettphase der Reibeläge. Nicht zuletzt verlängert das Optimieren die Standzeit der Reibpartner, was weniger Werkstattaufenthalte bedeutet und hilft, die TCO (Total Cost of Ownership = Gesamtbetriebskosten) niedrig zu halten.

Alles Einstellungssache

Bremsen können aus verschiedenen Gründen heiß laufen. Zu den klassischen Ursachen zählen schwergängige Bremsklötze oder ein zu geringes Lüftspiel. Ersteres lässt sich vermeiden, wenn der Mechaniker nach dem Ausbau der Klötze den Bremsbelagschacht gründlich reinigt. Dadurch lassen sich die neuen Beläge leichter einsetzen. Zudem verhindert es, dass die Klötze im Fahrbetrieb aufgrund von angebackenem Schmutz und Zunderschichten verkanten. Nach dem Belagwechsel ist das Lüftspiel korrekt einzustellen, damit die automatische Nachstellung ihren Zweck erfüllen kann.

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Das korrekte Einstellen des Lüftspiels verhindert Heißlaufen (Spiel zu klein) ebenso wie verzögertes Ansprechen (Spiel zu groß). Für beengte Verhältnisse gibt es pfiffige Spezialwerkzeuge.
Foto: Hazet
Das korrekte Einstellen des Lüftspiels verhindert Heißlaufen (Spiel zu klein) ebenso wie verzögertes Ansprechen (Spiel zu groß). Für beengte Verhältnisse gibt es pfiffige Spezialwerkzeuge.

Ein nicht korrektes Lüftspiel hat zwei typische Auswirkungen: Ist es zu groß, verlängert sich die Ansprechzeit beim Bremsvorgang und es dauert Sekundenbruchteile länger, bis der Belag anliegt. Im Extremfall reicht der Anpressdruck nicht aus, um eine maximale Reibung zu erzeugen. Ist das Spiel zu gering, schleift der Bremsbelag permanent an der Scheibe. Diese Dauerreibung erzeugt Wärme, was zur Überhitzung und zum leistungsmindernden und gefährlichen Fading führen kann.

Die Peripherie im Blick behalten

Zu einem professionellen Bremsenservice gehört immer auch ein Blick auf die Peripherie und die zugehörigen Nebensysteme. Dazu gehört beispielsweise der Trockner der Druckluftanlage, der bei der Luftförderung eine wichtige Rolle spielt. Unter dem unscheinbaren Blechgehäuse steckt nämlich ausgefeilte Technik, welche einerseits die Feuchtigkeit in der Druckluftanlage mittels der sogenannten ‚kaltregenerierten Absorptionstrocknung‘ reduziert. Dabei wird die vom Kompressor geförderte Druckluft über das Granulat der Trockenmittelkartusche geleitet, welches den Wasserdampf aufnimmt.

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Die Regeneration des Granulats erfolgt in regelmäßigen Abständen durch eine ‚Rückspülung‘ mit bereits getrockneter Luft. Außerdem filtert der Trockner mit der Druckluft zirkulierendes Motoröl heraus und verhindert so, dass Ventile im Luftkreislauf Schaden nehmen (verkleben) und teure Systemausfälle verursachen. Aus diesen Gründen empfehlen sich qualitativ hochwertige Trocknerkartuschen mit integriertem Ölabscheider.

Zeitwertgerecht reparieren mit Eigen-, Handels- und Zweitmarken

Mittlerweile spielt die ‚Zeitwertgerechte Reparatur‘ auch beim Bremsenservice eine immer wichtigere Rolle, speziell wenn es preissensiblen Kunden darum geht, die TCO des jeweiligen Nutzfahrzeugs zu optimieren. In einem solchen Fall gilt es kompetent abzuwägen, ob sich die geforderte Bremsleistung und -sicherheit nicht auch mit preiswerten Alternativteilen erreichen lässt – ein Trend, den sowohl diverse Systemhersteller als auch der Teilegroßhandel mit einer eigenen Zweitmarken-Linie beziehungsweise Eigen- und Handelsmarken kräftig unterstützen.

Bei SAF Holland beispielsweise heißt die Zeitmarke ‚Sauer Parts‘, bei Krone ‚Krone Trusted‘. Während Europart seine Eigenmarkenprodukte als ‚Premium Pars‘ ins Rennen schickt, versieht Winkler seine Produkte lediglich mit einem nüchternen ‚winkler‘-Schriftzug. Die Teilehandelskooperation Carat hat die Handelsmarke ‚Corexx‘ für seine Großhandelspartner geschaffen, welche ausschließlich über ad Cargo erhältlich ist. Allen gemeinsam ist, dass die angebotenen Bremsenkomponenten nach eigenem Bekunden nach strengsten Qualitätsnormen gefertigt werden und die Kriterien der europäischen Prüfnorm ECE R90 erfüllen.

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Nur eine optimal gewartete Bremsanlage kann Höchstleistungen vollbringen. Mit speziellen Bremsendienstgeräten lässt sich die Leistung von bereits gelaufenen Scheiben- und Trommelbremssystemen sogar noch weiter verbessern.
Foto: Hunger
Nur eine optimal gewartete Bremsanlage kann Höchstleistungen vollbringen. Mit speziellen Bremsendienstgeräten lässt sich die Leistung von bereits gelaufenen Scheiben- und Trommelbremssystemen sogar noch weiter verbessern.
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