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Foto: Max Earey

Kulturgut Auto

Aston Martin: Die dienstälteste Autofabrik samt Werkstatt

Der Firmensitz ist Gaydon, doch das Herz schlägt in Newport Pagnell. Denn dort, wo Aston Martin 50 Jahre zu Hause war, werden nicht nur Autos verkauft und Oldtimer gewartet – sondern auch wieder gebaut.

Den Schreibtisch mit Blick in die Werkstatt, die Krawatte nur für Notfälle in der Schublade und auf der Agenda eher Blech als Bilanzen – nach dem typischen Alltag eines Autobosses sieht der von Paul Spires nicht aus. Doch im Grunde hat der Brite den gleichen Job wie Ola Källenius bei Daimler, Herbert Diess bei VW oder Oliver Zipse bei BMW. Denn zumindest so, wie er es definiert, ist auch Aston Martin Works ein Automobilhersteller und bietet das gleiche Spektrum wie die Branchengiganten – Entwicklung, Produktion, Verkauf und After Sales inklusive. „Nur eben ein paar Nummern kleiner“, räumt Spires mit einem schelmischen Grinsen ein. Und mit weniger Verantwortung. Denn anders als Daimler, VW oder BMW ist Aston Martin Works freilich nicht eigenständig und autark, sondern eine Tochter des Sportwagen-Herstellers Aston Martin, wobei die Tochter bisweilen auch wirkt wie die Mutter.

Dass die Generationen in seinem Geschäft schon mal ein bisschen durcheinandergeraten können, muss man Mr. Spires nachsehen. Schließlich arbeitet er am Herz und der Historie der Marke und verkauft nicht nur Neuwagen, sondern kümmert sich vor allem um Oldtimer und hat damit gut zu tun. Denn immerhin sind bald 90 Prozent aller seit 1915 gebauten Aston Martin noch immer auf der Straße, heißt es in Freundeskreisen der Automobil-Aristokraten.

Und alle zwei Wochen wird es einer mehr. Denn seit 2017 restauriert und wartet sein Team in der Tickford Street nicht nur jede Menge Modelle vom schrägen Lagonda bis zum ewig schönen DB5, vom Vanquish bis zum 1-77, sondern baut auch fabrikneue Oldtimer. Continuation-Series nennen die Briten dieses Programm, das mit dem GT4 begonnen hat. Von dem waren Anfang der 1960er ursprünglich mal 100 Exemplare geplant, aber es wurden nur 75 gebaut. Deshalb haben sie in Newport Pagnell vor wenigen Jahren begonnen, die Lücke zu schließen und mit neuen Maschinen aber alter Technik 25 weitere GT zu bauen.

Dabei haben die Arbeiten am DB4 nicht von ungefähr in der Thickford Street begonnen, der Sitz von Aston Martin Works ist vielmehr mit Bedacht gewählt. Denn auch wenn DB11 & Co mittlerweile in Gaydon vom Band laufen und für den DBX sowie die elektrischen Lagonda gerade eine neue Fabrik in Wales gebaut wurde, schlägt hier in diesen Backsteinhallen das eigentliche Herz der Marke, und es schlägt hier schon ziemlich lange. Über 50 Jahre lang lang hat Aston Martin hier Autos gebaut – gut 13.000 Exemplare, darunter DB4, DB5, DB6, V8 Vantage und der schrullige Lagonda - bis 2007 der letzte Vanquish aus der ersten Generation vom Band lief. Und schon Jahrzehnte bevor David Brown erst Aston Martin und dann den in Newport Pagnell ansässigen Zulieferer Thickford übernommen und hier mit dem Bau des DB4 begann, hat man sich an diesem Platz um die feine Art der Fortbewegung gekümmert – mit dem Bau von Kutschen, der bereits 1830 begonnen wurde.

Entsprechend bewegt war die Mannschaft, als nach jeweils 4.500 Stunden Handarbeit die ersten Continuation-Modelle aus dem großen Tor rollten. „Das war für uns ein ganz besonderer Tag“, erinnert sich Spires. Denn damit haben wir eine Tradition wieder aufgenommen, die zurückreicht bis in die Mitte des 18 Jahrhunderts. Das dürfte die Backsteinhallen in der Thickford Street zur ältesten noch aktiven Fabrik in der Autobranche machen.

Aber Spires kann nicht nur die Geschichte des Gebäudes zurückverfolgen. Sondern auch viele Mitarbeiter sind schon seit Generationen hier, manche Familien tatsächlich seit dem Kutschbau, erzählt Chef und berichtet von vielen Vater-Sohn-Gespannen in seinem 125 Mann starken Personal, mit denen diese Tradition weitergehe. Auch der Fahrzeugbau hat seit dem DB4 nicht mehr gestoppt. Denn als der Erstling fertig war, haben die Briten mit dem DB4 Zagato weitergemacht und zum 100. Geburtstag der italienischen Designschneide genau wie 1960/61 noch einmal 19 Exemplare des Coupés gebaut.

Und jetzt gerade landet Spires seinen bislang größten Coup: Das DB5 Goldfinger Continuation Car: Zur Feier des 25. Bond-Films hat er 25 Exemplare von 007s Dienstwagen nachbauen lassen – alle Gadgets von den rotierenden Kennzeichen bis zum Nebelwerfer inklusive.

Was für ihn und sein Team harte aber begeisternde Arbeit war, wird für die Kunden vor allem ein etwas großgeratenes Spielzeug sein. Als Auto dagegen ist der DB5 trotz respektabler Fahrleistungen und einem tadellosen Nachbau denkbar ungeeignet: Nicht zuletzt wegen der rotierenden Kennzeichen und all der anderen Gagdets aus der Rüstkammer von James Bonds Quartermaster „Q“ bleibt dem DB5 die Straßenzulassung verwehrt.

Zwar ist der DB5 das berühmteste Auto in der Geschichte der Marke und es ist nur schwer vorstellbar, dass Sammler für die Replik eines anderen Modells vier Millionen Euro ausgeben würden. Doch Spires ist sich trotzdem ziemlich sicher, dass die Sache mit den Continuation-Modellen weitergehen wird. „Unsere Geschichte ist voller ikonischer Fahrzeuge, die ein zweites Leben verdient haben. Da fällt uns also sicher wieder etwas ein.“

Natürlich ist die „Works“-Division für Aston Martin eine Herzensangelegenheit und Spires wirkt eher wie ein Spielwarenhändler als ein Autoverkäufer. Doch der Brite ist auch ein gewiefter Manager und stolz auf seine Zahlen. Nicht nur die vielen Hundert Oldtimer zählen, die pro Jahr durch seine Hallen rollen. Mit 250 Neuwagen-Verkäufen zählt er auch zu den weltweit zehn größten Aston-Martin-Händlern. Als Werkstatt genießt Works so viel Reputation, dass in den Hallen auch Autos mit Kennzeichen aus Dubai oder Peking stehen und rund 3.000 Autos pro Jahr zum Service kommen. Und wer einen Oldtimer ohne Risiko handeln will, der wickelt den Deal über Spires’ Mannschaft ab und bekommt dabei so etwas wie eine beglaubigte Geburtsurkunde.

Mit dieser ganz eigenen Mischung aus Neuwagen-Handel und Oldtimer-Geschäft, mit Nachbauten sowie dem Service für neue und alte Autos hat Spires dabei etwas geschafft, was der Konzern-Mutter schon seit geraumer Zeit nicht mehr gelungen ist: „Wir führen unser Geschäft so, dass wir einen Profit erwirtschaften.“ Auch in diesem Bestreben unterscheidet sich sein Job also nicht von dem der Herren Diess, Zipse oder Källenius. Nur dass sich die Arbeit bei Aston Martin Works offenbar besser auszahlt. (Benjamin Bessinger/SPX)

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